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Österreich: Sebastian Kurz vor Gericht: "Sie wollten mich zerstören"

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Sebastian Kurz vor Gericht: "Sie wollten mich zerstören"

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    Sebastian Kurz am Freitag in Wien. Der frühere österreichische Kanzler bestreitet den Vorwurf der Falschaussage.
    Sebastian Kurz am Freitag in Wien. Der frühere österreichische Kanzler bestreitet den Vorwurf der Falschaussage. Foto: Helmut Fohringer, dpa

    Der blaue Slimfit-Anzug, die „Uniform“ der türkisen Truppe, sitzt ebenso wie die Frisur. Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz lächelt. Er möchte entspannt wirken und bestens gelaunt, als er freitagmorgens zusammen mit seinem engen Vertrauten und ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli auf der Anklagebank im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts Platz nimmt. Es ist der zweite Tag eines Prozesses, der die österreichische Öffentlichkeit in den kommenden Wochen intensiv beschäftigen wird: Der gefallene Star der konservativen ÖVP steht vor Gericht. Der Vorwurf: Falschaussage vor dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. 

    Sebastian Kurz und Thomas Schmid – aus Freunden wurden Feinde

    Im Zentrum der Causa steht einer, der zuerst Kurz‘ Aufstieg engstens begleitet hat – und dessen Handychats später maßgeblich für das vorläufige Ende der politischen Karriere von Kurz gesorgt haben: Thomas Schmid, ehemals Generalsekretär im Finanzministerium und später alleiniger Vorstand der Staatsholding ÖBAG. Ob und wenn ja in welcher Form Kurz involviert gewesen war, als Schmid den ersehnten Posten erhalten hat, ist Gegenstand der Verhandlung. Er sei nur „informiert“ gewesen, hatte Kurz bei seiner Befragung vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss unter anderem gesagt. 

    Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wertete Tausende Nachrichten auf Schmids Handy aus – und sieht in schriftlichen Unterhaltungen zwischen Schmid und Kurz den Beweis, dass Kurz seinem damaligen Paladin den Weg an die ÖBAG-Spitze ermöglicht hat. Kurz und Schmid – aus den ehemaligen engen Mitstreitern sind längst erbitterte Feinde geworden. 

    Bei seiner Befragung am Freitag durch Richter Michael Radasztics schließt sich der Ex-Kanzler voll auf seinen ehemaligen Bewunderer ein. „Schmid hat sich den Job selbst gecheckt“, sagt Kurz an einer Stelle. In seinem Team sei es den Leuten nie um das persönliche Vorankommen gegangen, bei Schmid sei das ganz anders gewesen. Dieser habe immer „sehr auf sich selbst“ geschaut. Und er selbst sei es auch gewesen, der nicht nur die Ausschreibung für den ÖBAG-Spitzenjob „manipuliert“ habe, so Kurz, sondern auch die Aufsichtsratsmitglieder der ÖBAG auf seine Seite gebracht habe – ohne sein, also Kurz’, Zutun. 

    Sebastian Kurz beklagt die aufgeheizte Stimmung im Untersuchungsausschuss

    Vor der Vernehmung macht Kurz ausführlich von seinem Recht gebrauch, ein Eingangsstatement abzugeben. Rund 20 Minuten spricht der Ex-Kanzler über die Oppositionsparteien, die ihm im U-Ausschuss feindselig begegnet seien, über die aufgeheizte Stimmung dort und sein Entsetzen, dass die Befrager im Ausschuss auch jene gewesen seien, die ihn wegen angeblicher Falschaussage bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hätten. „Sie wollten mich zerstören“, sagt Kurz, und: „Angst hat meine Formulierung geprägt.“ 

    Angst nämlich, dass er, wie doch so viele andere ÖVP- und FPÖ-Politiker auch, „in ein Strafverfahren hineingezogen“ werden könnte. Deshalb sei er besonders vorsichtig gewesen vor dem Ausschuss. Die Staatsanwaltschaft habe alles, was er in den Chats mit Schmid geschrieben habe, immer zu seinem Nachteil ausgelegt. Wesentliche, ihn entlastende Nachrichten seien von den Ermittlern nicht in den Strafantrag genommen worden. 

    Als während seiner Einvernahme Tonaufnahmen der U-Ausschuss-Befragung vorgespielt werden, bemüht sich Kurz abermals darzustellen, wie schwierig diese Befragung gewesen sei. Schlecht vorbereitet sei er gewesen, in der Rückschau ein schwerer Fehler. Warum es ihm denn so wichtig sei, über die Stimmung im U-Ausschuss zu sprechen, über die konfrontativen Haltungen und über die unterstellenden Fragen der Oppositionsparteien, wenn er doch wahrheitsgemäß ausgesagt habe, will der Richter wissen. „Weil ich einfach ein ehrliches Gesamtbild abgeben wollte“, sagt der Ex-Kanzler. 

    Kurz fährt offensichtlich eine Doppelstrategie: Einerseits habe er nichts Falsches ausgesagt vor dem Ausschuss, anderseits seien mögliche Ungereimtheiten allein seiner Vorsicht, ja seiner Angst vor strafrechtlicher Verfolgung geschuldet gewesen. Einen sogenannten Aussagenotstand – also eine falsche Aussage aufgrund der Befürchtung, strafrechtlich verfolgt zu werden – kann Kurz nun nicht mehr geltend machen. Dies würde voraussetzen, dass er eine Falschaussage zugibt. „Und sie sagen ja, es stimmt eh alles“, sagt der Richter. Die späteren Fragen des Staatsanwalts beantwortet Kurz größtenteils nicht. 

    Ein Richterspruch wird in einigen Wochen, zumindest aber noch in diesem Jahr, erwartet. 

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