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Österreich: Von dieser Frau hängt das Schicksal von Österreichs Bundeskanzler ab

Österreich

Von dieser Frau hängt das Schicksal von Österreichs Bundeskanzler ab

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    Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Bundeskanzler Karl Nehammer im April.
    Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Bundeskanzler Karl Nehammer im April. Foto: Tobias Steinmaurer, dpa

    „Österreich ist ein Labyrinth, in dem sich jeder auskennt“ – der ebenso legendäre wie sinnreiche Satz des Kabarettisten Helmut Qualtinger, eigentlich bezogen auf das politische System der Alpenrepublik insgesamt, trifft umso mehr auf die Kanzlerpartei ÖVP zu. Wer verstehen will, wie die Matrix der Konservativen funktioniert und welche Karten der angeschlagene Bundeskanzler Karl Nehammer für eine Weiterbeschäftigung hat, kommt an einer Frau nicht vorbei: Johanna Mikl-Leitner, einst Innenministerin und seit 2017 erste Landeshauptfrau Niederösterreichs.

    Johanna Mikl-Leitner regiert mit absoluter Mehrheit in Niederösterreich

    Die als leutselig bekannte 58-Jährige führt nicht nur das flächenmäßig größte Bundesland mit absoluter Mehrheit, sondern mit der dortigen Landespartei auch das wohl wichtigste Machtzentrum der österreichischen Konservativen im Bund. Seit sich Sebastian Kurz von der politischen Bühne verabschiedet hat, sind es die ÖVP-geführten Bundesländer, die in Wien den Ton angeben – sie waren es, die sich für den aus der niederösterreichischen ÖVP stammenden Nehammer entschieden haben. Und vor allem Mikl-Leitner ist es, die nun die Weichen für dessen Zukunft stellt.

    Bundeskanzler Karl Nehammer in der österreichischen Botschaft in Moskau. Selbst nach Kriegsbeginn in der Ukraine traf sich der konservative Politiker noch mit Russlands Präsident.
    Bundeskanzler Karl Nehammer in der österreichischen Botschaft in Moskau. Selbst nach Kriegsbeginn in der Ukraine traf sich der konservative Politiker noch mit Russlands Präsident. Foto: Dragan Tatic, dpa

    Ihre Führungsrolle in der schwarzen Länderriege wurde in den vergangenen Wochen durch die – teils überraschenden – Rückzüge der ÖVP-Länderchefs von Tirol und Steiermark verstärkt. In Vorarlberg ist der dortige Landeshauptmann zudem nach einer Inseraten-Affäre fürs Erste untergetaucht. Also tritt Mikl-Leitner offen in die Führungsrolle – und macht klar: Nach kaum einem Jahr im Amt tickt die Uhr für ihren Parteifreund, den Kanzler.

    Kanzler Karl Nehammer hat bisher nicht für Ruhe in Wien sorgen können

    Nehammer liefert nicht, was die Niederösterreicherin sich vorstellt: Ruhe und Stabilität im Bund, und vor allem ein Ende des Abwärtstrends der ÖVP in den Umfragen. Noch nie seit 1945 war das Vertrauen der Österreicher in eine Regierung so schwach, und auch Nehammers persönliche Werte sind verheerend. Angesichts der hohen Energie- und Lebensmittelpreise stellte sich Mikl-Leitner nicht etwa hinter „ihren“ Kanzler, sondern machte mit der Ankündigung eines eigenen, landesweiten Energiepreis-Unterstützungsmodells die Planlosigkeit der Regierung offensichtlich. Öffentlich forderte sie von Nehammer und dessen Koalition mit den Grünen „mehr Führungsqualitäten“ ein. „Gelernte Österreicher“ wissen, was das bedeutet: Ist ein ÖVP-Kanzler einmal derart öffentlich vom eigentlichen Machtzentrum bloßgestellt, hängt sein Job am seidenen Faden.

    Schon werden erste Namen als potenzielle ÖVP-Kanzler gehandelt

    Meist ist es dann nur noch eine Frage der Zeit, bis der in Ungnade Gefallene ersetzt wird. Mikl-Leitner eröffnete durch ihre Angriffe auf den Kanzler den Spekulations-Reigen in den Medien: Längst würden in der Parteizentrale Nachfolge-Pläne geschmiedet, hoch im Kurs soll Finanzminister Magnus Brunner stehen, dieser solle den Schlussstrich unter die „Ära Kurz“ und die Skandale ziehen, ist etwa zu lesen. Die politmediale Blase in Wien diskutiert längst nicht mehr darüber, wie lange sich Nehammer noch im Kanzlersessel wird halten können, sondern über die Frage, ob die Grünen als Koalitionspartner einen vierten Kanzler innerhalb von drei Jahren überhaupt noch mittragen würden. Zwischen Kurz und Nehammer hatte ja auch noch Alexander Schallenberg das Amt vorübergehend inne.

    Die öffentliche Kritik Mikl-Leitners an Nehammer hat aber auch banale wahltaktische Gründe. Schließlich muss die zweifache Mutter im kommenden Frühjahr ihre absolute Mehrheit verteidigen – aktuell stehen ihre Chancen nicht besonders gut. Fällt die ÖVP in Niederösterreich unter 40 Prozent, hätte dies entsprechende Auswirkungen auf die ÖVP-Wählerschaft auf Bundesebene. Gut möglich also, dass Nehammers Amtszeit noch vor dem Wahltermin in Niederösterreich beendet wird.

    Die "Hanni" eifert ihrem Mentor Erwin Pröll nach

    Sich am „eigenen“ Kanzler abzuarbeiten, durch die Gemeinden touren, Bürgernähe zeigen – dieses Rezept ist nicht die Erfindung von „Hanni“, wie Mikl-Leitner sich auch selbst nennt. Sie hat es von einem der gewieftesten Machtpolitiker gelernt – einem, der ebenso wie sie während seiner Ära in der Bundespartei „seine“ Parteichefs installierte. Doch anders als ihr Vorgänger und Mentor Erwin Pröll, der über zwei Jahrzehnte wie ein Fürst in St. Pölten regierte und der Bundespartei auch inhaltlich sagte, wo es lang zu gehen habe, geht Mikl-Leitner mit ihrer Macht bedächtiger um. Solange im Bund Ruhe herrschte, hielt sich die Landeshauptfrau mit Querschüssen zurück. Damit dürfte nun Schluss sein: Für die ÖVP und für ihr niederösterreichisches Zentrum steht alles an angehäufter Macht auf dem Spiel.

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