Fast 40 Tote, mehr als 3000 zum Teil Schwerverletzte, Hunderte Pager, die in die Luft flogen, am nächsten Tag folgten Walkie-Talkies. Zwei Tage in Folge wurde der Libanon von Explosionswellen zahlreicher technischer Geräte erschüttert - mutmaßlich von Israel koordiniert. Es lagen keine 24 Stunden zwischen den Aktionen, die das Land am Mittelmeer und die dort herrschende Terrormiliz Hisbollah bis ins Mark erschüttert haben. Die Wucht nicht nur des Sprengstoffs, sondern auch der Symbolik ist gewaltig.
Menschen in Beirut und anderen Teilen des Landes berichteten der Zeitung L‘Orient-Le Jour von schrecklichen Szenen. „Ich sah Blutpfützen überall, Finger und Hand-Fetzen am Boden“, sagte eine Frau. Ein anderer berichtete von „Fingerspitzen, zerrissener Kleidung und Organen am Boden“. Zudem geht die Angst um, dass es zu weiteren Attacken kommt. Reisende dürfen ab sofort keine Pager oder Funkgeräte mehr mit an Bord eines Flugzeuges nehmen. Die Geräte würden am Flughafen beschlagnahmt, teilte die Behörde für zivile Luftfahrt mit.
Pager-Explosion im Libanon: Aktion war über viele Jahre vorbereitet
Zwar schwelt der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah bereits seit Jahrzehnten – die Miliz war 1982 mit iranischer Unterstützung als Antwort auf die israelische Invasion im Bürgerkrieg im Libanon gegründet worden. Ungewöhnlich erscheint der Zeitpunkt der Aktion dennoch, zumindest auf den ersten Blick. Denn das Manöver des Geheimdienstes fällt ausgerechnet in eine Zeit, in der der Krieg im Gazastreifen ohnehin viele israelische Kräfte bindet. Doch die scheinbar logische Verbindungslinie zwischen dem Gazakrieg und der nun erfolgten Aktion könnte ohnehin täuschen.
„So eine Geheimdienstoperation, wie wir sie jetzt gesehen haben, bedarf einer so langen Vorbereitung und Planung, dass sie definitiv vor Ausbruch des Gazakrieges gestartet worden ist“, sagt Stephan Stetter, Nahost-Experte der Universität der Bundeswehr in München. Tatsächlich sagt der Besitzer der taiwanesischen Pager-Firma, dass sich bereits vor drei Jahren eine Geschäftsfrau bei ihm gemeldet habe, um einen Deal anzubahnen.
Laut einem Bericht der New York Times handelte es sich dabei um eine Mitarbeiterin eines Strohunternehmens des israelischen Geheimdienstes. Tausende Geräte mussten mit Sprengstoff manipuliert werden. Stetter schließt nicht aus, dass weitere Aktionen folgen könnten. „Es gibt Spekulationen, ob Israel das ,Internet der Dinge‘, also Geräte, die mit Software ausgestattet sind, so weit infiltriert hat, dass selbst Kühlschränke von Hisbollah-Mitgliedern in die Luft fliegen könnten“, sagt er.
Kam die Hisbollah dem Mossad auf die Spur?
Doch warum gerade jetzt? „Israel wird kaum spontan auf den Knopf gedrückt haben“, sagt Stetter. Plausibler sei entweder, dass die Hisbollah Wind bekommen habe von den Plänen des Mossad und Israel zum Handeln gezwungen gewesen sei. „Sonst wäre die jahrelange Vorbereitung am Ende vielleicht sogar aufgeflogen. Oder es gab wahltaktische Gründe in Israel für diesen Schritt“, sagt der Experte. Auf jeden Fall sei die Aktion für Israel erst einmal ein Coup.
„Die Hisbollah ist durch die beiden Angriffe geschwächt, sie kann sich nicht mehr sicher fühlen“, glaubt Stetter. Tatsächlich hat der israelische Schlag die Terrormiliz - mit schätzungsweise 150.000 Raketen und Zehntausenden Kämpfern der stärkste nicht staatliche Akteur in der Region - gleich doppelt getroffen: Zum einen sind tausende ihrer Mitglieder und Kämpfer getroffen und zum Teil schwer verletzt oder sogar getötet worden. Bisher ist zwar nicht klar, wie viele der Verletzten und Opfer Mitglieder der Hisbollah waren. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es aber, ein Großteil der Opfer gehöre sehr wohl der Schiitenorganisation an.
Zum anderen hat die Hisbollah nun kein abhörsicheres Kommunikationsmittel mehr. Denn genau dafür waren die Pager angeschafft worden. Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah und seine Anhänger befürchten seit Langem, über den Einsatz von Smartphones vom israelischen Militär oder Geheimdiensten geortet werden zu können und damit zum leichten Ziel zu werden.
„Strategisch war das für Israel ein großer Erfolg. Es demonstriert mit dieser Aktion erstmals wieder seine Fähigkeit zur Abschreckung“, sagt Stetter. „Und das tut es nicht auf militärischer Ebene, sondern auf Ebene der Geheimdienste.“ Doch auf dieser Ebene werde sich Israel auf Dauer kaum bewegen können. Die Frage aller Fragen, die sich im Nahen Osten immer wieder stellt, lautet daher: Kommt es nun zu einem echten Krieg zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah?
Iran fährt eine Taktik der unterschwelligen Bedrohung
„Die Hisbollah befindet sich in einer wirklichen Zwickmühle“, sagt Stephan Stetter. Zumal die explodierenden Pager und Walkie-Talkies nicht der erste israelische Angriff gewesen seien. Erst im Juli wurde ein früherer Kommandeur der Hisbollah ausgeschaltet. Schon damals schwor die Miliz Rache, doch der Gegenschlag wurde zur peinlichen Angelegenheit: Statt einer israelischen Militäreinrichtung trafen die Geschosse eine Hühnerfarm, in den sozialen Medien wurde sie verspottet.
Für Beobachter stellt sich daher die Frage, ob die Hisbollah – obwohl hochgerüstet – einem großen Krieg überhaupt gewachsen wäre. „Ich glaube eher nicht“, sagt Stetter. Sowohl die Hisbollah als auch der Iran, der als großer Unterstützer der Miliz gilt, seien deshalb eher an einem lang andauernden und unterschwelligen Konflikt interessiert. „Dadurch können sie Unsicherheit streuen und müssen nicht alle Karten militärisch auf den Tisch legen“, sagt der Experte. Ein großer Krieg würde ein viel größeres Risiko bergen. „Die Frage ist, ob Israel das vorhat“, sagt er.
Der israelische Verteidigungsminister kündigte eine „neue Phase“ des Kriegs an. „Der Schwerpunkt verlagert sich nach Norden“, sagte Joav Galant. „Wir stellen Kräfte, Ressourcen und Energie für den nördlichen Bereich bereit.“ Das Ziel ist, dass sich die Hisbollah wieder hinter die Linie des Litani-Flusses zurückzieht, so, wie es eine Resolution der Vereinten Nationen vorsieht.
Der Norden Israels ist für die Menschen zu einem unbewohnbaren Ort geworden. Wer hier gelebt hat, wurde von den Raketen, die die Hisbollah immer wieder aus dem Nachbarland Libanon schickt, längst vertrieben. Doch ganz oben auf der Prioritätenliste der israelischen Regierung stand das Gebiet bislang nicht, die Konzentration lag auf dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen, in dem nach wie vor gekämpft wird.
Die Lüge wurde demaskiert und die Fratze des Bösen hat sich gezeigt. Jeder kann nun Richter sein.
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