Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Analyse: Die CDU kommt im Osten nicht an Sahra Wagenknecht vorbei

Landtagswahlen

Linke nein, Ex-Kommunistin ja? Die CDU steckt in einer Sackgasse

    • |
    • |
    Eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht wird für CDU-Chef Friedrich Merz zur Probe.
    Eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht wird für CDU-Chef Friedrich Merz zur Probe. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU erzählt manchmal von seinen Begegnungen mit Sahra Wagenknecht. Um gefühlt fünf Grad sei die Raumtemperatur gesunken, wenn sie durch die Tür kam. Wagenknecht als Eisprinzessin – das passt zu dem Bild, das immer wieder von ihr gezeichnet wird.

    Nach den Wahlen in Sachsen sitzt sie nicht mehr in ihrem Schlossturm und analysiert das politische Geschehen aus der Ferne, sondern will ihren Teil der Macht in Dresden. Gleiches gilt für Thüringen. Ohne das Bündnis Sahra Wagenknecht kann in beiden Bundesländern keine stabile Koalition gebildet werden. Diese Aussage gilt, weil die CDU nicht mit der AfD und auch nicht mit der Linken regieren will. Ein Parteitagsbeschluss hat diese Festlegung getroffen.

    Koalitionen der CDU in Sachsen und Thüringen: Linke nein, Ex-Kommunistin ja?

    Weil die AfD in Sachsen und Thüringen jeweils über 30 Prozent der Stimmen holte, braucht es Mehrparteienkoalitionen, um die Rechtsnationalen von der Macht fernzuhalten. Teil dieser Zusammenschlüsse müsste auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sein. Weil die Partei so jung ist – es gibt sie erst seit Januar – hat die CDU keinen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst. Und so ist eine Koalition mit der Linken-Abspaltung BSW möglich, deren Gründerin einst der Kommunistischen Plattform ihrer alten politischen Heimat angehörte.

    BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht (l) und mit der Thüringer Spitzenkandidatin Katja Wolf auf der Wahlparty in Erfurt am Abend der Landtagswahl.
    BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht (l) und mit der Thüringer Spitzenkandidatin Katja Wolf auf der Wahlparty in Erfurt am Abend der Landtagswahl. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Die landespolitischen Forderungen des BSW sind unproblematisch, können von allen anderen Parteien unterschrieben werden: mehr Lehrer gegen Unterrichtsausfall, mehr Polizisten gegen Kriminalität, mehr Busse und Bahnen in der Provinz gegen das Abgehängtsein. Der Knackpunkt liegt woanders und hat mit Landespolitik erst einmal nichts zu tun. Für das Eintreten in eine Koalition in Sachsen und in Thüringen besteht Wagenknecht darauf, dass sich die Landesregierungen in der Frage von Krieg und Frieden in der Ukraine positionieren. Konkret ein Auslaufen der Waffenhilfe für Kiew, der Einsatz für eine Friedenskonferenz und keine US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Über den Bundesrat sollen diese Positionen in die deutsche Außenpolitik einfließen.

    „Wenn man nicht möchte, dass die AfD immer stärker wird, dann muss man sich nicht nur sich irgendwie zusammenraufen, sondern dann müssen die Menschen spüren, dass ich in ihrem Leben konkret etwas verändert, verbessert“, sagte Wagenknecht in der neuesten Sendung von Caren Miosga. Und ergänzte: „Und es muss eben vor allem auch, natürlich auch ein Signal in außenpolitischer Hinsicht sein“.

    Eine außenpolitische 180-Grad-Wende: Das hieße Sahra Wagenknecht für die CDU

    Während der sächsische Ministerpräsident Wagenknechts Positionen in Bezug auf die Ukraine teilt und der Thüringer CDU-Vorsitzende Mario Voigt zumindest für eine stärkere Rolle der Diplomatie plädiert, kommt das für die West-CDU dem Biss in eine Zitrone gleich. Und nach sauer kommt in diesem Fall nicht lustig, weil das eigentliche außenpolitische Ziel Wagenknechts ein anderes ist.

    Die Schwächung und Auflösung der Nato ist eine ihrer Forderungen, die sie seit Jahrzehnten erhebt. In den BSW-Leitlinien wird der Nordatlantikpakt nicht namentlich erwähnt, aber dort heißt es über ihn: „Eine Militärallianz, deren Führungsmacht in den zurückliegenden Jahren fünf Länder völkerrechtswidrig überfallen und in diesen Kriegen mehr als 1 Million Menschen getötet hat, schürt Bedrohungsgefühle und Abwehrreaktionen und trägt so zu globaler Instabilität bei.“ Die Führungsmacht sind natürlich die Vereinigten Staaten von Amerika.

    Setzte sich Wagenknecht durch, würde die Westbindung Deutschlands gelockert. In der Bundesrepublik gibt es keine andere Partei, die mit ihrer Geschichte so stark für ein festes Band mit den USA steht wie die CDU. Ein Bündnis mit Wagenknecht legte also die Axt an einen Pfeiler des Selbstverständnisses der Union und West-Deutschlands.

    In Sachsen gibt es genau eine Koalitionsoption gegen die AfD ohne das BSW. Es handelt sich um ein Viererbündnis aus CDU, SPD, Grünen und Linken. Wegen des Unvereinbarkeitsbeschlusses ist aber der Weg versperrt. Zugegeben, auch die Linkspartei hat eine klare Haltung zur Nato: „Wir fordern die Auflösung der Nato und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands“, heißt es im Parteiprogramm. Anders als Wagenknecht will die Linke aber Außenpolitik nicht zum Thema von Koalitionsverhandlungen auf Länderebene machen.

    In Thüringen ist die Lage noch vertrackter als im benachbarten Sachsen. Einer Koalition aus CDU, SPD und BSW fehlt genau eine Stimme zur Mehrheit. Die Linke um den geschlagenen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow sperrt sich nicht gegen Gespräche. „Anders als die CDU hindert uns kein Unvereinbarkeitsbeschluss, politische Verantwortung für dieses Bundesland zu übernehmen“, sagte die Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig unserer Redaktion. „Jetzt sind erst einmal Mario Voigt und die CDU an der Reihe, Wege für eine neue Regierung zu finden. Wir stehen für Gespräche zur Verfügung - darin wird sich zeigen, welchen Weg unser Land einschlagen kann.“

    In der CDU gibt es mit dem früheren Generalsekretär Mario Czaja einen prominenten Kopf, der ein Einreißen der Brandmauer zur Linken fordert. „Es gab eine immer stärkere westdeutsche Umklammerung, die unter anderem dazu geführt hat, dass man in Thüringen eben nicht mit der Linken unter Bodo Ramelow zusammengegangen ist“, sagte der aus Ost-Berlin stammende Czaja unserer Redaktion. Sein Plädoyer an die ostdeutsche CDU lautet deshalb, die eigene politische Souveränität einzufordern, sich zu erklären und „sich nicht in der Umklammerung selbst zu beweinen“.  

    Diskutieren Sie mit
    7 Kommentare
    Wolfgang Schwank

    Süss und durchschaubar, wie sich die Meinungsmache neu positioniert. Das bisherige Schreckgespenst Linke wird, da kleiner und eventuell sogar unbedeutend werdend, auf einmal hoffähig und die Pfeile werden jetzt auf das BSW gerichtet. Das Schema hat sich in 5 Jahrzehnten, so lange kann ich es bewusst überblicken, nicht geändert.

    |
    Albert Groß

    Diese Zweckaussagen, nicht mit AFD, Linken und nun BSW zu koalieren, kenne ich noch vom Beginn der "Grünen" vor über 40 Jahren; da hatten in Hessen Börner und Fischer dieses Tabu auch beendet. Diese Wahlergebnisse sind von den Sponsoren so gewollt, weil diese die öffentliche Willensbildung an sich gezogen haben! Das Grundgesetz hat jedoch den Parteien die öffentliche Willensbildung aufgetragen; jedoch agieren die Abgeordneten unfrei, wegen der abhängigen Parteienfinanzierung! "Wessen Brot man ist, dessen Sprache man spricht"! Wer nicht spurt, wird nicht mehr Kandidat, ; dieser Druck reicht schon!

    Raimund Kamm

    Es rächt sich, dass CDU und CSU nicht inhaltlich und nicht strategisch arbeiten. Inhaltlich machen sie keine Vorschläge, wie wir unseren Beitrag zum existenziell notwendigen Klimaschutz leisten wollen, keine Vorschläge wie wir die Steuerhinterziehungen bekämpfen wollen, keine Vorschläge wie wir die gerade von CSU-Verkehrsministern ruinierte Deutsche Bahn wieder instand setzen können, keine Vorschläge wie wir unser Gesundheitssystem (Facharzttermine, Krankenhauseffizienz und -finanzierung) grundlegend verbessern können usw. Strategisch versagen sie, da sie ihren Unvereinbarkeitsbeschluss bezüglich der Partei DIE LINKE auch nicht angesichts der von den LINKEN in Thüringen geleisteten guten Regierungsarbeit aufgehoben haben. Zugleich liebäugeln sie mit dem nationalpopulistischen BSW, setzen sich nicht klar damit auseinander, dass Frau Wagenknecht in vielfältigen Forderungen das aggressive Russland unterstützt und unsere Sicherheit aufs Spiel setzt.

    Marianne Böhm

    Frau Wagenknecht unterstützt das aggressive Russland und setzt unsere Sicherheit aufs Spiel.. Ich denk dass die russischen Bürger diesen Krieg genauso wenig wollen wie wir und andere auch.. Sie müssen immer sehen, wer in der Regierung ist und nur die können Veränderungen schaffen..

    Wolfgang Leonhard

    Mich wundert, dass die journalistischen Kommentatoren und auch die viele CDU-Politiker erst jetzt nach den Wahlen merken, mit wem sie es bei Frau Wagenknecht zu tun haben. :)))

    |
    Albert Groß

    Kein Ex-Außenminister Fischer, keine Sarah Wagenknecht, auch Ex-Bundeskanzler Schröder nicht; sprechen bei Putin vor und bitten um ein Ende des Krieges. Auch Putin macht nur das, was die Rüstungskonzerne von ihm erwarten. Das Kriegsrecht gefährdet die Demokratie!

    Wolfgang Boeldt

    Ich spiele mal den "Seher" (oft lag ich gar nicht so weit daneben): in einigen Jahren wird man gewählte Parteien, so ab 10%+, in politische Verantwortung mit einbinden, bzw. mit einbinden müssen. Die Parteien, die heute die Ränder bilden (AfD, BSW und LINKe (na ja)) werden mehr zum Normalfall und die heute selbst ernannten Etablierten werden zu Rändern. Von Brandmauern und Unvereinbarkeitsbeschlüssen halte ich absolut nichts. Das ist eine Nichtachtung von einem Teil der Wähler. Nach einem Gespräch kann man immer noch sagen, nix wars, 100% Disharmonie. Dann war zumindest der Wille vorhanden.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden