Ganz gebrochen mit der SPD hat Manfred Seel noch nicht. In einem seiner Büros hängen in einer Ecke noch Bilder an der Wand, die ihn mit Gerhard Schröder zeigen, mit Peter Struck, Hans-Jochen Vogel und anderen prominenten Sozialdemokraten - Zeugnisse einer Zeit, in der die politische Welt noch in Ordnung war und der Unternehmer aus Asbach-Bäumenheim einer der eifrigsten Mitgliederwerber seiner Partei. Heute sammelt er wieder Beitrittsanträge, um die 70 sind es im Moment, allerdings nicht für die SPD und auch nicht für die Linke, der er zwischenzeitlich angehört hat, sondern für das Bündnis Sahra Wagenknecht, kurz BSW. Seel, Mineralölhändler, Kreisrat und Gemeinderat ist das einzige Vorstandsmitglied der neuen Partei aus Bayern.
Die SPD hat er einst wegen Schröders Sozialreformen verlassen. Der Altkanzler habe die Seele der Partei verkauft, sagt Seel. Die Linke von heute aber ist nicht mehr die Partei, in die er einst eingetreten ist. „Das ist eine Schicki-Micki-Linke geworden“, schimpft er, „grüner als die Grünen und weit von der Lebenswelt der Menschen entfernt.“ Am 11. Januar ist er ausgetreten, und mit der gleichen Energie, mit der er einst die Linke im Landkreis Donau-Ries aufgebaut hat, stürzt der 70-Jährige sich nun in das Abenteuer BSW. Die neue Partei, sagt er, werde gebraucht, weil die Stimmung im Land kippe, die Menschen aber nicht den Nationalisten der AfD in die Arme laufen sollten. Anders als sie sei das BSW eine zutiefst soziale Partei, in der sich viele Ex-Linke, aber auch Ärzte, Gymnasiallehrerinnen, Handwerker und Menschen wie der Transportunternehmer aus Oberbayern engagierten, der ihm gerade erst geschrieben hat: „Ich war nie Mitglied in einer Partei, spüre aber derzeit eine treibende Kraft in mir, mich politisch engagieren zu müssen, da die derzeitige Ampelkoalition komplett an den Bürgern vorbeiregiert.“
Als Putin-Versteher sieht er sich nicht
Dass das BSW mit seiner pro-russischen Haltung auch jede Menge Angriffsfläche bietet, argumentiert Seel in der für ihn typischen Hemdsärmeligkeit einfach weg. Kein Öl und Gas mehr aus Russland zu kaufen, sagt er, der Mineralölhändler mit 60 Angestellten, sei Ausdruck einer typisch grünen Scheinmoral und gefährlich für die deutsche Wirtschaft. Ein Putin-Versteher aber sei er deswegen nicht. Im Gegenteil: „Ich verurteile diesen Krieg so scharf wie andere, aber mit Sanktionen gewinne ich keinen Krieg.“ So oder so ähnlich klingt auch die AfD - die aber, sagt er, sei rechtsradikal bis faschistoid und für seine Partei „absolut tabu“, wenn im Herbst in Thüringen, Brandenburg und Sachsen neue Landtage gewählt und neue Regierungskoalitionen gebildet werden müssen. Ein Bündnis mit der CDU dagegen kann Seel sich durchaus vorstellen: „Damit habe ich kein Problem.“ In den Umfragen kommt das BSW in den neuen Ländern im Moment auf Werte von bis zu 20 Prozent und bundesweit auf bis zu neun Prozent.
So temperamentvoll er Politik macht, so schwer zu fassen ist Manfred Seel auch. Wenn er für eine Energiepolitik wirbt, die den Verbrennungsmotor nicht verteufle, sondern technologieoffen sei, klingt er plötzlich, als käme er gerade vom Landesparteitag der FDP zurück. Als erfolgreicher Unternehmer in der Linkspartei war er schon kraft Herkunft und Einkommen ein eher untypisches Mitglied - und bei Themen wie der Asylpolitik, die ihm viel zu liberal ist, oder dem Bürgergeld unterscheiden sich seine Ansichten kaum von denen der Union: Zu viele bezögen es, klagt Seel, und das Bürgergeld sei auch der Grund, warum in Deutschland deutlich weniger ukrainische Flüchtlinge arbeiteten als in anderen europäischen Ländern. Er selbst bezeichnet sich, auch das eher ungewöhnlich für einen Unternehmer, als Anhänger des britischen Nationalökonomen John Maynard Keynes, nach dessen Lehre der Staat nicht nur die Rahmenbedingungen für eine Volkswirtschaft vorgibt, sondern eine aktive, stimulierende Rolle spielt - auch um den Preis hoher Schulden.
Die schwarze Null - eine Dummheit ohne Ende?
Die schwarze Null im Haushalt, von Wolfgang Schäuble und der Union einst als große Errungenschaft gefeiert, ist für Seel „eine Dummheit ohne Ende.“ Eine Regierung müsse investieren, sagt er, aber nicht ins Militär, sondern in die Bildung. „Das ist der einzige Rohstoff, den wir haben.“ Dem gängigen Links-Rechts-Muster hat er sich schon lange entzogen, und auch die neue Partei, die er nun mit aufbaut, will er nicht in dieses Schema eingeordnet sehen. „Unsere Bandbreite ist groß“, sagt der bekennende Lafontaine-Fan. Mit Franz Müntefering, der einst klagte, Opposition sei Mist, hat er es zwar nicht so. Im Ziel aber ist er sich mit ihm durchaus einig: „Ja, wir wollen regieren.“
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