Die Europäische Union will sich unabhängig von russischem Öl machen – allerdings noch nicht so schnell. So lässt sich der Vorschlag der EU-Kommission für ein Öl-Embargo verstehen, den ihre Präsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch präsentiert hat. Es ist Teil des sechsten Sanktionspakets – und wäre zugleich die bislang schärfste Maßnahme gegen Moskau.
Es gehe, sagte von der Leyen, um ein vollständiges Einfuhrverbot für russisches Öl, ob auf dem Seeweg oder in der Pipeline, ob Rohöl oder raffiniert. „Wir werden dafür sorgen, dass wir uns geordnet von russischem Öl verabschieden.“ Damit verwies sie auf die lange Übergangszeit, die den EU-Ländern eingeräumt wird. Denn russische Rohöllieferungen sollen erst in sechs Monaten und Ölprodukte erst Ende des Jahres auslaufen. Hinzu kommen offenbar Ausnahmeregelungen für besonders betroffene Länder.
Ungarn und die Slowakei träfe es besonders hart
„Auf diese Weise maximieren wir den Druck auf Russland und halten gleichzeitig Kollateralschäden für uns und unsere Partner weltweit möglichst gering“, sagte von der Leyen. Noch müssen die Mitgliedstaaten dem Entwurf zustimmen. In einigen Hauptstädten regte sich aber nicht erst in den vergangenen Tagen Widerstand. Zwar hatte die Brüsseler Behörde bereits befürchtet, dass die seit der Invasion Russlands viel gepriesene Einigkeit beim sechsten Sanktionspaket bröckeln könnte, am Ende aber fiel die Gegenwehr einiger Länder offenbar stärker aus als angenommen.
Da ist zum einen die Sorge vor Versorgungslücken und wirtschaftlichen Risiken. Zum anderen fürchten manche Regierungen die Wut der Bürger über steigende Energiepreise. Im Fokus standen aber vor allem zwei Länder, die besonders stark von russischem Öl abhängig sind: Ungarn und die Slowakei. Sie sträubten sich lautstark gegen den Boykott. Deshalb sollen die beiden Länder nach bislang unbestätigten Berichten ihre Importe noch bis Ende 2023 fortsetzen dürfen. Konkret äußerte sich von der Leyen dazu nicht. Ungarn ließ derweil verlautbaren, dass der Vorschlag keine solche Garantien enthalte. Ohne eine Ausnahme aber würde man ein Veto einlegen, kündigte Budapest an. Damit stünde das Sanktionspaket vor dem Aus.
Auch drei russische Banken sind von den Sanktionen betroffen
In Brüssel ist es vor allem eine Frage, die Beobachter umtreibt: Was bringt ein Embargo, wenn es erst in sechs bis acht Monaten greift? Dann also, wenn – so die Hoffnung im Westen – der Krieg zu Ende sein könnte und damit auch die Strafmaßnahmen gestrichen sein könnten? Anfang der Woche erst hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck vor „Preissprüngen“ gewarnt. Man werde eine höhere Inflation, höhere Energiepreise und eine Belastung der Wirtschaft haben, prognostizierte der Grünen-Politiker.
„Die Zukunft der Europäischen Union wird auch in der Ukraine geschrieben“, verteidigte von der Leyen die Maßnahmen gegen Russland. Neben dem Ölboykott verkündete sie noch Sanktionen gegen die größte russische Bank, die Sberbank, und zwei weitere Geldinstitute. Sie werden vom internationalen Zahlungsnetzwerk Swift ausgeschlossen. Zudem werden drei TV-Kanälen die Sendefrequenzen in der EU gestrichen, die laut von der Leyen als „Sprachrohre Putins“ seine Lügen und Falschinformationen zum Ukrainekrieg verbreiteten.
Schließlich verkündete sie Sanktionen gegen 58 weitere Personen. Zu ihnen gehören der Putin-treue Patriarch Kyrill I., Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sowie Angehörige des russischen Militärs, denen etwa die Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha zugeschrieben werden. „Wir wissen, wer Sie sind, und Sie werden zur Verantwortung gezogen“, sagte die Kommissionschefin.