Einst waren sie Orte, an denen die Menschen Schlange standen. Die Termine heiß begehrt. Inzwischen bereiten sich die verbliebenen rund 80 Impfzentren in Bayern auf ihre Schließung vor. Gegen Ende des Jahres werden sie den Betrieb einstellen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will, dass Impfungen gegen das Coronavirus nur noch in Praxen und Apotheken durchgeführt werden. Die aktuelle Impfverordnung, die die Organisation und Vergütung unter anderem auch in Impfzentren der Länder regelt, läuft am Jahresende aus. Damit endet nach zwei Jahren ein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger – und mit ihm eine beispiellose Impfkampagne. "Die Impfzentren haben uns zwei Jahre lang einen unbezahlbaren Dienst im Kampf gegen die Corona-Pandemie erwiesen", sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek unserer Redaktion.
Bezahlt wurden die Impfungen bislang vom Bund und den Ländern. Künftig soll dies aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung geschehen, erläuterte der Gesundheitsminister – zunächst aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, ab 7. April dann von den einzelnen Kassen. Mobile Impfteams könnten von den Kassenärztlichen Vereinigungen organisiert werden. Der Impfstoff werde weiterhin vom Bund beschafft und kostenfrei zur Verfügung gestellt.
95 Prozent der Deutschen haben Antikörper gegen Corona
64,8 Millionen Menschen in Deutschland (77,9 Prozent der Bevölkerung) haben nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bisher mindestens eine Impfdosis erhalten. Davon sind 63,5 Millionen Menschen (76,3 Prozent) grundimmunisiert. 52,0 Millionen Menschen (62,5 Prozent) haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten. 11,6 Millionen Menschen (13,9 Prozent) erhielten bereits eine zweite Auffrischungsimpfung.
Aktuell sind 18,4 Millionen Menschen nicht geimpft (22,1 Prozent der Bevölkerung). In Bayern liegt der Prozentsatz der Ungeimpften leicht höher. "In den letzten Monaten ist die Impfbereitschaft leider spürbar gesunken", sagt Gesundheitsminister Holetschek. "Klar ist: Das Impfen bleibt ein zentrales Mittel im Kampf gegen Corona. Es bietet den besten Schutz für jeden Einzelnen vor einem schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung." Allerdings hat nach Ansicht vieler Experten nahezu jeder inzwischen Antikörper im Blut – die bilden sich nicht nur nach einer Impfung, sondern auch nach einer Infektion. Eine Studie, die vom Bundesforschungsministerium unterstützt wurde, geht von einem Prozentsatz von 95 Prozent der Deutschen aus. Auch aus diesem Grund gehen Experten derzeit nicht davon aus, dass eine weitere massive Corona-Welle bevorsteht.
Aktuell werden viele Corona-Infektionen wohl nicht mehr erkannt
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwoch mit 196,7 angegeben – Tendenz steigend. Allerdings liefern diese Angaben nur ein sehr unvollständiges Bild der Infektionszahlen, weil die Zahl der PCR-Tests – und allein sie fließen in die Statistik ein – deutlich zurückgegangen ist. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 36.463.485 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Aber auch hier dürfte die tatsächliche Gesamtzahl deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.
Wie wichtig die Kombination aus langsamer, durch Corona-Maßnahmen gebremster Durchseuchung und aus wirksamen Impfungen ist, zeigt derzeit ein Blick nach China. Aufgrund der sehr harten Isolationsmaßnahmen ist der Anteil der Chinesinnen und Chinesen, die sich mit dem Virus angesteckt hatten, deutlich geringer als in Deutschland. Hinzu kommt, dass gerade in der älteren Bevölkerung viele nicht geimpft sind. Da China nur die im eigenen Land entwickelten Totstoffe spritzt, müssen diejenigen, die sich impfen lassen, zudem mit einer schwächeren Wirksamkeit leben.
Damit steckt die kommunistische Führung in einem Dilemma: Gibt sie dem Druck der Demonstranten nach und lockert die Corona-Regeln rasch, dürfte sich das Land mit einem noch steileren Anstieg der Infektions- und Todeszahlen konfrontiert sehen. Und das könnte auch Folgen für den Rest der Welt haben. „Würde man alle Maßnahmen fallen lassen, würde dies dazu führen, dass rund 1,4 Milliarden Menschen am globalen Infektionsgeschehen teilnehmen und dadurch generell die Evolution des Virus mit beeinflussen“, sagt Björn Meyer, Experte für Virusevolution am Uniklinikum Magdeburg. Ob es dazu kommt, lässt sich kaum seriös vorhersagen – doch zumindest die Gefahr besteht, dass durch eine erneute Mutation die Erfolge auch anderer Länder im Kampf gegen Corona zunichtegemacht würden.
„Es gilt weiterhin für die Evolution von Viren: je mehr Infektionen, desto mehr Virusmutationen, die das Virus verändern können“, sagt Meyer. „Ich denke, dass China seine Politik anpassen wird. Fraglich ist nur, wie stark dies geschehen wird und wie viele Infektionen man dann letztlich zulässt.“ Es scheine nur eine gewisse Grundimmunität in der Bevölkerung zu geben, leider seien genau die vielen ungeimpften Alten der Teil der Bevölkerung, der am stärksten gefährdet sei. „Somit steht China zunächst vor der schwierigen Entscheidung, wie man eine neue Übergangspolitik in der Pandemie angehen soll und muss“, so der Mediziner.
Nur China hält noch an Null-Covid-Strategie fest
China ist das letzte große Land, das an einer Null-Covid-Strategie festhält. Australien und Neuseeland haben sich schon im vergangenen Jahr von diesem Konzept verabschiedet – allerdings erst, nachdem ein Großteil der eigenen Bevölkerung geimpft war. Vor allem Entwicklungsländer unter anderem in Afrika hatten sich (teils aus der Not heraus) für einen wieder anderen Weg entschieden: Sie setzten ihre Bevölkerung immer neuen Corona-Wellen aus, durch die Infektionen wurde eine gewisse Immunität aufgebaut. In den meisten westlichen Staaten, unter anderem in Deutschland, wurden Lockdowns genutzt, um Zeit zu gewinnen und das jeweilige Gesundheitssystem nicht zu überlasten.