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Parteien: Jetzt gehen die grünen Pragmatiker in die Offensive

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Jetzt gehen die grünen Pragmatiker in die Offensive

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    Ob den Parteichefs Simone Peter und Cem Özdemir das Lachen bald vergeht? Bei den Grünen hat der innerparteiliche Wahlkampf begonnen.
    Ob den Parteichefs Simone Peter und Cem Özdemir das Lachen bald vergeht? Bei den Grünen hat der innerparteiliche Wahlkampf begonnen. Foto: Ingo Wagner, dpa

    Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es zwar noch mehr als zwei Jahre – bei den Grünen allerdings hat zumindest der innerparteiliche Wahlkampf bereits begonnen. Nach der überraschenden Bewerbung des schleswig-holsteinischen Umweltministers Robert Habeck nimmt nicht nur der Wettbewerb um die Posten der Spitzenkandidaten für 2017 an Fahrt auf. Auch die Debatte über den künftigen Kurs der Partei wird mit zunehmender Heftigkeit geführt.

    Mit einem Plädoyer für Steuersenkungen auf breiter Front, mit flexibleren Übergängen in die Rente und einer soliden Haushaltspolitik will vor allem der zuletzt arg gerupfte Flügel der „Realos“ wieder in die Offensive kommen. Das Ziel der grünen Reformer ist nach den Worten ihrer Anführerin Ekin Deligöz klar umrissen: „Wir möchten wieder regieren.“

    Mit dem früheren bayerischen Landesvorsitzenden Dieter Janecek und fünf weiteren Realos hat die Neu-Ulmer Abgeordnete ein Positionspapier verfasst, das sich in Ton und Stil deutlich von der Linie des letzten Bundestagswahlkampfes abhebt. Anstatt von höheren Steuern auf Einkommen, Zinsen und Erbschaften oder dem bevormundenden Veggie-Day ist darin von einem selbstbestimmten Leben die Rede, von den Abstiegsängsten der Mittelschicht und von einer leistungsgerechteren Entlohnung.

    Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen senken und Spitzensteuersatz anheben

    Dazu wollen die grünen Pragmatiker die Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen senken und im Gegenzug den Spitzensteuersatz „moderat“ anheben. Von einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder einer zeitlich befristeten Sonderabgabe auf besonders große Vermögen halten sie nicht viel. Für eine verfassungsfeste Vermögensbesteuerung reichen danach kleinere Korrekturen bei der Grund- und der Erbschaftssteuer aus.

    Bei der Abschaffung des Ehegattensplitting, einem der umstrittensten Themen des letzten Wahlkampfes, schalten die Realos ebenfalls einen Gang zurück: Es soll nicht mehr sofort fallen, sondern schrittweise. Denkbar wäre, sagt Deligöz, die Reform zeitlich zu strecken und den Steuervorteil zunächst nur den neu geschlossenen Ehen zu verwehren. Bei der letzten Wahl waren die Grünen auch wegen ihrer teuren Steuerpläne mit 8,4 Prozent unter ihren Möglichkeiten und den eigenen Erwartungen geblieben. Die Lehren daraus formuliert Deligöz nun so: „Finanzielle Umverteilung alleine schafft noch keine Gerechtigkeit.“

    Wer wird in nächsten Bundestagswahlkampf ziehen?

    Mit welchem Spitzenpersonal die Grünen in den nächsten Bundestagswahlkampf ziehen, ist noch offen – allerdings wähnt sich auch hier der Realo-Flügel im Vorteil. Mit dem Seiteneinsteiger Habeck, einem promovierten Philosophen, mit Parteichef Cem Özdemir und der Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt hat er gleich drei zugkräftige Kandidaten. Bei der Parteilinken dagegen kursieren lediglich die Namen der Parteivorsitzenden Simone Peter und der von Fraktionschef Anton Hofreiter. Da nach den grünen Statuten einer Doppelspitze mindestens eine Frau angehören muss und jeder der beiden Flügel vertreten sein soll, könnte die Kür der Spitzenkandidaten zu einer kniffligen Angelegenheit werden: In dem Moment, in dem bei den Realos Habeck oder Özdemir das Rennen machen, wäre der Linke Hofreiter als Mann automatisch aus dem Spiel um den zweiten Spitzenplatz. Damit bliebe nur Simone Peter, die in Berlin bislang eher glücklos agiert. In Parteikreisen wird daher auch eine Doppelspitze Habeck/Göring- Eckardt für möglich gehalten – beides Realos zwar, aber beides Realos, die auch auf dem linken Flügel noch eine gewisse Akzeptanz genießen.

    Der direkteste Weg zurück an die Macht wäre für die Grünen eine Koalition mit der Union – zumindest aus Sicht vieler Realpolitiker. Die einseitige Festlegung auf Rot-Grün, klagt Özdemir in der Frankfurter Neuen Presse, habe ja nichts gebracht. Dreimal hätten es die Grünen probiert, dreimal habe es nicht gereicht. Er warne deshalb davor, mit demselben Kopf noch einmal gegen dieselbe Wand zu rennen...

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