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Parteien: Nach Entscheidung für Baerbock: Der Schmerz des Robert Habeck

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Nach Entscheidung für Baerbock: Der Schmerz des Robert Habeck

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    Robert Habeck empfindet die Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock als seine persönliche Niederlage. Wie geht es für ihn weiter?
    Robert Habeck empfindet die Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock als seine persönliche Niederlage. Wie geht es für ihn weiter? Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

    Wie tief sitzt die Enttäuschung bei Robert Habeck, nachdem er Annalena Baerbock die erste grüne Kanzlerkandidatur überlassen hat? Während sich die Unionsschwestern CSU und CDU erst nach erbittertem Kampf auf Armin Laschet als Kanzlerkandidaten festlegten, gelang den Grünen die Einigung in Harmonie. Zumindest scheinbar. Denn in seinem ersten Interview nach der Kür Baerbocks zeigte sich Habeck emotional angegriffen und verletzt. „Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen. Und das werde ich nach diesem Wahlkampf nicht.“

    Gegenüber der Zeit spricht er von der Kanzlerkandidatur als der Position, auf die er lange hingearbeitet habe – und in der nun Baerbock sei. Der vergangene Montag sei daher der „schmerzhafteste Tag“ in seiner politischen Laufbahn gewesen. Um dann noch anzufügen: „Oder sagen wir lieber: der schwerste.“

    Belastet Robert Habecks Groll den Bundestagswahlkampf der Grünen?

    Dass der Groll des männlichen Teils ihrer Doppelspitze nun zur Gefahr für ihren Wahlkampf werden, glaubt bei den Grünen dennoch niemand. Spitzenleute aus Fraktion und Parteizentrale sind sich sicher, Habeck wolle mit seinen Aussagen vor allem eines anklingen lassen: Wie außergewöhnlich sein Verzicht sei – und welche Größe er damit bewiesen habe. Welche Form der Dankbarkeit er dafür für angemessen hält, daran lässt er keinen Zweifel. Habeck will weiter eine wichtige Rolle spielen, im Wahlkampf, in möglichen Koalitionsgesprächen, am liebsten auch als Minister.

    Annalena Baerbock ist Kanzlerkandidaten der Grünen und Robert Habeck? Enttäuscht.
    Annalena Baerbock ist Kanzlerkandidaten der Grünen und Robert Habeck? Enttäuscht. Foto: Hendrik Schmidt, dpa (Archiv)

    Unterstellt werden darf , dass sich da bei dem Schriftsteller und Philosophen nicht ganz spontan der Frust darüber Bahn gebrochen hat, jetzt einen Lebenstraum begraben zu müssen. Er wird seine Worte genau gewogen gedacht haben.

    Habeck sagt: Dass Baerbock eine Frau ist, war ein zentrales Kriterium

    Ein Satz in Habecks Schmoll-Interview aber wird von Parteileuten durchaus mit gemischten Gefühlen gesehen. „Dass Annalena eine Frau ist in einem ansonsten männlichen Wahlkampf, war ein zentrales Kriterium“, sagte Habeck. Gestandene Grünen-Politikerinnen müssen sich da auf die Zunge beißen. Reduziert Habeck Baerbock da doch auf ihre Weiblichkeit? Würde im Moment nicht in der Partei die Devise gelten, dass mit Blick auf die Wahlchancen nichts das Bild der Geschlossenheit trüben darf, gäbe es wohl mächtig Stunk.

    Habeck sei alles andere als frei von Eitelkeit, sagen Parteifreunde, die ihn lange kennen. Zu seinem Selbstverständnis gehöre aber auch das Bekenntnis zum Feminismus. So habe er wohl einfach gemeint, dass er sich fachlich nicht hinter Baerbock verstecken müsse.

    Robert Habeck muss nun in eine neue Rolle finden.
    Robert Habeck muss nun in eine neue Rolle finden. Foto: Andreas Arnold, dpa

    In der Wahlkampfstrategie ist Habeck die Rolle des Kronzeugen für die neue innerparteiliche Einigkeit zugedacht. Erwartet wird, dass er sein Talent für charismatische Reden ausspielt. Da wird es wohl auch um Verantwortung gehen, das Verhältnis des Einzelnen zum großen, grünen Ganzen. Habeck kann das gut. Ohne es tatsächlich auszusprechen, die Eigenlob-Falle elegant umschiffend, wirkt er dann wie einer, der frei nach Kennedy nicht fragt, was seine Partei für ihn tun kann. Sondern er für seine Partei. Also letztlich für das Weltklima und die Zukunft der Menschheit.

    Nach der Bundestagswahl könnte Robert Habeck Minister werden

    Tatsächlich stehen die Chancen für die Grünen so gut wie nie. Sogar das Kanzleramt ist laut Umfragen in Reichweite. Für diesen Fall hat Habeck mit seinen Aussagen vorgesorgt: Regierungschefin Baerbock und die Grünen sind ihm was schuldig. In der Regierung müsste er eine hervorgehobene Rolle spielen. Er könnte, so wird gemunkelt, ein Superministerium auf den Leib geschneidert bekommen, das nicht nur Landwirtschaft und Umwelt umfasst, sondern den Kampf gegen den Klimawandel als Querschnittsaufgabe in alle anderen Ressorts trägt.

    Wird Annalena Baerbock (rechts) Angela Merkel als Kanzlerin beerben? Momentan liegten die Umfragewerte der Grünen sehr gut.
    Wird Annalena Baerbock (rechts) Angela Merkel als Kanzlerin beerben? Momentan liegten die Umfragewerte der Grünen sehr gut. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Dass Annalena Baerbock Angela Merkel nachfolgen wird, ist ja alles andere als in Stein gemeißelt. Hohen Umfrageergebnissen können bescheidene Wahlergebnisse folgen, diese Erfahrung haben die Grünen mehrfach gemacht. Wie die Deutschen im September wirklich wählen werden, ist jetzt, mitten in der dritten Welle der Corona-Pandemie, schwerer vorauszusagen denn je.

    Fast keine der nach derzeitigen Umfragewerten denkbaren Regierungskonstellationen aber kommt ohne die Grünen aus. Fängt sich die Union nach der selbstzerstörerischen Kandidatenkür, könnten die Grünen Juniorpartner in einem schwarz-grünen Bündnis werden. Vielleicht werden die Grünen-Chefs noch mal ganz neu über ihre Rollenverteilung nachdenken. Habeck könnte neben einem Ministeramt in die Rolle eines staatstragenden Vizekanzlers schlüpfen. Während sich Baerbock schon mit Blick auf die übernächste Wahl eine Position sucht, die mehr Aufmüpfigkeit erlaubt.

    Wird Robert Habeck am Ende Bundespräsident?

    Mit ihren erst 40 Jahren gehört Baerbock die Zukunft. Aber auch dem 51-jährigen Habeck steht politisch noch alles offen. Dass seine Selbstaufopferung für die Partei nicht in Vergessenheit gerät, dafür wird er sorgen. Möglich, dass irgendwann eine Situation eintritt, in der Baerbock ihrerseits Habeck den Vortritt lässt, gar lassen muss, um sich bei ihrem Gönner von 2021 zu revanchieren. Nur halb spöttisch ist es wohl gemeint, wenn Promi-Grüne andeuten, dass der Feingeist doch auch einen ganz formidablen Bundespräsidenten abgeben würde.

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