Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

NSU-Prozess: Pressestimmen zur Platz-Verlosung: "Lächerlich", "bizarr", "absurd"

NSU-Prozess

Pressestimmen zur Platz-Verlosung: "Lächerlich", "bizarr", "absurd"

    • |
    In zehn Plastikkästen wurden die Loszettel für die Vergabe der Pressearbeitsplätze im NSU-Prozess in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Der Ärger über die Ergebnisse der Verlosung äußern sich heute in vielen Kommentaren. Hier Pressestimmen.
    In zehn Plastikkästen wurden die Loszettel für die Vergabe der Pressearbeitsplätze im NSU-Prozess in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Der Ärger über die Ergebnisse der Verlosung äußern sich heute in vielen Kommentaren. Hier Pressestimmen. Foto: Peter Kneffel (dpa)

    Im NSU-Prozess werden etliche überregionale Zeitungen nicht direkt aus dem Gerichtssaal berichten können. Sie waren bei der VErlosung der Presseplätze leer ausgegangen. die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte ebenso wenig Glück wie die "Zeit", die "taz" oder die "Welt". Dagegen sind türkische und griechische Medien diesmal dabei.

    Das Echo auf das Ergebnis der Platzverlosung fiel heute recht eindeutig aus: In Kommentaren und Pressestimmen ernteten Gericht und Verfahren überwiegend harsche Kritik. Hier ein Überblick:

    "Das Ergebnis ist lächerlich. Einen Platz am braunen Sumpf hat jetzt die polnischsprachige Redaktion von 'Radio Lora München', die  den Stand der Germanistik auf den polnischen Universitäten mit der  Polonistik auf deutschen Hochschulen vergleicht. Am Catwalk sitzt  die 'Brigitte', für eine kleine Stilkritik von Beate Zschäpe. Vom  Prozess berichtet 'Münchens Hit-Radio Charivari', 'Ebru TV',  'Hallo-München.de', 'Radio Lotte Weimar', und bei allem Respekt: Da  stimmt was nicht. " Tagesspiegel

    "Es kann nicht sein, dass Medien, die ernsthaft und mit tiefer Recherche seit Jahren über den Fall NSU berichten, nun außen vor bleiben sollen, während Radiosender wie TOP FM einen garantierten Platz im Gerichtssaal haben – in jenem Saal, in dem einer der wichtigsten Terror-Prozesse der Bundesrepublik verhandelt wird. (...) Das Münchner Oberlandesgericht hat immer noch nicht verstanden, wie wichtig es ist, besonders in diesem Verfahren so offen und transparent wie möglich vorzugehen." Welt.de

    "Weltfremd und nicht sachgerecht"

    "Die Ziehung der Presseplätze für den NSU-Prozess mag noch so korrekt verlaufen sein: Die Kontingente, die Beschränkungen des Verfahrens sind weltfremd und nicht sachgerecht. " FAZ

    "Ein großer Tag für Radio Lotte aus Weimar, mal  wieder ein ganz schlechter Tag für den Prozess gegen die Terrorgruppe NSU. Der bis 29. April eher unbekannte Sender hat einen festen Platz  für die Berichterstattung aus dem Gerichtssaal - im Gegensatz zu  Medien wie der FAZ, der Welt oder auch der taz. (...)  Das blamable Schauspiel um die Vergabe der  Berichterstattungsplätze ist genau das, was im Vorfeld dieses  Prozesses nicht hätte passieren dürfen." Mittelbayerische Zeitung

    "Ohnehin ist bislang der Eindruck entstanden, dass sich nicht wenige das Falsche vom Prozess erwarten. Das Oberlandesgericht kann dem Bundestag und den Landesparlamenten weder die Aufarbeitung des Versagens der Ermittlungsbehörden abnehmen, noch die durch dieses Versagen geschlagenen Wunden heilen" Der neue Tag

    NSU-Prozess: Nochmaligen Verschiebung schwer erträglich

    "Während öffentlich-rechtliche Sender gleich  mehrfach vertreten sind, bleiben alle überregionalen deutschen  Tageszeitungen ausgesperrt. Ein großes Ärgernis. Wenn deren Verlage  nun juristische Schritte prüfen, lässt sich das zwar gut verstehen.  Aber erneute Klagen könnten auch zu einer nochmaligen Verschiebung  des Prozessauftakts führen. Diese Situation wäre nur schwer  erträglich " Neue OZ

    Die juristische Aufarbeitung der NSU-Morde

    Der Prozess: Er begann im Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht München und kann, so wird geschätzt, bis zu zweieinhalb Jahre dauern.

    Die Angeklagten: Auf der Anklagebank sitzen die 38-jährige, in Jena geborene mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe sowie vier Helfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).

    Die Anklage: Dem NSU werden zehn Morde in den Jahren 2000 bis 2007 angelastet. Acht der Opfer waren türkischer Abstammung, ein Mann war Grieche.

    Letztes Opfer war die Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter.

    Alle wurden kaltblütig erschossen, aus nächster Nähe. Hinzu kamen zwei Sprengstoffanschläge mit 23 Verletzten.

    Die mutmaßlichen Täter und NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die sich kurz vor ihrer Festnahme töteten, entkamen immer unerkannt.

    Beate Zschäpe, so die Anklage, soll Mitglied der Terrorgruppe gewesen sein.

    Das Gericht: Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts wird auch Staatsschutzsenat genannt. Er ist mit fünf Berufsrichtern besetzt.

    Der Senat ist zuständig bei Anklagen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Offenbarung von Staatsgeheimnissen.

    2012 hatte er zum Beispiel einen Freispruch gegen einen Journalisten aufgehoben, der den Schauspieler Ottfried Fischer mit einem Sex-Video zu einem Interview genötigt haben soll.

    Außerdem werden dort sämtliche Terrorprozesse in Bayern verhandelt. Der Strafsenat verhandelt auch Revisionsverfahren.

    Der Vorsitzende: Richter Manfred Götzl hat seine Karriere 1983 als Staatsanwalt begonnen. Er ist dafür bekannt, dass er sich strikt, fast bürokratisch an Regeln hält.

    In sieben Jahren als Schwurgerichtsvorsitzender kassierte der Bundesgerichtshof nur ein einziges seiner Urteile.

    Nebenkläger: Das Gericht hat 71 Nebenkläger eingeplant, darunter vor allem Angehörige der Mordopfer. (dpa/AZ)

    "Richter Götzl wollte offensichtlich dem guten Rat des Verfassungsgerichts nicht folgen, sondern lieber seinen eigenen Kopf durchsetzen. Es war ein Fehler von ihm, die Anfälligkeit des Prioritätsprinzips nicht erkannt zu haben. Doch mit dem von ihm gewählten Losverfahren hat er das große Los auch nicht gezogen. Kein gutes Vorzeichen für den am kommenden Montag beginnenden Prozess."Spiegel Online

    "Die Justiz ist nicht  sakrosankt, nicht einmal die bayerische. Sie besteht aus Menschen,  denen Fehler unterlaufen, und es ist keine Respektlosigkeit oder gar  ein Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit, wenn diese Fehler  beim Namen genannt werden. (...) Wozu  dieser ganze neue Ärger? Drei zusätzliche Stühle für türkische  Journalisten hätten ausgereicht, um die Vorgaben des  Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen. Die Münchner Richter haben es  vorgezogen, zu reagieren wie beleidigte Leberwürste. " Schwäbische Zeitung

    "Bei diesem Gericht kann einem angst und bange werden"

    "Von nun an kann, nein muss es bergauf gehen. Erwartet wird nichts weniger als ein fair und konzentriert geführter Jahrhundertprozess, der darlegt, wie junge Menschen dazu kommen konnten, als rechte Terrorgruppe gezielt unschuldige Ausländer mitten in Deutschland umzubringen. (...) Bei diesem Gericht allerdings kann einem da angst und bange werden. " Lausitzer Rundschau

    "Der NSU-Prozess, der wohl einer der wichtigeren in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte werden wird, beginnt so mit einer schweren Hypothek. Um sie abzutragen, muss das Münchner Oberlandesgericht nun im Verfahren jene Souveränität zeigen, die es im Vorfeld so spektakulär vermissen ließ. " Donaukurier

    " Mit der Verlosung von 50 Presseplätzen beim  NSU-Prozess verhält es sich wie mit der Demokratie selbst: Sie ist  nicht optimal, aber es gibt auch nichts Besseres. " Westfalen-Blatt

    "Ebru TV statt Die Zeit, Radio Lora statt Deutschlandfunk"

    "Nun also Ebru TV statt Die Zeit, Radio Lora statt Deutschlandfunk. Wie lustig. Wie witzig. (...) Die selbstgefällige, schenkelklopfende gute Laune bei der Verkündung der Ergebnisse war der Tiefpunkt der Stillosigkeiten, die sich das Oberlandesgericht München bisher geleistet hat. Die der Kammer schon eine Rüge vom Verfassungsgericht eingetragen und mehr noch, eine nationale und internationale Blamage ersten Ranges beschert haben. Ehe überhaupt die Anklage verlesen ist." Trierischer Volksfreund

    "Jetzt ist gelost worden, dieses Verfahren ist im Einzelfall ungerecht, in der Gesamtheit dennoch angemessen. Nun liegt es an den Medien, die Prozessberichterstattung sinnvoll zu gestalten. Es ist fruchtlos, sich darüber zu echauffieren, welcher Mini-Sender und welches Anzeigenblatt einen Platz im Gericht bekommen haben. " Südwest-Presse

    "Da schaut die Welt auf ein Verfahren, in dem über eine braune Terrororganisation geurteilt wird, die ein Jahrzehnt lang in Deutschland ihr Unwesen treiben und ungehindert Morde aus rassistischen Gründen begehen konnte. Doch statt der Agentur Reuters oder der überregionalen "Zeit" berichten "Brigitte"-Redakteure oder Radio Lotte Weimar womöglich zwischen Jingle und Werbeblock direkt aus dem Prozess. Das ist schon ein bisschen bizarr - wie dieser ganze Anmeldungsspuk" Neue Presse

    Fall zeigt Absurdität des  Losverfahrens

    "Das Oberlandesgericht München hat sich das selbst zuzuschreiben: Es  hat nicht wahrgenommen, dass dieser Prozess jenseits des Juristischen auch eine politische Dimension besitzt. Dass er einer Gesellschaft  zur Aufarbeitung eigenen Versagens dient. Ein angemessen großer  Gerichtssaal wäre die Königslösung gewesen." Ostsee-Zeitung

    "Die Frauenzeitschrift "Brigitte" hat einen  Journalistenplatz im NSU-Mordprozess ergattert, überregionale  Zeitungen wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die "Welt" oder  auch die "taz" gingen leer aus. Das zeigt die Absurdität des  Losverfahrens für die Berichterstattung über einen in der deutschen  Nachkriegsgeschichte bislang einmaligen Prozess." Berliner Morgenpost

    "Viele Medien sind beim Akkreditierungs-Lotto leer ausgegangen. Dafür sind etliche mit Plätzen bedacht worden, die sich noch nie mit Rechtsterrorismus oder ernsthafter Gerichtsberichterstattung beschäftigt haben. Die Liste liest sich in Teilen wie eine Farce. Man schämt sich." Süddeutsche Zeitung

    " Das Akkreditierungsverfahren ist seit gestern  beendet. Der Verdruss wird bleiben."" Frankfurter Rundschau

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden