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EU: Keine Einigung zu Spitzenposten: Von der Leyen muss warten

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Keine Einigung zu Spitzenposten: Von der Leyen muss warten

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    Wie sollen die EU-Spitzenposten neu besetzt werden? Auf diese Frage gibt es laut Ratspräsident Charles Michel noch keine Antwort.
    Wie sollen die EU-Spitzenposten neu besetzt werden? Auf diese Frage gibt es laut Ratspräsident Charles Michel noch keine Antwort. Foto: Omar Havana/AP

    Die Verhandlungen über die Neubesetzung der EU-Spitzenpositionen nach der Europawahl werden wider Erwarten doch noch zum Nervenkrimi.

    Nach Angaben aus Verhandlungskreisen sind sich die drei großen europäischen Parteienfamilien nach dem EU-Gipfel am Montagabend zwar einig darüber, dass die deutsche CDU-Politikerin Ursula von der Leyen weitere fünf Jahre Präsidentin der mächtigen und für EU-Gesetzgebungsvorschläge zuständigen EU-Kommission bleiben soll. Streit gibt es allerdings darüber, wie lange die Position des EU-Ratspräsidenten dem früheren portugiesischen Regierungschef António Costa zugesagt werden soll.

    Das Mitte-Rechts-Bündnis EVP will ihre Unterstützung für den Sozialdemokarten Costa nach Angaben von Diplomaten nur für zweieinhalb Jahre versprechen. Das Bündnis begründet dies damit, dass es bei der Europawahl mit Abstand stärkste politische Kraft geworden ist und zumindest die Möglichkeit bekommen sollte, den Ratschef-Posten in der zweiten Hälfte der neuen Legislaturperiode zu besetzen. Aus der EVP, zu der auch die deutschen Parteien CDU und CSU zählen, wird dem kroatischen Ministerpräsidenten Andrej Plenković ein sehr großes Interesse an der Spitzenposition nachgesagt.

    Im Gegensatz zum EU-Kommissionspräsidenten wird der EU-Ratspräsident offiziell nur für zweieinhalb Jahre gewählt. Nur eine informelle Absprache könnte Costa den Job für fünf Jahre sichern. Die Position des EU-Ratspräsidenten ist wichtig, weil dieser die auch als EU-Gipfel bezeichneten Europäischen Räte mit den Staats- und Regierungschefs vorbereitet und leitet. Zudem darf der Ratschef wie der Kommissionschef bei großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 die EU vertreten.

    Namen gelten als fix

    Der Streit über die Länge der Amtszeit verhinderte nach Angaben von Verhandlungsteilnehmern maßgeblich, dass die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder in der Nacht ein Gipfeltreffen zum neuen Personalpaket ohne finale Einigung beendeten. Das Paket sieht auch vor, dass die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas den Spanier Josep Borrell als EU-Chefdiplomaten ablöst.

    Zudem dürfte abgesprochen werden, dass die aus Malta stammende Mitte-Rechts-Politikerin Roberta Metsola zumindest die nächsten zweieinhalb Jahre Präsidentin des Europäischen Parlaments bleibt.

    Kompromiss noch vor Monatsende?

    Ein Kompromiss soll nun spätestens Ende kommender Woche beim regulären Juni-Gipfel erzielt werden. Bis dahin werden weitere Gespräche der Chefunterhändler der drei großen Parteienfamilien erwartet. Dies sind für die Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, für die Liberalen Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sowie für die EVP der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis.

    Scholz hatte sich vor dem Gipfel noch optimistisch geäußert, dass es eine schnelle Einigung geben kann. Er sagte, die Europawahl habe eine "stabile Mehrheit" für das Mitte-Rechts-Bündnis EVP, die Sozialdemokraten und die Liberalen gebracht. Deshalb sei er sich ganz sicher, dass man in kürzester Zeit zwischen den politischen Familien und Ländern eine Verständigung erzielen könne. "Das wäre auch wichtig, (...) weil wir leben in Zeiten, die schwierig sind. Und da ist es wichtig zu wissen, wie es weitergeht mit Europa", ergänzte der SPD-Politiker.

    Rechte Parteien im Aufwind

    Druck auf alle drei Parteien gibt es insbesondere wegen des guten Abschneidens rechter Parteien bei der Europawahl. Damit von der Leyen ohne deren Unterstützung im Europäischen Parlament zur Präsidentin der EU-Kommission gewählt werden kann, braucht es eine Einigung von EVP, Sozialdemokraten und Liberalen. Zusammen haben die Parteienfamilien etwa 400 der 720 Sitze im Parlament. Kanzler Scholz sagte beim Gipfel ohne Namen zu nennen: "Ganz klar ist: Im Parlament darf es keine Unterstützung der Kommissionspräsidentschaft geben, die sich auf rechte und rechtspopulistische Parteien stützt."

    Diese Kommentare können von der EVP auch als Warnung verstanden werden, eine mögliche Zusammenarbeit mit der Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) der rechten italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auszuloten. Von der Leyen hat eine lose Kooperation mit Meloni bislang nicht ausgeschlossen.

    Orban sieht Wählerwillen ignoriert

    Kritik an den Verhandlungen zwischen den drei großen Parteienfamilien kam in der Nacht vom ungarischen Regierungschefs Viktor Orban, der 2021 mit seiner Partei nach einem Streit um die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land aus der EVP ausgetreten war und seitdem keiner Parteienfamilie mehr angehört.

    Der Ungar schrieb nach dem Gipfeltreffen, bei der Europawahl seien rechte Parteien stärker geworden, Linke und Liberale hätten an Boden verloren - dennoch habe sich die EVP nun mit den Sozialisten und Liberalen zusammengetan. "Heute haben sie einen Deal geschlossen und die Spitzenjobs der EU unter sich aufgeteilt. Sie scheren sich nicht um die Realität", schrieb Orban. "Der Wille des europäischen Volkes wurde heute in Brüssel ignoriert."

    Orban traf sich am Rande des Gipfels sowohl mit Meloni, als auch mit dem früheren polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki. Thema soll unter anderem die Frage eines möglichen Zusammenschlusses der europäischen Rechten im Europaparlament gewesen. Vor allem, wenn daran auch die französische Partei Rassemblement National um Marine Le Pen beteiligt werden würde, könnte die zweitstärkste Fraktion im Parlament entstehen.

    (Von Ansgar Haase, dpa)

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