Ost-Timor in Südostasien ist das katholischste Land der Welt - nach dem Vatikan. Knapp 98 Prozent der Bevölkerung sind hier katholischen Glaubens. Die Begeisterung für den Besuch von Papst Franziskus, der zur Halbzeit seiner großen Asienreise am Montag in der Hauptstadt Dili landete, war entsprechend groß.
Die katholische Kirche spielt in Ost-Timor, das 2002 seine Unabhängigkeit von Indonesien erlangte, eine entscheidende politische Rolle. Zuletzt wurde allerdings ein Missbrauchsskandal des Klerus bekannt, den Papst Franziskus am Montag nur indirekt verurteilte. „Vergessen wir nicht, dass die Würde von Kindern und Jugendlichen verletzt wird“, sagte der Papst bei einer Willkommenszeremonie im Regierungspalast. Alle seien „aufgerufen, alles zu tun, um jede Art von Missbrauch zu verhindern und eine gesunde und friedliche Kindheit für alle jungen Menschen zu gewährleisten“.
Aktivisten hatten den Pontifex aufgefordert Klartext zu reden
Betroffenen-Organisationen hatten im Vorfeld gefordert, der Papst müsse die im Land immer noch anerkannten Missbrauchstäter aus dem Klerus beim Namen nennen und öffentlich zurückweisen. „Die Lage der Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche in Osttimor ist finster, doch Papst Franziskus könnte mit ein paar kraftvollen Worten Abhilfe schaffen und eine Wende herbeiführen“, hieß es in einem Brief des Betroffenenverbandes BishopAccountability.org an Kardinal Sean O‘Malley, Vorsitzenden der Vatikankommission zum Kinderschutz. „Fordern Sie den Papst auf, sich für die Opfer einzusetzen“, schrieben die Aktivisten.
In den vergangenen Jahren waren Vergewaltigungen von Kindern und andere sexuelle Übergriffe durch den für seinen Einsatz im Unabhängigkeitskampf im Land bis heute verehrten Bischof Carlos Ximenes Belo sowie den inzwischen laisierten und zu 16 Jahren Haft verurteilten US-Priester Richard Daschbach in Ost-Timor ans Licht gekommen. Belo, der in Portugal lebt, wurde 2020 vom Vatikan der Kontakt mit Kindern und Jugendlichen verboten. In Ost-Timor genießt der in Freiheit lebende Bischof und Friedensnobelpreisträger aber weiterhin großes Ansehen.
Der Staatspräsident sieht den Papst-Besuch nicht als Anlass, das Thema auzuarbeiten
In einem Interview vor einem Monat hatte Staatspräsident José Ramos-Horta gesagt, der Papstbesuch sei kein Anlass, um das Thema aufzuarbeiten. Die Bevölkerung respektiere Bischof Belo weiterhin „zutiefst“ für seinen Mut und seinen Beitrag im Unabhängigkeitskampf. „Er hat Menschen geschützt, er hat Menschen gerettet und die Leute vergessen das nicht einfach“, sagte Ramos-Horta, der ein enger Freund des Bischofs ist. Beide erhielten 1996 zusammen den Friedensnobelpreis. Ramos-Horta nahm Papst Franziskus am Montag in Dili in Empfang. Der 87-jährige Franziskus wurde wie auf der gesamten Reise im Rollstuhl geschoben.
Die anhaltende Popularität der beiden Sexualstraftäter habe ein Klima geschaffen, in dem Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche zu eingeschüchtert seien, um die Taten zur Anzeige zu bringen, sagte Anne Barrett Doyle, Vizedirektorin von BishopAccountability.org. Papst Franziskus ging nur pauschal auf das Thema ein, nannte aber keine Details oder Namen. Ausführlich lobte er in seiner Ansprache die Beharrlichkeit der Bevölkerung in seinem rund 25 Jahre dauernden Befreiungskampf. Am Dienstag stehen eine Begegnung mit dem örtlichen Klerus sowie eine große Freiluft-Messe auf dem Programm. Ob der Papst wie von BishopAccountability.org gefordert, dabei konkreter wird, ist fraglich.
Am Freitag geht es zurück nach Rom
Auf seiner zwölftägigen und bislang längsten Auslandsreise besuchte das Oberhaupt der katholischen Kirche bereits Indonesien sowie Papua-Neuguinea in Ozeanien. Nach dem dreitägigen Besuch in Ost-Timor reist Franziskus weiter nach Singapur, bevor er am Freitag wieder zurück nach Rom fliegt. Insgesamt legt der Papst rund 33.000 Flugkilometer zurück.
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