August 2018, in einem Gasthaus an der malerischen südsteirischen Weinstraße: Russlands Präsident Wladimir Putin bittet die damalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl zum Tänzchen. Was dann folgt, ist als zur Ikone gewordenes Bild in die Geschichte eingegangen. Die Braut – die hochrangige Politikerin heiratete an diesem Tag ihren Lebensgefährten – beendet den Tanz mit dem russischen Autokraten mit einem Knicks. Das Foto vom „Kniefall“ Kneissl vor Putin ging um die Welt und ist längst zum Symbolbild für Österreichs Nähe zu Russland im Allgemeinen und die der extremen Rechten im Besonderen geworden.
Ihre Hochzeit wurde für die damalige Außenministerin zum Wendepunkt ihrer Karriere: Wenige Monate später ließ die Ibiza-Affäre die Regierung von Sebastian Kurz mit den Freiheitlichen platzen, damit schied auch Kneissl aus dem Ministeramt aus. In die Regierung geholt hatte die parteilose Außenpolitik-Expertin der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Nach Ibiza manövrierte sich Kneissl immer rasanter ins pro-russische Eck – und sorgt seitdem mit ihren Aussagen für Schlagzeilen und heftige Kritik.
Nun dürfte Kneissl die Konsequenzen aus ihrer Putin-Nähe gezogen haben: Wie am Dienstag die englischsprachige Russian Times berichtete, verlegte Kneissl ihren Wohnsitz in ein kleines Dorf in Russland, fünf Autostunden von Moskau entfernt. Dort fühle sie sich wohl, soll Kneissl laut Spiegel gesagt haben, dort gebe es Ziegen und Hühner auf der Straße. Kneissl sieht sich als Opfer, sie werde in Österreich „politisch verfolgt“ und sei ein „Flüchtling“. Niemand habe sie aufnehmen wollen, wird Kneissl zitiert. Mehr noch: Österreich habe „Russland verraten“. 2020 war Kneissl zuerst nach Frankreich, später in den Libanon gezogen.
Karin Kneissl verteidigt Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine
Schon nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 sprach Kneissl in Interviews davon, dass sie aufgrund ihres Aufsichtsratsmandats im russischen Ölkonzern Rosneft massiven Druck aus Österreich erfahre und „vernichtet“ werden würde. Sie begann eine Zusammenarbeit mit dem in der EU verbotenen russischen Propagandasender Russia Today (RT). Den Aggressionskrieg ihres Vertrauten Putin gegen die Ukraine erklärte Kneissl zur „minimalsten Form der Eskalation“.
Schwer zu glauben, dass Kneissl einst als unbestrittene Koryphäe der Außenpolitik galt. Über ihr Spezialgebiet, den Nahen Osten, den Irak und die arabische Welt insgesamt, sprach Kneissl häufig in österreichischen wie deutschen Medien und Talkshows. Die Expertise der promovierten Juristin und Absolventin mehrerer Top-Universitäten wurde parteiübergreifend geschätzt. Für die extrem rechte FPÖ, deren Regierungsbeteiligung in den Nullerjahren unter ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel international für heftige Kritik und für Sanktionen gegen Österreich gesorgt hatte, kam Kneissls Profil mehr als gelegen: So konnte sich Straches Partei gegen Vorwürfe schützen.
FPÖ fällt durch Nähe zu Moskau auf
Dass die FPÖ damals wie heute eine auch für österreichische Verhältnisse besondere Nähe zu Putins Russland hat, zeigt ein Blick ins Archiv: Nur zwei Jahre nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland reiste die FPÖ-Spitze nach Moskau. Strache, sein damaliger Stellvertreter Norbert Hofer, der EU-Politiker Harald Vilimsky und Johann Gudenus, später neben Strache einer der Hauptprotagonisten im Ibiza-Video, knipsten im Winter 2016 demonstrativ ein Selfie auf dem Roten Platz. Kneissls Förderer Strache hat laut Spiegel für seine ehemalige Ministerin bis heute Sympathien: Er wünsche ihr, dass sie ihr persönliches Glück und ihren „Frieden“ finde.