Frau Müller meint es gut mit Robert Habeck. Der Wirtschaftsminister hält ein kleines scharfes Messer in den Händen und ein rundes Stückchen Holz. "Den Daumen nachschieben", sagt Frau Müller. Sie sorgt sich um Habecks Finger. "Vom Körper weg." Susanne Müller kommt aus dem Vogtland und hat mit ihrem Mann eine Schnitzerei.
Für die Handwerksmesse ist sie nach Leipzig gefahren und hat Weihnachtspyramiden, Schwibbögen und Krippen mitgebracht. Habeck besucht ihren Stand. Aus der Holzscheibe soll er ein Herz schnitzen, doch Habeck will einen Hirsch. Nach zehn Minuten sieht das Tier eher aus wie ein Löwe. Oder ein Bär. Mit etwas Fantasie könnte es auch ein Herz sein. Es ist schließlich Valentinstag. Frau Müller hat in aller Vorausschau selbst ein Herz geschnitzt "für Ihre Frau", wie sie Habeck sagt.
In Umfragen in Ostdeutschland liegt die AfD auf Platz 1
Der Minister lässt offen, ob sich seine Frau darüber freuen würde. Es ist das zweite Herz, das er an diesem Tage macht. Zuvor hat er bei den Klempnern eines aus glänzendem Kupferrohr zusammengeschweißt. Einmal hat er mit dem Brenner zu viel Hitze auf das Zinn gegeben, sodass sich keine Schweißnaht bilden kann. "Wenn es zu heiß wird, verdampft es. Das ist ja fast eine politische Metapher", sagt der Minister. Während seiner kleinen Übungseinheit in praktischer Arbeit geht auf einmal der Brenner aus. Der Gasfluss ist unterbrochen. Doch schließlich hält Habeck ein kupferrot glänzendes Herz in der Hand und freut sich lachend.
Kein Gas und große Hitze im System sind ziemlich genau die Probleme, die Robert Habeck hat, wenn man "kein Gas" durch "fehlendes billiges Gas" ersetzt. Und in Ostdeutschland ist die Hitze besonders groß. In den Umfragen liegt die Wutpartei AfD auf Platz 1, könnte im Herbst die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewinnen.
Und dann? Bei den anderen Parteien weiß keiner, was genau dann passieren würde. Sicher ist nur, dass das politische System im Mark erschüttert würde. Doch nach den Enthüllungen über das Treffen von AfD-Mitgliedern mit Rechtsextremen, bei dem über massenweise Abschiebungen fabuliert wurde, hat sich etwas geändert in den Parteizentralen. Der Kampf mit der AfD soll aufgenommen werden, auch in ihren Bastionen im Osten.
Den Grünen schlägt Ablehnung, teilweise offener Hass entgegen
Für die Grünen ist der Gang ein schwerer. Schon am Stadtrand von Leipzig, Dresden, Jena und Rostock schlägt ihnen Ablehnung entgegen, teilweise offener Hass. Ihre Art zu leben, oder das, was dafür gehalten wird, ist das Gegenteil des eigenen Lebens. Verzicht auf Fleisch, das Auto als Gegner und Gendersprache. Dazu die lauten Rufe nach immer mehr Waffen für die Ukraine und das Willkommenheißen von Flüchtlingen. Als Galionsfigur der Grünen personifiziert Habeck all das, was ihre Gegner aus voller Seele ablehnen. Und dann wollte er mit seinem Heizungsgesetz noch in den Keller zu Hause.
Es ist nicht so, dass Habeck im Westen nur Freunde hat. Anfang Januar hindern ihn wütende Bauern an einem Fährhafen daran, von einem Inselausflug zurück an Land zu gehen. In Biberach müssen die Grünen nach aggressiven Bauernprotesten ihren Politischen Aschermittwoch absagen. Habeck ist kein ängstlicher Mensch, doch er muss mehr aufpassen als früher. Seine Personenschützer schauen noch grimmiger, bewachen ihn eng.
Im direkten Gespräch liegen Habecks Stärken
Auf der Handwerksmesse kommen die Aussteller aus ganz Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Tischlermeister Jens Mantke ist mit seinem Gast aus Berlin ganz zufrieden. Der Wirtschaftsminister fragt ihn, was er denn für ihn, den Unternehmer, tun könne. Meister Mantke würde sich über eine Ausbildungsplatzabgabe freuen, die alle Firmen zahlen müssten, die keine Lehrlinge ausbilden. Habeck versteht sein Anliegen, spielt verschiedene Möglichkeiten durch, warnt aber auch vor neuer Bürokratie durch die Abgabe. Zum Abschied geben sich die beiden Männer die Hand. Im Eins-zu-eins-Gespräch überzeugt der Grüne.
Der Tag hatte nicht so freundlich für ihn angefangen. Seine erste Station war eine Podiumsdiskussion. Als der Moderator Habeck begrüßt, wird er kurz ausgebuht. Ein Wirtschaftsprofessor aus Halle hält einen Vortrag, warum in Deutschland die Wirtschaft so schlecht läuft. Der Minister räumt während der Diskussion ein, dass er seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr absenken musste. Wohl nur um 0,2 Prozent wird die Wirtschaft zulegen. "Das ist dramatisch schlecht", gibt der 54-Jährige unumwunden zu.
Habeck in Jena: Weltoffen im Vorzeigewerk
Am zweiten Tag seiner Reise macht sich Habeck nach Jena auf. Er besucht den Vorzeigekonzern Jenoptik, der aus dem VEB Kombinat Carl Zeiss hervorgegangen ist. Das Unternehmen hat eine Kampagne für Weltoffenheit aufgelegt. "Wer sich abschottet, macht dicht", ist ihr Titel. In der Werkskantine spricht der Minister mit Mitarbeitern über ihre Sorgen vor der AfD und darüber, was die Stärke der Rechten mit den Kollegen aus dem Ausland macht. Habeck glaubt an die Kraft solcher persönlichen Gespräche – mit ihm und ohne ihn. Sonst, so sagt er es, "haben wir eine Gesellschaft, in der nur noch rumgebrüllt wird".
Genau das passiert wenige Stunden später in Südthüringen. Habeck will sich das Schokoladenwerk des Herstellers Viba anschauen. Wütende Menschen blockieren die Straßen, Journalisten werden nicht durchgelassen. Sie schreien den alten Ost-Schlachtruf "Wir sind das Volk".