Der 14. Mai soll sein großer Tag werden. In Graz wird Karl Nehammer auf dem Bundesparteitag der ÖVP endlich auch offiziell als Parteichef gewählt. Rückendeckung soll das dem österreichischen Bundeskanzler geben. Kann er auch gut gebrauchen, schließlich ist seine Partei in der Wählergunst deutlich hinter die Sozialdemokratie zurückgefallen. Seit der Übernahme des Kanzleramts führt Nehammer seine Partei durch einen permanenten Ausnahmezustand: Nicht nur wirken die Korruptionsaffären seines Vorgängers Sebastian Kurz und dessen Entourage noch immer fort – am Dienstag mussten zwei ÖVP-nahe Justiz-Spitzenbeamte dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu ÖVP-Korruption Rede und Antwort stehen. Auch Nehammer selbst sorgte bereits für Negativschlagzeilen.
Schon wieder eine Korruptionsaffäre in Österreich
Das ist zum Beispiel die Affäre rund um Personenschützer des Kanzlers, die nach einem „Umtrunk“ in Nehammers Privatwohnung alkoholisiert einen Unfall verursacht haben sollen. Die Affäre füllte tagelang die österreichischen Boulevardblätter, der Kanzler persönlich rückte zur Pressekonferenz aus, um die Anschuldigungen zu dementieren.
Und kaum ist das mediale Echo über Nehammers eigenmächtige Reise nach Moskau (eingefädelt von Ex-Bild-Chef Kai Diekmann, der Nehammer berät) und das dortige ebenso kurze wie effektlose Gespräch mit Wladimir Putin etwas verebbt, erschüttert im Bundesland Vorarlberg eine Korruptionsaffäre die dortige ÖVP von Landeshauptmann Markus Wallner. Es geht um möglicherweise bis zu eineinhalb Millionen, die über Inserate in Zeitschriften des ÖVP-Wirtschaftsbundes in die Parteikassen geflossen sein sollen. Der Landeshauptmann selbst soll Unternehmer „ermutigt“ haben, Inserate zu bezahlen, im Gegenzug könne dann die „öffentliche Hand“ bei Problemen helfen.
Spekulationen um eine Rückkehr von Sebastian Kurz
In Graz sollen nun also die Wogen in der ÖVP geglättet werden. Umso überraschender ist es, dass sich ausgerechnet Sebastian Kurz als Redner angekündigt hat – ein Schritt, der in der Wiener Politikblase Spekulationen über eine Rückkehr des einstigen konservativen Messias anheizte, der das aber „zu 100 Prozent“ ausschließt. Eigens für Nehammers großen Auftritt verpasst sich die ÖVP – mal wieder – einen neuen Namen: Aus der „Neuen Volkspartei“, wie Kurz seine konservative „Bewegung“ getauft hatte, wird „Die Volkspartei“.
Die Gratwanderung zwischen dem Erbe des „System Kurz“ und einem von Nehammer angestrebten Neuanfang wird auch am Parteilogo beispielhaft: Das Türkis von Kurz tritt in den Hintergrund, ganz verschwindet es jedoch nicht. Genauso verhält es sich mit dem Personal, das der gescheiterte Kurz installiert hat.
Die „türkisen Strukturen“ sind für Nehammer eine parteiinterne Herausforderung und hindern ihn, ein eigenes Profil zu entwickeln. Die Zeitung Kurier und Boulevardmedien spekulierten am Montag darüber, dass der Kanzler deshalb nicht nur die Partei, sondern auch die ÖVP-Ministerriege umbauen will.