Trotz Kritik von vielen Seiten sind die Coronatests seit Donnerstag für die meisten Menschen in Deutschland nicht mehr kostenlos. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) betonte, die Tests seien trotzdem wichtig - aber in der bisherigen Form zu teuer für den Staat.
Ärzte bezeichneten es als "Zumutung", Eurobeträge für Tests einzutreiben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen kündigten in einem Schreiben an Lauterbach an, "dass sie Bürgertestungen "zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen können." Die Grünen gaben die Verantwortung für das Ende der kostenlosen Bürgertests in bisheriger Form den Ländern. An diesem Freitag rücken die Corona-Maßnahmen der Politik insgesamt in den Blick: Vorgelegt wird ein mit Spannung erwarteter Prüfbericht.
Kostenlose Tests gibt es nun nur noch für Risikogruppen und andere Ausnahmefälle. Für Tests etwa für Familienfeiern, Konzerte oder Treffen mit Menschen ab 60 werden drei Euro Zuzahlung fällig. Wer einen solchen Test will, muss unterschreiben, dass er zu diesem Zweck gemacht wird.
Lauterbach verteidigte die Neuerungen. "Die Tests sind wertvoll, sie sind wichtig", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". Allerdings seien die Kosten für die Steuerzahler für die bisher kostenlosen Tests zu hoch. Außerdem müsse der Missbrauch durch Testcenter eingegrenzt werden.
Betrug mit Bürgertests
Schon vor Monaten wurden in Medien Ermittler zitiert, die von hohen Schäden durch Betrug mit Bürgertests ausgingen. Die Rede war von über einer Milliarde Euro oder rund einem Zehntel der gesamten Zahlungen an Betreiber. Kriminelle sollen für Bürgertests demnach etwa bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung unterm Strich hohe Summen abgerechnet haben, ohne überhaupt Testzentren zu betreiben - teilweise sollen sie auch viel mehr Tests abgerechnet haben.
Die Testverordnung wurde bereits mehrfach angepasst, etwa durch strengere Vorgaben dazu, welche Angaben plausibel sind, und zu Stichprobenprüfungen. Laut einem rbb-Bericht erleichtern es aber fehlende Kontrollen weiter, Tests falsch abzurechnen.
Lauterbach räumte ein: "Es gibt immer die Möglichkeit des Betrugs." Nun müssten die Teststellen aber dokumentieren, weshalb ein Test durchgeführt wurde. Über Stichproben sei es dann möglich, dies nachzuprüfen und so Missbrauch vorzubeugen, betonte der Minister.
Kritik der Ärzte
"Wenn eine derart komplexe Neuregelung einen Tag vor deren Wirksamkeit beschlossen und verkündet wird, dann ist doch das Chaos für alle Beteiligten absehbar", hieß es am Donnerstag von der Medizinervereinigung Hartmannbund. Als "Bürokratiemonster" hatte bereits vor Tagen der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, die Pläne mit heftigen Worten kritisiert: "Die Hausärztinnen und Hausärzte sind nicht die Geldeintreiber eines überforderten Staates."
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung forderte sogar die Einstellung der Bürgertests. In einem Schreiben an den Minister begründeten die Kassenärztlichen Vereinigungen, Bürgertests nicht mehr abrechnen und auszahlen zu können, damit, dass sie nun erst recht nicht mehr in der Lage seien, Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. "Im Ergebnis können die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht verantworten, sehenden Auges Auszahlungen auf Abrechnungen zu leisten, deren Richtigkeit sie nicht ansatzweise prüfen können", heißt es in dem Schreiben, über das zuerst das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete und das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Das Bundesgesundheitsministerium erklärte dazu auf Anfrage, man gehe davon aus, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts ihrem Auftrag zur Abrechnung und Stichprobenprüfung der Testzentren weiterhin nachkommen werden. "Im Dialog werden wir kurzfristig mit den KVen erörtern, wie die neuen Regeln unbürokratisch umzusetzen sind", sagte ein Sprecher.
Die "Deutsche Apotheker Zeitung" stimmte ihre Branche so auf die Änderungen ein: "Es wird also komplizierter in der Apotheke. Dafür gibt es dann auch weniger Geld ab dem 1. Juli." Statt 8 Euro für den Abstrich und 3,50 fürs Material erstatte der Bund künftig nur noch 7 bzw. 2,50 Euro.
Grüne und FDP zum Ende der kostenlosen Tests
Gar nicht glücklich sind die Grünen mit der Lage. Ihre Abgeordnete Paula Piechotta sagte: "Dass die Testangebote jetzt für viele Menschen drei Euro kosten, ist das Ergebnis der fehlenden Kooperation der Länder." Obwohl der Bund hier monatelang in Vorleistung gegangen sei und sich in diesem Jahr nochmal massiv verschulden müsse, seien die Länder nicht zur fairen Lastenverteilung bereit. Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann betonte in dem rbb-Sender radioeins dagegen, dass der Schutz von Risikogruppen weiter gewährleistet sei.
Lauterbach und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich in der vergangenen Woche darauf verständigt, die "Bürgertests" deutlich einzuschränken. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, warf der FDP nun vor, mit Hilfe der SPD und der Grünen das ganze Land in Geiselhaft zu nehmen: "Das Ende der kostenlosen Bürgertests mitten in der Corona-Sommerwelle ist dumm, fahrlässig und unsozial."
Gutachten mit Spannung erwartet
Wie es mit Tests und anderen Corona-Maßnahmen im Herbst weitergehen könnte, dürfte auch von einem mit Spannung erwarteten Gutachten abhängen, das an diesem Freitag in Berlin vorgelegt werden soll. Ein Sachverständigenrat sollte die bisherigen Schutzmaßnahmen begutachten und bewerten. Vor allem die FDP hatte darauf gepocht, das Gutachten abzuwarten, bevor genauer über die Maßnahmen für diesen Herbst verhandelt wird. Lauterbach dämpfte die Erwartungen. Das Gutachten sei "nur ein weiterer Baustein" und keine Blaupause für die Maßnahmen der Bundesregierung für den Herbst. Er wies darauf hin, dass nochmals mit deutlich steigenden Infektionszahlen zu rechnen ist.
Lauterbach zählte zu Maßnahmen für den Herbst unter anderem eine Impfkampagne für die verschiedenen verfügbaren Impfstoffe und Medikamente. Neue, auf die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe "könnten sich verschieben in den späteren Herbst", sagte Lauterbach. Auch die statistische Erfassung der Corona-Patienten in den Krankenhäusern solle verbessert werden. Die noch gültigen Corona-Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz - etwa Maskenpflichten in Bussen und Bahnen - laufen am 23. September aus.
(dpa)