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Österreich: Wie der neue Parteichef die SPÖ retten könnte

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Wie der neue Parteichef die SPÖ retten könnte

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    Jetzt also doch: Andreas Babler ist neuer Vorsitzender der SPÖ.
    Jetzt also doch: Andreas Babler ist neuer Vorsitzender der SPÖ. Foto: Helmut Fohringer, APA/dpa

    Eines vorweg: Was genau auf dem SPÖ-Sonderparteitag in Linz in jener Stunde, in der die Delegierten zur Kampfabstimmung geschritten sind, abgelaufen ist, das konnten die Genossen auch drei Tage später nicht befriedigend erklären. Am Dienstagnachmittag trat eine neue Vorsitzende der Wahlkommission vor die Presse – die bisherige war kurz zuvor zurückgetreten – und erklärte in Beisein eines Notars das am Montag verlesene Ergebnis für richtig. Andreas Babler sei am Samstag mit 317 zu 280 Stimmen zum neuen Parteivorsitzenden gewählt worden, alles habe seine Richtigkeit.

    Die Frage, wie es denn möglich sei, dass eine Stimme einfach gefehlt hatte, konnte die neue Vorsitzende der Wahlkommission nur stammelnd beantworten. Sie sprach von einem „Eingabefehler“ und von einem „Verknüpfungsfehler“, der habe dann bewirkt, dass das Ergebnis einfach umgedreht worden war. Das Desaster der Kampfabstimmung in Linz – es wird wohl weiter ein Mysterium bleiben, vor allem aber hat es Babler den Start gründlich vermiest. 

    Von Aufbruchstimmung kann in der SPÖ keine Rede sein

    Das Aufbruchs-Momentum, das der Traiskirchner Bürgermeister in Linz in einer flammenden Rede unter den Delegierten entfacht hat, ist dahin. Es ist der denkbar schwierigste Anfang für den neuen Mann an der Spitze der SPÖ: Die Partei ist zutiefst verunsichert, die Funktionäre schämen sich in Grund und Boden, ein Umfrage-Plus als Startbonus wird es für Babler wohl eher nicht geben. Die einst so stolze österreichische Sozialdemokratie liegt buchstäblich in Trümmern. 

    Genau diese massive Krise aber, das Chaos und das komplette Scheitern der Parteiinstitutionen, bieten für den neuen Vorsitzenden eine große Chance: Auf dem Trümmerfeld SPÖ kann Babler nun die Partei nach seinen Vorstellungen neu aufbauen. Er will schon im Herbst einen vorgezogenen Parteitag einberufen, der die Strukturen der SPÖ umkrempeln soll. Die Mitglieder und nicht mehr ein paar hundert Funktionäre sollen künftig über Parteivorsitz und über mögliche Koalitionen entscheiden.

    Babler will Sozialdemokraten ihre Würde zurückgeben

    Die Basis, die Babler an die Spitze der Partei getragen hat, soll das neue Machtzentrum werden. Er wolle den Sozialdemokraten ihre Partei und der Partei ihre Würde zurückgeben, sagt er. Er wird die Partei nach links führen und seine Karten, die Genossen trotz rechter bis rechtsextremer Großwetterlage in Österreich wieder zum politischen Erfolg zu führen, sind besser, als sie auf den ersten Blick scheinen mögen. 

    Klar: ÖVP und FPÖ werden alles daran setzen, das Linzer Debakel als „SPÖ-Ibiza“ darzustellen. Aber Babler hat weder mit dem Linzer Wahldesaster noch mit der vorangegangenen Schlammschlacht um den Parteivorsitz etwas zu tun, das wird er auch nicht müde zu betonen. Er ist „unbeschädigt“ und verfügt über das hohe Gut der Glaubwürdigkeit. Mit seinem Linkskurs setzt er genau auf die Themen, die den Österreichern auf den Nägeln brennen: Teuerung, Arbeitszeit, Pflege, Armut. Methodisch verfügt Babler über ein breites Team, viele davon Ehrenamtliche, die Arbeit seiner Social-Media-Mannschaft gilt als exzellent. Der Niederösterreicher weiß um die Macht der sozialen Medien, er setzt auf Kompetenz und Authentizität. 

    In der Partei verfügt er über die volle Unterstützung des mächtigen Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig – ohne Wien kann niemand die SPÖ dauerhaft führen, das weiß auch Babler. Zudem kann er auf große Teile der Gewerkschaft, vor allem aber auf die Frauen in der SPÖ zählen: Diese werden seit Jahren in der Partei übervorteilt, sind wütend ob der Demontage der bisherigen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und dabei selbstbewusst. Babler macht ihnen ein attraktives Angebot, nicht nur was Posten angeht. 

    Das Arbeiterkind Andreas Babler will es mit der FPÖ aufnehmen

    Er setzt nicht nur auf klassische Sozialpolitik, sondern weiß auch um die Wichtigkeit von gesellschaftspolitischen Positionen, ohne die in Österreichs Städten nichts mobilisiert werden kann. Das Arbeiterkind Babler wird es auf einen polarisierten Wahlkampf mit dem FPÖ-Chef Herbert Kickl, der aktuell in den Umfragen führt, anlegen: der extrem Rechte gegen den linken Erneuerer der Sozialdemokratie, der das zurückerkämpfen will, was viele Österreicher schon verloren glauben: gesellschaftlichen Zusammenhalt, Wohlstand für breite Schichten und Stabilität. 

    Hier der rechte Kulturkämpfer, dort der Einiger der Progressiven, das wird Bablers Wahlkampfmotto sein. Dass er als „Marxist“, wie er sich selbst bezeichnet hat, in Zeiten einer massiven Erosion der Mittelschicht nicht mehr zum Bürgerschreck taugt, hat der Erfolg der Kommunisten in Graz und zuletzt in Salzburg gezeigt. Probleme könnten Babler vor allem mögliche Neuwahlpläne von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer bereiten. Die eigene Partei neu aufzubauen und gleichzeitig einen Lagerwahlkampf zu führen, das wäre wohl auch für den krisenerprobten neuen Parteichef eine Nummer zu groß. 

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