Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Alarmstufe ausgerufen, die beim Notfallplan Gas möglich ist. Die Eskalationsstufe tritt wegen der angespannten Lage auf den Gasmärkten in Kraft. Habeck erklärte seine Entscheidung am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Zwar sei die Versorgung "aktuell gewährleistet", der 52-Jährige warnte aber davor, dass sich Deutschland in falscher Sicherheit wiegt: "Wir müssen jetzt die Vorsorge treffen, um im Winter vorbereitet zu sein."
Habeck warnt: "Wir sind in einer Gaskrise"
Habeck nahm kein Blatt vor den Mund und nannte die Lage "ernst". Russlands Präsidenten Wladimir Putin unterstellte er Kalkül: "Die Drosselung der Gaslieferungen ist ein ökonomischer Angriff auf uns." Dass der Preis für Gas bald wieder sinke, hält Habeck auch deswegen für "wenig wahrscheinlich".
Der Bundeswirtschaftsminister warnte daher: "Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen. Das ist kein Spiel".
Notfallplan Gas: zweite Stufe ausgerufen – Preisanpassungsklausel soll nicht aktiviert werden
In Deutschland gilt seit Ende März die erste Stufe des Notfallplans, die als Frühwarnstufe bezeichnet wird. Die Alarmstufe stellt die zweite Stufe dar, bei noch beunruhigenderen Entwicklungen wäre auch noch die Ausrufung der Notfallstufe möglich, der dritten und extremsten Stufe. Es war durchaus zu erwarten, dass Habeck die zweite Eskalationsstufe zündet, aber der frühe Zeitpunkt überrascht dann doch.
Auf Verbraucher und Unternehmen könnten nun deutlich spürbare Konsequenzen zukommen. Die Preisanpassungsklausel soll von der Bundesnetzagentur aber noch nicht aktiviert werden. Diese ermöglicht es den Versorgern, höhere Preise direkt an die Kunden weiterzureichen. Reuters schreibt, dass die Regulierungsbehörde eine "erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen" nicht feststellen würde, die es zur Aktivierung bräuchte.
Verringerung der Erdgaslieferungen aus Russland als Grund
Hintergrund für den Notfallplan Gas und das Ausrufen der Alarmstufe ist die drastische Verringerung der Erdgaslieferungen aus Russland. In der letzten Woche soll rund 60 Prozent weniger Gas durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 geflossen sein. Am 11. Juli steht nun auch noch eine Wartung der Pipeline an, die zehn Tage für eine weitere Belastung sorgen könnte. Bei Wartungen konnte in den letzten Jahren auf die Reserven in Gasspeichern zurückgegriffen werden. Dann würden sich allerdings die Reserven für den Winter reduzieren.
Die Bundesregierung plant unterdessen, mehr Kohle-Kraftwerke ans Netz zu holen. Dadurch soll der Verbrauch an Gas im Stromsektor reduziert werden. Die Ausrufung der Alarmstufe im Notfallplan Gas ist dafür eine Voraussetzung. Am 8. Juli soll das Ersatzkraftwerke-Bereithaltungsgesetz durch den Bundesrat gehen und dann schnell greifen.