Washington, Kiew, Moskau – drei Hauptstädte besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz schnell hintereinander, um im Ukraine-Konflikt die Krisendiplomatie in Gang zu halten, sie womöglich gar zu beschleunigen. In den USA war er auf freundlichem, in der Ukraine auf vergleichsweise neutralem Terrain. In Russland jedoch wartete die schwierigste Aufgabe auf den deutschen Regierungschef. Und er löste sie mit verblüffender Bravour.
„Wo ist Olaf Scholz“, hatte nicht nur die Opposition in den vergangenen Tagen und Wochen gerufen. Auch in vielen Teilen der Bevölkerung verfestigte sich offenbar der Eindruck, der Bundeskanzler ducke sich vor den Problemen weg, habe keine deutsche Antwort auf den drohenden Krieg in der Ukraine, mitten in Europa. Scholz hat die Kritikerinnen und Kritiker mit seinem Besuch in Moskau Lügen gestraft.
Die Taktik des Kanzlers ist aufgegangen. Während viele um ihn herum aufgeregt flatterten, sich über die Lieferung von 5000 Helmen an die Ukraine mokierten und das Regierungshandeln in Frage stellten, sondierte der Politiker die Lage, bereitete sich vor. Scholz nahm sich die Zeit, die ein Regierungschef eben braucht, wenn er erst ein paar Wochen im Amt ist. In Moskau zeigte er sich dann gut präpariert und konnte einem russischen Präsidenten Paroli bieten, der im Umgang als schwierig gilt.
Scholz bei Putin: Diplomatie funktioniert nur in kleinen Schritten
Man habe nicht entlang der Sprechzettel diskutiert, sondern sei in die Tiefe gegangen, bilanzierte Scholz nach dem Gespräch. Er und Putin stimmten nicht in allen Punkten überein, es gab aber einige Ansatzpunkte, an die angeknüpft werden kann. Das mag nach außen hin zunächst dünn erscheinen. Diplomatie funktioniert aber nur in kleinen Schritten.
Scholz hätte in Moskau auch scheitern können. Putin ist ein Meister darin, Gäste dann vorzuführen, wenn sie ihm schwach erscheinen. Man erinnere sich nur an die Szene 2007, als er die damalige Kanzlerin Angela Merkel vor aller Öffentlichkeit mit seinem Labradorhund konfrontierte. Scholz jedoch wagte mutig mehrfach den offenen Widerspruch und machte insgesamt offensichtlich Eindruck auf den Präsidenten. Das wird sein internationales Ansehen stärken und außerdem auf die deutsche Politik ausstrahlen. Wer jetzt noch fragt, wo der Kanzler sei, läuft ins Leere.