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Pence und Harris: Vize-Duell zur US-Wahl: Eine Fliege und etwas Normalität

Pence und Harris

Vize-Duell zur US-Wahl: Eine Fliege und etwas Normalität

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    Die einzige TV-Debatte zwischen US-Vizepräsident Mike Pence und der demokratischen Kandidatin für das Amt, Kamala Harris, hat begonnen.
    Die einzige TV-Debatte zwischen US-Vizepräsident Mike Pence und der demokratischen Kandidatin für das Amt, Kamala Harris, hat begonnen. Foto: Morry Gash/AP Pool/dpa

    Die schwarze Fliege landet auf dem Silberhaar, als hätte sie ein Magnet angezogen. Plötzlich ist sie da - und fliegt auch erst mal nicht wieder weg. US-Vizepräsident Mike Pence spricht gerade von einer "großen Beleidigung" und macht eine rhetorische Pause.

    Von dem Insekt nimmt er keine Notiz - anders als viele Zuschauer und Kommentatoren seiner einzigen TV-Debatte mit der demokratischen Vizekandidatin Kamala Harris vor der Präsidentenwahl am 3. November. Die Aufmerksamkeit für die Fliege zeugt davon, wie unaufgeregt das Duell verlief.

    Dabei trafen Harris und Pence in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah zu einem Zeitpunkt aufeinander, an dem das Wahljahr 2020 komplett aus den Fugen geraten zu sein scheint. Wenige Stunden zuvor hatte Präsident Donald Trump im Garten des Weißen Hauses verkündet, durch "Gottes Segen" ein Heilmittel gegen das Coronavirus entdeckt zu haben, mit dem er sich zuvor infiziert hatte.

    Nach Bekanntwerden seines positiven Tests am Freitag und dem kurzen Krankenhausaufenthalt geriet die TV-Debatte zwischen Trump und seinem Herausforderer Joe Biden beinahe in Vergessenheit, obwohl sie vergangene Woche im Chaos versunken war. Die Kontrahenten sparten nicht mit Beleidigungen, Trump fiel Biden immer wieder ins Wort, Biden ab und zu auch Trump. Die Darbietung wurde als "beschämend", "hässlich" und "Peinlichkeit für die Ewigkeit" bezeichnet.

    Als Harris und Pence am Mittwochabend auf der Bühne saßen, kam die Erinnerung zurück. Die Ereignisse der vergangenen Tage haben die beiden entzweit: Wegen der Sorge vor einer Ansteckung trennten sie mehr als 3,5 Meter großer Sicherheitsabstand und Plexiglas. Die beiden stritten, aber sie stießen nicht in einer Tour aneinander. Sie ließen einander ausreden - meist. "Am auffälligsten war einfach, wie normal sich das anfühlte. Wie eine normale traditionelle Debatte, trotz der sehr ungewöhnlichen Umstände", sagte die Reporterin von ABC News, Mary Bruce.

    Waren die Vize-Debatten in der Vergangenheit eher Nebenschauplatz auf der Zielgeraden zur Wahl, wurde der diesjährigen mehr Bedeutung denn je zugemessen. Biden (77) und Trump (74) sind die ältesten Kandidaten der US-Geschichte. Seit klar ist, dass Biden für die Demokraten ins Rennen zieht, war die mögliche Machtübergabe an den oder die Vize kein abwegiges Szenario mehr. Trumps Corona-Infektion hat noch mehr klargemacht, dass das für beide Seiten gilt.

    Bidens Entscheidung, die frühere Staatsanwältin zur Vizekandidatin zu machen, bekam auch deshalb große Beachtung. Die Wahl wurde im August als "historisch" gefeiert: Die 55-Jährige wäre die erste Frau und erste Schwarze im Vize-Amt. Biden ebnete auch den Weg dafür, dass es in nicht allzu ferner Zukunft eine Frau und eine Schwarze im wichtigsten Amt geben könnte. Doch im stark heruntergefahrenen Wahlkampf ging Harris in den vergangenen Wochen geradezu unter. Die Politik-Webseite "The Hill" kommentierte: "Harris ist von einer historischen Wahl zu einer unsichtbaren Vizekandidatin geworden."

    Die Debatte war die Chance, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Statt Pence in eines ihrer berüchtigten Kreuzverhöre zu nehmen, hielt sich die frühere Staatsanwältin penibel genau an die Regeln - wohl auch um Trumps Team keine Angriffsfläche zu bieten. Wenn Pence redete, kommentierte sie das mit mitleidigem Lächeln, hochgezogener Augenbraue oder Kopfschütteln, statt ihm ins Wort zu fallen. Wenn Pence das tat, sagte sie: "Mr. Vizepräsident, jetzt rede ich."

    Sie pochte auf mehr Redezeit, wenn Pence erneut in aller Seelenruhe weiterredete, obwohl Moderatorin Susan Page das Wort ergriffen hatte. An einer Stelle sagte sie, sie lasse sich nicht von Pence belehren. Und Harris nutzte gleich den Beginn, um ihre entscheidende Botschaft zu senden: "Das amerikanische Volk ist Zeuge des größten Versagens einer Regierung in der Geschichte unseres Landes geworden", sagte sie mit Blick auf die Corona-Krise und den mehr als 210.000 Toten und mehr als 7,5 Millionen Infektionen. Biden schrieb auf Twitter an Harris gerichtet, "Du hast uns heute Abend alle stolz gemacht".

    Pence für seinen Teil ignorierte mehrfach die Fragen der Moderatorin und redete ungeachtet der abgelaufenen Redezeit weiter. So gelang es ihm, seine Botschaften zu platzieren. Bei einer Frage zu Abtreibungen redete er weiter darüber, wie die Trump-Regierung Irans Top-General Ghassem Soleimani mit einem Raketenangriff getötet hatte. Bei der Frage, ob der Klimawandel eine existenzielle Bedrohung sei, sagte Pence: "Das Klima ändert sich, wir werden der Wissenschaft folgen." Dann kam er wieder auf Steuersenkungen zu sprechen.

    Pence verteidigte Trump nicht nur. Er machte auch deutlich, dass es mit ihm dieselbe Politik gäbe - nur ohne die ganze Aufregung. Er habe wie Trump geklungen, nicht wie Mike Pence, schrieb das Magazin "New Yorker". "Natürlich ein ruhigerer, weniger bombastischer Donald Trump, aber trotzdem Trump." Der 61-Jährige ist Trump gegenüber absolut loyal, steht vom Wesen her aber im starken Kontrast. Er ist zudem tief religiös und ein knallharter Konservativer. "Mike Pence hat groß gewonnen", war Trumps Urteil nach der Debatte.

    Am Ende des Abends schien die disziplinierte Debatte einen Nachrichtenzyklus oder einen Trump-Tweet entfernt davon zu sein, in Vergessenheit zu geraten, schrieb die "New York Times". Am Morgen dominierte Trump tatsächlich wieder die Schlagzeilen, indem er einem zweiten TV-Duell mit Biden kommende Woche eine Absage erteilte. Zum Schutz der Gesundheit sollte das Streitgespräch virtuell ausgetragen werden. "Ich werde meine Zeit nicht mit einer virtuellen Debatte verschwenden", sagte Trump.

    Bidens Kampagne rief derweil Unterstützer auf, sich ein Andenken an das Duell der Vize zu sichern: "Lassen Sie diese Debatte nicht davon schwirren", schrieb sie auf Twitter. Am Morgen war die Fliegenklatsche ausverkauft.

    © dpa-infocom, dpa:201008-99-866140/12 (dpa)

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