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Österreich: Wie Österreichs Regierung die Rechten stark macht

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Wie Österreichs Regierung die Rechten stark macht

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    Österreichs Kanzler Karl Nehammer hat keinen guten Lauf. In den Umfragen fällt seine konservative ÖVP hinter die Rechtspopulisten zurück.
    Österreichs Kanzler Karl Nehammer hat keinen guten Lauf. In den Umfragen fällt seine konservative ÖVP hinter die Rechtspopulisten zurück. Foto: dpa

    Seit Wochen ist von dem Mann, über dessen möglichen Sieg bei der spätestens 2024 anstehenden Nationalratswahl in Österreich allerorts diskutiert wird, kaum etwas zu sehen. Herbert Kickl scheint untergetaucht zu sein. Kaum Interviews, keine nennenswerten öffentlichen Auftritte – stattdessen nutzt der Parteichef der rechten FPÖ in sozialen Netzwerken, vor allem auf Facebook, jede Möglichkeit, um gegen die Regierung des konservativen ÖVP-Kanzlers Karl Nehammer und dessen grünen Juniorpartners Stimmung zu machen. Gelegenheiten bieten sich dem Politiker in Hülle und Fülle: Die Regierung in Wien tritt auf der Stelle – und scheiterte in den vergangenen Wochen an der Lösung drängender Probleme. Dass Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler in den verbleibenden eineinhalb Jahren der laufenden Legislaturperiode wesentlich zur Minderung der multiplen Krisen in der Lage sein könnten, glaubt in der Alpenrepublik nur noch eine Minderheit. 

    Die Koalitionsparteien lähmen sich gegenseitig. Beispiel Wohnen: Hunderttausende Österreicher, vor allem in den Städten, steht dieser Tage eine inflationsbedingte Erhöhung der Mieten ins Haus – und zwar gleich um rund 9 Prozent. Monatelang verhandelten ÖVP und Grüne eine Mietpreisbremse, die auch von Wirtschaftsexperten gefordert wurde – und scheiterten. Stattdessen soll mal wieder eine Einmalzahlung an Betroffene ausgeschüttet werden. Das aber werde die in Österreich ohnehin besonders hohe Inflation noch weiter antreiben, kritisierte der Ökonom Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo. 

    In den Umfragen liegt die FPÖ seit Monaten vorn

    Dass die FPÖ seit Monaten in den landesweiten Umfragen stabil auf Platz eins liegt, hat Kickl längst nicht mehr nur den Themen Corona und Zuwanderung zu verdanken. Die international vergleichsweise hohe Inflation in Österreich wäre eigentlich ein Kernthema der Sozialdemokraten. Doch die SPÖ ist außerstande, das Thema für sich zu nutzen. Die Partei ist seit Wochen in einem offen ausgetragenen, chaotischen Führungsstreit gefangen – und dieser wird sich noch über Monate ziehen. 

    In einer – allerdings nicht bindenden – Mitgliederbefragung soll bis zum 10. Mai die Parteibasis entscheiden, wer die SPÖ künftig führen soll. Über 70 Kandidaten haben sich angemeldet, noch ist unklar, wer von ihnen überhaupt auf dem Stimmzettel stehen wird. Chancen auf den Vorsitz haben neben der amtierenden Parteichefin Pamela Rendi-Wagner deren Hauptwidersacher, Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, sowie der Bürgermeister eine Stadtgemeinde südlich von Wien, Andreas Babler. Letzterer gilt als Hoffnungsträger der Parteilinken, während Doskozil vor allem eine Achse aus Landeschefs und Funktionären hinter sich weiß. Erst Anfang Juni soll auf einem Sonderparteitag geklärt werden, wer die Partei in den kommenden Wahlkampf führen wird.

    Die Altlasten der Ära Sebastian Kurz schaden der ÖVP

    Eine Koalition mit Kickl schlossen übrigens alle drei Hauptkandidaten aus. Im parteiinternen Wahlkampf dreht sich dennoch alles um die Frage, wer die Rechten schlagen – und damit eine Neuauflage einer konservativ-rechten Koalition verhindern könnte. Eine solche wäre zweifelsohne wieder möglich, das zeigt die neue Koalition in Niederösterreich, ihrem Kernland. Die dortige ÖVP-Landeschefin Johanna Mikl-Leitner hatte nach ihrer Wahlschlappe keine Skrupel, einen Deal mit der besonders weit rechts stehenden niederösterreichischen FPÖ zu schließen. Kanzler Nehammer wiederum sprach jüngst in einer Rede von einer "Untergangsapokalypse" aufgrund des Klimawandels, für die es "keine Beweise" gebe – Töne, die man sonst eher aus der FPÖ hört. 

    Auch die Altlasten der massiven Korruptionsaffären rund um Nehammers Vorgänger Sebastian Kurz belasten die ÖVP weiter. Vergangene Woche rückten erneut Staatsanwälte zu Hausdurchsuchungen aus, ihr Ziel: Räumlichkeiten der Zeitung heute, eines der drei großen Boulevardblätter in Österreich. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Herausgeberin Eva Dichand, sowie gegen deren Ehemann Christoph Dichand, Herausgeber der auflagenstärksten Zeitung Krone. Es geht erneut um Korruption, die Dichands sollen mit der Kurz-Regierung Inserate und eine Änderung des Stiftungsrechts gegen wohlwollende Berichterstattung in ihren Blättern verhandelt haben.

    Die FPÖ kann sich im Wahlkampf zurücklehnen

    Sowohl die Redaktion von heute als auch die Dichands weisen die Vorwürfe vehement zurück. Kurz selbst sieht sich abermals als Opfer einer politischen Justiz. Es tritt ein, was Beobachter der Korruptionsaffären seit langem vermutet haben: Die langwierigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sorgen dafür, dass die ÖVP in regelmäßigen Abständen Negativ-Schlagzeilen hinnehmen muss. Herbert Kickl kann sich also zurücklehnen und sich für den bevorstehenden Wahlkampf ausruhen. Seine Partei weiter in Führung zu halten, das erledigt für ihn – ganz bequem – die eigene Konkurrenz.

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