Er hat es noch drauf: Den coolen Auftritt, das verschmitzte Lächeln, die selbstironische Einführung seiner Person. Es dauert keine Minute, bis Barack Obama die riesige Arena in seinen Bann geschlagen hat. Mit einem frenetischen Jubelsturm haben die 20.000 Gäste des demokratischen Parteitags den Ex-Präsidenten begrüßt. „We love you!“, rufen die Delegierten ihm nun zu.
Für den 63-Jährigen ist der Auftritt am Ende des zweiten Tages der Convention ein Heimspiel. Chicago ist seine Heimatstadt. Hier hat er geheiratet und lange gelebt. Hier wird nun das Presidential Center zur Erinnerung an seine Regierungszeit gebaut. Doch Obama ist nicht um seiner selbst willen gekommen. Er will die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris unterstützen. Und er will seinen Parteifreunden ein paar Gedanken mit auf den Weg geben. Anfeuern muss er sie wahrlich nicht.
Am Vortag noch war der amtierende Präsident Joe Biden von vielen Rednern gewürdigt worden. Am Dienstag kommt er tagsüber schon gar nicht mehr vor. So fällt es auf, dass Obama zu Beginn seines halbstündigen Vortrags den 81-Jährigen ausdrücklich erwähnt. Er lobt seine Empathie und seinen Anstand, nennt ihn einen „herausragenden“ Staatschef und betont, er sei stolz, ihn seinen Freund nennen zu können.
Nun aber sei „die Fackel weitergereicht worden“, macht Obama dann ebenso abrupt wie nüchtern einen Punkt. Über die Umstände von Bidens Rückzug verliert er kein Wort. Hartnäckig halten sich in den USA die Gerüchte, dass Obama nicht ganz unbeteiligt war an dem Druck, der auf den Präsidenten ausgeübt wurde.
Barack Obama ist befreundet mit Vizepräsidentin Kamala Harris
Doch das ist Geschichte. Nun geht es um Kamala Harris. Mit der ist Obama persönlich befreundet. Die Verbindung geht zurück auf den Winter 2007, als die damalige Bezirksstaatsanwältin von San Francisco bei eisigen Temperaturen im Bundesstaat Iowa Haustürwahlkampf für den noch wenig bekannten Präsidentschaftsbewerber machte. Sieben Jahre später bot Obama der Frau, die er „verdammt schlau“ nannte, den Posten der Justizministerin an. Doch Harris wollte damals noch in Kalifornien bleiben.
Nun, zeigt sich Obama überzeugt, sei die 59-Jährige „reif für den Job“. Er kontrastiert sie mit Donald Trump, der sich nur für sich interessiere und zählt auf, wie sich Kamala als Staatsanwältin für die Opfer von sexueller Gewalt eingesetzt und gegen profitgierige Banken vorgegangen sei. Das ist in Videoeinspielungen auf diesem Parteitag schon öfter hervorgehoben worden. Irgendwie bleibt Obamas Würdigung erstaunlich unpersönlich. Das mag daran liegen, dass Harris ihr Privatleben abschirmt. Oder dass Obama sich hier in einer anderen Rolle sieht – in der des Elder Statesman.
Mit ein paar deftigen Seitenhieben gegen Trump hat seine Rede begonnen. Doch dann wird es immer grundsätzlicher und professoraler. Vielleicht nimmt sich der brillante Redner absichtlich zurück, um Harris auf diesem Krönungsparteitag nicht die Show zu stehlen. Vielleicht ist es ihm aber auch einfach wichtig, seine Gedanken auszubreiten, wie das zerrissene Land wieder zusammengeführt werden kann. Vielleicht will er den schwindelerregenden Hype nicht weiter befeuern.
Was Obama ausbreitet – die Sorge um die Mittelschicht, eine Gesellschaft mit gleichen Chancen für allen und der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen – klingt sehr ähnlich wie das Narrativ, das Harris gerade entwickelt. Der Ex-Präsident war unter den ersten, mit denen die Kandidatin nach dem Rückzug von Joe Biden telefonierte. Es ist wohl kein Zufall, dass die sie bei ihrer Kampagne wie ihr ebenfalls schwarzer Vorgänger im Jahr 2008 das Schlagwort „Hope“ (Hoffnung) betont und einen dezidiert optimistischen Grundton anschlägt.
Michelle Obama wird beim Parteitag der Demokraten in Chicago begeistert begrüßt
Unmittelbar vor Obama hat seine Frau Michelle gesprochen, die von den Delegierten mindestens so begeistert begrüßt wird. Und interessanterweise wird die Frau, die ausdrücklich keine Politikerin sein möchte, wesentlich konkreter. Sie wirft Trump vor, „hässliche, frauenfeindliche und rassistische Lügen“ zu verbreiten und Menschen bewusst einzuschüchtern. Und sie spricht eine klare Mahnung an den Parteitag aus: „Ganz gleich, wie gut wir uns heute oder in den nächsten Tagen fühlen: Das wird ein harter Kampf.“
Das Rennen um das Weiße Haus sei nicht alleine von Kamala Harris zu gewinnen: „Es ist die Aufgabe von uns allen, uns gegen Dunkelheit und Spaltung zu stellen“. Vor acht Jahren, auf dem Nominierungsparteitag von Hillary Clinton, hatte Michelle Obama in den Saal gerufen: „When they go low, we go high“ (Wenn die anderen an niedere Instinkte appellieren, zeigen wir, was Anstand ist). Das war gut gemeint aber irgendwie auch ziemlich elitär und in den folgenden vier Jahren der Trump-Präsidentschaft recht wirkungslos gewesen.
Michelle Obama betont: „Unser Schicksal liegt in unserer Hand“
Auf der Bühne in Chicago ändert die populäre frühere First Lady nun deutlich ihren Ton. „Wenn sie über sie (Kamala Harris, d. Red.) lügen – und das werden sie, müssen wir etwas dagegen tun“, fordert sie die Delegierten auf: „Wenn wir eine schlechte Umfrage sehen – und das werden wir – müssen wir zum Telefonhörer greifen und etwas unternehmen. Wenn wir müde werden, müssen wir uns Wasser ins Gesicht spülen und etwas machen.“
„Unser Schicksal liegt in unserer Hand“, ruft Michelle Obama eindringlich in die Halle. Die Delegierten scheinen verstanden zu haben. „Macht was!“, schallt es tausendfach zurück.
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