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Österreich: Ukraine und Nahost: Van der Bellen rüttelt nicht an Neutralität

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Ukraine und Nahost: Van der Bellen rüttelt nicht an Neutralität

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    Alexander Van der Bellen wurde im Januar zu seiner zweiten Amtszeit als Bundespräsident von Österreich vereidigt.
    Alexander Van der Bellen wurde im Januar zu seiner zweiten Amtszeit als Bundespräsident von Österreich vereidigt. Foto: Markus Schreiber, dpa

    Lange Gänge mit Goldstuck, Spiegelsäle – in den Prunkräumen der Hofburg, da, wo einst die Habsburger-Kaiser residierten, wartet Alexander Van der Bellen schon. Am Vormittag hat der österreichische Bundespräsident bei der Gedenkfeier für die Opfer der Novemberpogrome 1938 gesprochen. Der aktuell auch in Österreich stark zunehmende Antisemitismus ist nicht das Einzige, was dem 79-jährigen Staatsoberhaupt Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Doch wie gewöhnlich gibt sich der Sohn von nach Wien geflüchteten Deutsch-Balten, der in Tirol aufwuchs, betont gelassen und versucht, Optimismus auszustrahlen angesichts von Krisen, Kriegen und auch der innenpolitischen Lage in der Alpenrepublik. 

    Über Innenpolitik will der ehemalige Universitätsprofessor und langjährige Grünen-Politiker aber nicht so ausführlich sprechen, als er sich an diesem Tag mit den Korrespondenten ausländischer Medien unterhält. Viele Fragen hierzu beantwortet Van der Bellen nur im Hintergrund. Vor allem über die aktuelle Erfolgswelle der extrem rechten FPÖ unter Herbert Kickl möchte Van der Bellen lieber nichts in den Zeitungen lesen – in zurückliegenden Interviews hatte er angedeutet, Kickl selbst im Falle eines Wahlsiegs bei den Nationalratswahlen in einem Jahr nicht als Bundeskanzler anzugeloben, wie man das in Österreich nennt. 

    Van der Bellen will lieber nicht über die FPÖ reden

    Der Präsident wirkt ganz so, als wolle er der Welle an Zustimmung für die Freiheitlichen – Kickl führt seit Monaten mit beträchtlichem Abstand die Umfragen an – keinen weiteren Vorschub leisten und der FPÖ keine Angriffsfläche bieten. Stattdessen betont Van der Bellen, der im Januar für seine zweite Amtszeit vereidigt wurde, den Spielraum, den ihm die österreichische Verfassung einräumt. In seinem Amtseid, sagt der Präsident, habe er nicht nur gelobt, getreu den Gesetzen, sondern auch zum Wohle der Österreicher zu agieren. 

    Schon ausführlicher äußert sich Van der Bellen zur Diskussion über die österreichische Neutralität. Die Debatte, ob angesichts der russischen Aggression in der Ukraine und dem Nahost-Konflikt die

    Österreichs Präsident "kein naiver Nostalgiker der Neutralität"

    "Die Neutralität hat sich vor allem in Zeiten des Kalten Krieges bewährt", sagt Van der Bellen. Und: "Ich bin kein naiver Nostalgiker der Neutralität, ich sehe, dass die Welt sich verändert hat, aber: Die Zeit ist noch nicht reif." Nach wie vor sei "die überwiegende Mehrheit der Österreicher von der Neutralität überzeugt", sagt der Präsident. Darüber hinaus bleibt Van der Bellen vage: "Ich persönlich versuche jeden dazu zu bewegen: Lest ab und zu das Neutralitätsgesetz." 

    Das sei nämlich "eines der kürzesten der Republik". Sinngemäß stehe dort, dass sich Österreich zur immerwährenden Neutralität verpflichtet, keine fremden Truppen auf dem eigenen Territorium zu dulden und für die eigene Verteidigung zu sorgen. "Mehr steht da nicht." Und Van der Bellen nimmt in negativer Weise Bezug auf die Schweiz: Diese habe als neutrales Land in der Vergangenheit Waffen auch an Krieg führende Länder, etwa an Italien unter Mussolini, geliefert. "Das ist nicht mein Wunschbild von Neutralität."

    Wie Österreich zur Erweiterung des Schengenraums steht

    Deutlich widerspricht der Präsident dem nach wie vor aufrechterhaltenen Veto Österreichs gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens in den Schengenraum. Er mache kein Hehl daraus, dass er hier eine ganz andere Linie vertrete, sagt Van der Bellen. "Österreich täte besser, seine Investitionen aus Rumänien und Bulgarien zu schützen." Zudem sei man auf die 24-Stunden-Pflegekräfte angewiesen, und diese kämen häufig aus den beiden betroffenen Ländern. Auch sei die Argumentation der ÖVP-geführten Regierung, wonach es darum gehe, illegale Migration über die beiden Länder nach Österreich zu verhindern, unzutreffend. "Diese Migranten kommen nicht aus Bulgarien und Rumänien, sondern aus Ungarn", sagt Van der Bellen. 

    Macht dem Präsidenten die zunehmende Spaltung der österreichischen Gesellschaft Sorgen? Van der Bellen spricht lieber von einer "angeblichen Spaltung", er wisse nicht, wie viel davon nur "Gerede" sei. "Ich sehe eine ganz andere Gefahr", warnt der Präsident und verweist auf die Krise der traditionellen Parteien. In anderen europäischen Ländern, etwa in Italien, würden inzwischen weder konservative noch sozialdemokratische Parteien mehr existieren. 

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