Wie Gewitterwolken hängen die jüngsten Umfrage-Ergebnisse über der Fraktionsklausur der Grünen in Weimar: Nur noch 15 Prozent der Stimmen bekäme die Partei, wenn am Sonntag der Bundestag gewählt würde. Besonders schmerzhaft am Befund des Insa-Instituts ist aus Sicht der Ökopartei: Im Rennen um Platz drei hinter Union und SPD ist die rechtspopulistische AfD an ihr vorbeigezogen. Dabei lagen die Umfragewerte noch im Sommer bei gut 23 Prozent.
Nun rückt der grüne Traum, Volkspartei zu werden, gar das Kanzleramt zu erobern, in immer weitere Ferne. Mit der Politik der Grünen in der Regierung, auch das belegen Umfragen, sind immer weniger Menschen zufrieden: Rund 80 Prozent lehnen das Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ab, zwei Drittel sind gegen das Aus für Autos mit Verbrennungsmotor. Auch innerhalb der Ampel-Koalition geraten die Grünen wegen dieser Vorhaben immer stärker unter Druck.
In der Mitte schmilzt die Zustimmung für die Grünen
Als der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck – seine Beliebtheitswerte sind ebenfalls im Sinkflug – vor rund einem Jahr über die Folgen des Ukraine-Kriegs sagte: "Wir werden ärmer werden.“, erntete er noch Zustimmung. Endlich redet jemand Klartext, so der Tenor. Steigende Preise schienen unausweichlich; doch inzwischen sehen auch wohlhabendere Grünen-Anhänger, was das wirklich für sie bedeutet. Gerade die Energiekosten belasten viele Haushalte enorm, da fragen sich viele, ob die ganz großen Klima-Opfer ihnen ausgerechnet jetzt abverlangt werden müssen. Jetzt, wo die Auswirkungen der Corona-Krise noch längst nicht verkraftet sind, der Ukraine-Krieg Energie knapp gemacht hat und die Verbraucher unter heftigen Teuerungsraten ächzen.
Während die über Jahrzehnte mühsam errungene Zustimmung in der bürgerlichen Mitte schmilzt, können es die grünen Regierungsmitglieder einem anderen Teil ihrer Klientel noch viel weniger recht machen. Denn der Klimaschutzbewegung gehen die Anstrengungen längst nicht weit genug. Zu viele Kompromisse, zu wenig Konsequenz, kritisieren die Aktivisten. In den Reihen der "Letzten Generation", deren Mitglieder sich aus Protest etwa auf Autobahnen festkleben, ist immer wieder die Rede von einer möglichen Parteigründung, die das "Original" Stimmen kosten könnte. Zuletzt dementierte die Gruppe konkrete Absichten; ein solcher Schritt sei aber "nicht fernliegend".
Die ganze grüne Gespaltenheit zeigte sich im Kohle-Dorf Lützerath. Dort demonstrierten auch Grünen-Politiker gegen das Abbaggern durch den Energieriesen RWE, das der grüne Wirtschaftsminister Habeck und seine grüne Kollegin Mona Neubaur aus Nordrhein-Westfalen erst ermöglicht hatten. Als Teil eines Kompromisses brachte die Erlaubnis einen um acht Jahre früheren Kohleausstieg. Auch dass Habeck, aus schierer Not, Terminals für Flüssiggas hat bauen lassen, nehmen ihm die Klimaschützer übel. Der Entschluss, dennoch am 15. April die restlichen Atomkraftwerke abzuschalten, hat die Grünen wiederum im bürgerlichen Lager Zustimmung gekostet.
Wie schnell die Macht verloren gehen kann, hat sich ausgerechnet in Berlin gezeigt, das eigentlich als Hochburg der Grünen gilt. Doch bei der Abgeordnetenhauswahl patzte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch mit einer autofeindlichen Kampagne. Jetzt steht in der Hauptstadt wohl eine schwarz-rote Regierung bevor, den Grünen bleibt die Oppositionsbank. Wie unter einem Brennglas wurden in Berlin die Probleme sichtbar: Nur in den trendigen Innenstadtbezirken holten die Grünen Mehrheiten, an den Stadträndern reichte es teils nicht einmal für eine Nebenrolle. Auf dem Land und im Osten ist die Lage teils katastrophal. Zur Volkspartei reicht es so nicht. Dabei schien ohne Grüne in Landesregierungen kaum mehr etwas zu gehen; an zwölf von 16 Landesregierungen sind sie aktuell beteiligt.
In der Ampel brodelt es zwischen den Fraktionen
Immer stärker unter Druck geraten die Grünen in der Bundesregierung. Die FDP drängt auf Ausnahmen vom Verbrenner-Verbot, die SPD moniert, die Heizungspläne gingen auf Kosten der kleinen Leute. Dass sein Entwurf zum Verbot des Einbaus neuer Gas- und Ölheizungen ab 2024 vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangte, wertet Habeck als Foul aus den Reihen der Koalition. Bei der Klausur in Weimar bemühen sich die Grünen, Geschlossenheit zu demonstrieren. Verantwortlich für die derzeitige Misere, so die Botschaft, seien andere. "Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt“, so Habeck. Vor dem für Sonntag geplanten Koalitionsausschuss steht die Ampel jedenfalls auf Streit.
Und die Opposition? Sieht genüsslich zu. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte unserer Redaktion: "Habeck zündet die nächste Stufe in der Streitkoalition und macht das gegenseitige Misstrauen in der Ampel verantwortlich für seine Chaos-Politik." Das grüne Heizungs-Vorhaben nennt er "Bürgerentmündigungspläne" und fordert von Kanzler Scholz, einen "Schlussstrich" unter sie zu ziehen.