Wenn in Abgeordnetenbüros das Telefon klingelt und auf dem Display keine Nummer, sondern "anonym" erscheint, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Horst Glanzer am Apparat ist. Er ruft oft und gerne mit unterdrückter Nummer an oder schreibt Mails. Vielen Parlamentariern, die mit Gesundheit und Justiz betraut sind, ist er bestens bekannt, es sind auch weniger wohlwollende Beschreibungen als "hartnäckig" zu hören. Aber Glanzers Beharrlichkeit zahlt sich aus. Er setzt sich erfolgreich für stärkere Patientenrechte ein. Aus gutem Willen und aus persönlicher Betroffenheit.
Seine Leidensgeschichte ist lang, hier eine Kurzfassung: 2003 brauchte Glanzer dringend eine Operation. Eine Zahnwurzelentzündung hatte sich verschlimmert, die Entzündung breitete sich aus. Nach einigem Hin und Her, berichtet Glanzer, sei er operiert worden. Die Entzündung habe allerdings eine Osteomyelitis verursacht. Die Krankheit führe bei ihm immer wieder zu Schmerzen und Schwindel, Teile seines Kiefers seien zerstört. Arbeiten kann der Ex-Polizist seitdem nicht mehr. Schmerzensgeld oder andere Zahlungen seien ihm vor Gericht verwehrt worden, sagt er und macht dafür den Paragrafen 522 Absatz 2 der Zivilprozessordnung verantwortlich. Demnach sollen Gerichte eine Berufung schriftlich zurückweisen, wenn sie keine Aussicht auf Erfolg sehen.
Glanzer konnte jedoch 2011 einen Erfolg erzielen: Die Zivilprozessordnung wurde geändert – auch auf sein Betreiben hin, wie in Parlamentskreisen bestätigt wird. Seither können Kläger Rechtsmittel einlegen, wenn eine Berufung vor Gericht zurückgewiesen wurde. Der Beamte ließ nicht locker und konnte auf weitere, für Patienten wichtige Änderungen hinwirken. Versicherungen müssen demnach bei voraussichtlichen Behandlungskosten von mehr als 2000 Euro innerhalb von zwei Wochen mitteilen, ob sie die Kosten tragen. Im Jahr 2019 änderte sich zudem das Sachverständigenrecht, es ging da unter anderem um die Neutralität von Gutachtern.
Horst Glanzer setzt sich erfolgreich für stärkere Patientenrechte ein
Ein großes Thema aber bleibt: Glanzer möchte eine Beweislastumkehr erreichen. Bislang müssen Patientinnen und Patienten grundsätzlich belegen, dass ein Behandlungsfehler durch medizinisches Personal erfolgte. Seit Jahrzehnten diskutieren Politikerinnen und Politiker diese Problematik, auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, weiß um die Schwierigkeit. "Im Fall eines möglichen Behandlungsfehlers und Rechtsstreits stehen Betroffene oft vor der Herausforderung, einen zehnjährigen kostspieligen Prozess finanziell stemmen zu müssen, in manchen Fällen mit verlorener Arbeitsfähigkeit", sagt der SPD-Politiker. Hinzu komme die aktuelle gesetzliche Pflicht, nachzuweisen, dass für den gesundheitlichen Schaden allein der Behandlungsfehler ursächlich sei, und zwar mit der Wahrscheinlichkeit der vollen richterlichen Überzeugung – also mehr als 90 Prozent. "Das ist mehr als unverhältnismäßig und schafft tiefste Frustration, Misstrauen und teure Abwehrkämpfe im System."
Die Fehlerkultur im Gesundheitssektor müsse sich grundlegend verbessern, um das Vertrauen in das Gesundheitssystem zu stärken, fordert Schwartze. Ein Schritt könne die Absenkung des Beweismaßes sein: "Wenn es zukünftig für den Nachweis der Kausalität ausreichend wäre, dass der Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden überwiegend wahrscheinlich ist, könnte dies im Schadensfall die Chancen für die Betroffenen erhöhen, ihre Rechte durchzusetzen. Das ist verhältnismäßig und wird in zahlreichen Nachbarländern bereits erfolgreich so praktiziert."
Die Stärkung der Patientenrechte wurde von der Ampelregierung im Koalitionsvertrag verankert. Erst seit zehn Jahren gibt es das Patientenrechtegesetz, das nun ausgebaut werden soll. Die Regierung arbeite mit Hochdruck an einem Eckpunktepapier, das unter anderem die Einsicht in Patientenakten regeln soll. "Das Bundesjustizministerium hat hier eine maßgebliche Rolle und auch der gesetzgeberische Prozess muss noch in diesem Jahr starten, wollen wir noch wirklich die Zielmarke dieser Legislatur einhalten", erklärt Schwartze. Das Justizministerium von Marco Buschmann allerdings erklärt auf Nachfrage, nicht zuständig zu sein.
Stärkung der Patientenrechte im Koalitionsvertrag der Ampel verankert
Für Horst Glanzer ist jede Änderung ein kleiner Trost, seine Hartnäckigkeit wird belohnt. Der Patient sagt, er habe durch Prozesskosten, Gutachten und viele weitere Ausgaben einige Schulden angehäuft und bittet immer wieder um Spenden. Finanziell zahlt sich seine Arbeit, die vielen Patientinnen und Patienten das Leben erleichtern dürfte, nicht aus.