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Notfallplan Gas: Habeck ruft Gasnostand aus - Kostenhammer kommt später

Energiepreise

Habeck ruft Gasnotstand aus, doch der Kostenhammer kommt erst später

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    Robert Habeck spricht bei einem Pressestatement zur Energie und Versorgungssicherheit.
    Robert Habeck spricht bei einem Pressestatement zur Energie und Versorgungssicherheit. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Jetzt ist es amtlich. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat es verkündet. Auf die Menschen in Deutschland kommen extreme Energiepreise zu. Und das ist noch das beste Szenario. Denn wenn es schlecht läuft, müssen die Fabriken im Winter heruntergefahren werden, damit die Leute zu Hause nicht frieren. „Wir sind in einer Gaskrise. Diese Belastung ist ein externer Schock“, sagte Habeck bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.

    Deshalb hat der Grünen-Minister die Alarmstufe Gas ausgerufen, die zweite von drei Notfallstufen. Ein ehemaliges Regierungsmitglied, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt: „Eine Verzehnfachung der Preise ist möglich.“ Schon heute liegen die Preise viermal über dem Durchschnitt des vergangenen Jahres.

    Schon heute ist Gas teurer als vor dem Krieg in der Ukraine

    Die Verbraucher und die Unternehmen zahlen schon jetzt deutlich höhere Abschläge an ihre Energieversorger als vor dem Krieg. Doch es könnte noch viel schlimmer kommen und vieles spricht dafür. Denn durch die Ausrufung der Alarmstufe ist die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Wirtschaftsminister Paragraph 24 des Energiesicherungsgesetzes zieht. Er erlaubt Energiekonzernen und Stadtwerken, die bestehenden Vertragsbedingungen außer Kraft zu setzen und die hohen Preise direkt an die Kunden weiterzureichen.

    Bislang kommt die Kostenexplosion gestreckt bei den Verbrauchern an, weil die Verträge schrittweise angepasst werden. Weil der Gaseinkauf derzeit sehr teuer ist, könnte das die Unternehmen finanziell überfordern, wenn sie die Belastungen nicht weiterreichen dürfen. Geht ein Gasimporteur in die Knie, kann das Unternehmen die Stadtwerke nicht bedienen, die bei ihm Gas gebucht haben. Habeck sprach von einem Lehman-Moment und meinte damit die fatale Pleite der ehemaligen US-Investmentbank im Jahr, die die Weltfinanzkrise auslöste.

    Das Gas wird im Winter in Deutschland nicht reichen

    Der Brennstoff ist deshalb so kostspielig, weil Deutschland und Europa zu wenig davon haben. Die Berechnungen von Habecks Fachleuten zeigen, dass das Gas in den kalten Monaten nicht reichen wird. Der Grund: Russland hat die Lieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 gedrosselt, so dass weniger Gas in die Speicher fließt. Die Russen begründen das mit Ertüchtigungen an Turbinen, der Vize-Kanzler hält das für eine Lüge. „Die Drosselung der Gaslieferungen ist ein ökonomischer Angriff Putins auf uns“, erklärte er. Es sei Putins Strategie, Unsicherheit zu schüren, die Preise zu treiben und uns als Gesellschaft zu spalten.

    Wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine will sich Deutschland von den Energielieferungen des Kremls lösen. Während es bei Kohle gelingt, ist es bei Öl und Gas viel schwieriger. Nur wenn Russland wieder mehr des Rohstoffs über Nord Stream 1 schickte, könnte sich die Lage entspannen. Ob Putin das tut, weiß in Berlin keiner. Angenommen wird aber das Schlimmste. Denn am 11. Juli wird der Betrieb der Röhre planmäßig für umfangreiche Wartungen komplett eingestellt. In der Vergangenheit hat das zehn Tage gedauert, aber natürlich ist es wegen des Wirtschaftskrieges mit Russland möglich, dass sich die Arbeiten aus politischen Gründen verzögern.

    Die geringeren Lieferungen aus Russland lassen sich mit Gas aus Norwegen und Amerika nicht ausgleichen

    Weil andere Erdgasexporteure wie Norwegen und Amerika ihre Förderung kurzfristig nicht so stark ausweiten können, um das geringere Volumen aus Russland auszugleichen, bleibt in Deutschland nur eine Variante. Der Gasverbrauch muss durch Sparen sinken. Das Wirtschaftsministerium kalkuliert mit 20 Prozent, die es nötig sind, um im Winter einen akuten Mangel zu vermeiden. Damit das gelingt, werden bald wieder alte Kohlekraftwerke angeworfen, damit weniger Gas in der Stromversorgung verbrannt wird. Industriebetriebe sollen außerdem ihre Produktion vermindern und die frei werdenden Gasmengen in einer Auktion anbieten.

    Dafür bekommen sie dann Geld. Habeck rief die Verbraucher noch einmal eindringlich auf, Energie zu sparen. Wenn jeder der 41 Millionen Kleines tue, summiere sich das zu einem merklichen Effekt. Er versprach, dass der Staat den Menschen und den Unternehmen helfen werde. „Daher werden wir in der Bundesregierung über weitere Entlastungsmaßnahmen beraten.“ Der Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und FDP hat dazu am Mittwochabend noch keine Beschlüsse gefasst.

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