Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Österreichs Kampf gegen Korruption: Benko, Kurz und die Justiz am Limit

Österreich

Rene Benko und Sebastian Kurz: Österreichs Justiz stöhnt unter Korruptionsaffären

    • |
    • |
    Der österreichische Unternehmer Rene Benko steht im Mittelpunkt eines Korruptionsverfahrens. In Italien wird gar wegen mutmaßlich mafiöser Strukturen ermittelt.
    Der österreichische Unternehmer Rene Benko steht im Mittelpunkt eines Korruptionsverfahrens. In Italien wird gar wegen mutmaßlich mafiöser Strukturen ermittelt. Foto: Johann Groder, APA/dpa

    Rekorde bleiben in Österreich nicht lange unübertroffen, wenn es um Korruptionsvorwürfe, um mutmaßliche Wirtschaftskriminalität geht. Beinahe im Monats-Takt jagt ein Superlativ den nächsten: Die Pleite des Signa-Imperiums des Immobilien-Investors und Super-Reichen Rene Benko war bis vor wenigen Wochen noch die „größte Insolvenz seit 1945“. Nun, so scheint es, ist der Fall Benko in den Schlagzeilen Medien zum „größte Wirtschaftskriminalfall in der Zweiten Republik“ geworden. Seit langem ermitteln die Behörden in Liechtenstein gegen den gebürtigen Tiroler wegen des Verdachts der Geldwäsche.

    In Wien, München und Italien aber sehen die Anti-Korruptions-Ermittler Benko seit kurzem als mutmaßlichen „Kopf einer mafiaartigen Vereinigung“: Ermittelt wird gegen 77 Personen, darunter Regionalpolitiker, Unternehmer, Steuerberater – Benko aber muss nicht fürchten, nach Italien ausgeliefert zu werden. Das verhindert die geltende Gesetzeslage. Stattdessen werden österreichische Behörden selbst gegen den Immobilien-Tycoon ermitteln, schließlich sind Vorwürfe, die die Italiener gegen den Tiroler erheben, auch in Österreich strafbar. Für Benko, dessen Anwalt die Vorwürfe der italienischen Behörden zurückweist, gilt wie für alle weiteren Beschuldigten die Unschuldsvermutung. 

    Wann in der Causa Benko Anklage erhoben wird, ist offen

    Die Ermittlungen gegen Benko sind der vorläufige Höhepunkt einer Serie an massiven, mutmaßlichen Korruptionsfällen: Nach wie vor ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Inseraten-Affäre rund um Ex-ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz, zu dem Benko lange Zeit engste Beziehungen unterhielt. Ob und wann in der Causa Anklage erhoben wird, ist noch immer offen. In einem anderen, Jahrzehnte dauernden Ermittlungs- und Justizprozesses – jenem gegen ex-FPÖ bzw. ÖVP-Finanzminister Karl-Heinz Grasser – gibt es auch vier Jahre nach dem erstinstanzlichen Urteil noch immer keine Rechtskraft.

    Die Überforderung der Justiz angesichts einer Flut an hochkomplexen Korruptionsaffären brachte vergangene Woche Robert Kert, Experte für Wirtschaftsstrafrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, im ORF auf den Punkt: Er sehe den Justizapparat gar nicht in der Lage, zu den Vorwürfen der italienischen Behörden gegen Benko zu ermitteln. Zudem sei die Strafprozessordnung für derart hochkomplexe Verfahren gar nicht ausgelegt. Es scheint, als stünde der österreichische Staat bei den allgegenwärtigen Affären, die tief in die Zentren der Parteien wie auch der Medien hineinreichen, vor der Kapitulation. Österreich, so scheint es, ist ein Paradies für Wirtschaftskriminelle.

    Eine Kommission untersuchte politische Einflussnahme

    Einer, der das nicht hinnehmen will, ist Martin Kreutner. Der international renommierte Jurist und Korruptionsexperte leitete bis vor kurzem eine von der noch amtierenden grünen Justizministerin Alma Zadic eingesetzt Kommission, die mögliche Einflussnahme von politischen Parteien auf die Ermittlungsbehörden untersuchen sollte. Kreutners Fazit: Ja, eine solche Einflussnahme gebe es. Es scheine in manchen Fällen, dass ein „zu erreichender Sachausgang“ unter Beanspruchung einer „gerade noch vertretbaren Rechtsauslegung“ herbeiargumentiert worden sei - so ist es im Abschlussbericht von Kreutners Kommission nachzulesen. Auf Deutsch: Wenn es sein muss, wird die Rechtslage so weit irgendwie möglich gedehnt, um den Wünschen mancher Verfahrensbeteiligten zu entsprechen. „Ich verwende den Begriff Zwei-Klassen-Justiz bewusst immer wieder, weil das letztendlich Zwei-Klassen-Justiz ist, wenn laut Gesetz andere Regeln für diese ‚clamorosen‘ Fälle gelten“, sagt Kreutner.

    „Clamorose Fälle“, das sind im österreichischen Recht Verfahren, bei denen Prominente im Zentrum der Ermittlungen stehen. Und für diese Prominenten gelten eigene Regeln. Eine dieser Sonderregelungen sei im Ermittlungsverfahren gegen Sebastian Kurz offensichtlich geworden: So musste sich der ehemalige ÖVP-Kanzler nicht von den ermittelnden Staatsanwälten, sondern von einem Richter einvernehmen lassen - anders, als das bei Beschuldigten der Fall ist, die nicht im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen. „Das bedeutet eine Ungleichbehandlung, oft einen Vorteil für die Beschuldigten: Ein Staatsanwalt, der eingearbeitet ist, die Akten genau kennt, der detaillierte Gegenfragen stellen kann – der tut sich natürlich leichter und wird dem Beschuldigten anders befragen können als ein Richter, der für ein paar Tage im Jahr, während einer Befragung, als `Kurzzeit-Staatsanwalt´ agieren muss“, sagt der Korruptionsexperte.

    Gibt es „vorauseilenden Gehorsam“ in den Ermittlungsbehörden?

    Gibt es auch „vorauseilenden Gehorsam“ in den Ermittlungsbehörden? Teilweise ja, sagt Kreutner: Oft würden Ermittler nur zu genau wissen, was die jeweiligen Vorgesetzten in politisch heiklen Verfahren lesen und hören wollten. Staatsanwälte, das seien „eben auch nur Menschen“, sagt Kreutner. Einflussnahme auf Ermittlungen laufe in Österreich auch immer wieder über unverhohlene Botschaften über die Medien: Da würden ausgewählte Journalisten mit speziellen Informationen und Spins gefüttert – solcherlei Berichterstattung wiederum hinterlasse Eindruck auf die jeweiligen Ermittler. Zudem gebe es Möglichkeiten, die Sache in die Länge zu ziehen – etwa überbordende Berichtspflichten der Ermittler an übergeordnete Instanzen. Von einem „30-Augen-Prinzip“ bei Ermittlungen war im Bericht von Kreutners Untersuchungskommission zu lesen.

    Die „Causa Benko“ sieht Kreutner dennoch als Chance. Glaubt man den Berichten österreichischer Medien, so sollen sich ÖVP, SPÖ und die liberalen NEOS, die in Wien aktuell eine Dreier-Koalition verhandeln, auf die Einführung einer Generalstaatsanwaltschaft geeinigt haben, die künftig unabhängig von politischen Weisungen des Justizministeriums über die Korruptionsverfahren wachen soll. Für den Korruptionsexperten wäre das so etwas wie eine letzte Chance. „Jetzt gibt es noch ein Zeitfenster“, sagt Kreutner. 

    Diskutieren Sie mit
    1 Kommentar
    Jochen Hoeflein

    Das kommt nur alles viel zu spät. Derweilen die derzeit geltenden Gesetze und Regelungen den Geschäftemacher Rene Benko schützen und er weiterhin im Luxus schwelgen kann. Und auf ewig gilt die Unschuldsvermutung. Ausser begeht irgendwann einen Fehler und stolpert über seine Arroganz und Überheblichkeit. Hoffe, dass seine ihn Mutter überlebt-eben wie in einem Maffia Film aus Hollywood nur ohne Happy End.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden