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Notarzt: Die Notfallversorgung in Deutschland ist selbst ein Notfall

Notarzt

Die Notfallversorgung in Deutschland ist selbst ein Notfall

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    Die Not der Nothelfer: Die Rettungsdienste beklagen einen eklatanten Personalmangel bei immer mehr Einsätzen.
    Die Not der Nothelfer: Die Rettungsdienste beklagen einen eklatanten Personalmangel bei immer mehr Einsätzen. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Das Versprechen steht: Zwischen zehn und 15 Minuten soll es maximal dauern, bis im Notfall ein Rettungswagen zur Stelle ist. Die Bestimmungen in den Bundesländern unterscheiden sich leicht, doch allen gemein ist eines: dass sie inzwischen gebrochen werden. „Die Überlastung des Rettungsdienstes und Fehlsteuerungen im System haben den Rettungsdienst bundesweit in die Krise geführt“, warnt das „Bündnis pro Rettungsdienst“, das sich unter dem Druck von Überlastung und Berufsflucht in der Branche gerade gegründet hat. In Berlin starb vor einigen Tagen ein Mädchen nach einem Busunfall, die Notfallambulanz traf erst nach 20 Minuten ein. Der Rettungsdienst der Hauptstadt ist völlig über dem Limit. 

    Der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger hat wegen der Auszehrung von Sanitätern und Notärzten in Berlin und anderswo bei der Bundesregierung nach Reformplänen gefragt, und die Antwort macht wenig Hoffnung auf schnelle Heilung: Die Ampel verweist auf eine Kommission, die Vorschläge erarbeiten soll. „Sobald die Empfehlungen der Regierungskommission vorliegen, werden auf dieser Grundlage konkrete Umsetzungsoptionen geprüft.“ Pilsingers Fazit: „Die Notfallversorgung in Deutschland ist selbst zum Notfall geworden.“

    Ein Notarzt im Einsatz.
    Ein Notarzt im Einsatz. Foto: Lino Mirgeler, dpa

    Notfallversorgung: Zwischen 10 und 20 Prozent zu wenige Notärzte und Sanitäter

    Dem „Bündnis pro Rettungsdienst“ gehören Rettungsunternehmen, Notärzte, Feuerwehren sowie die Mitarbeiterseite der Caritas an. Mitinitiator ist Frank Flake. Der Vizevorsitzende des Deutschen Berufsverbandes Rettungsdienste erklärt, dass es leider keine Zahlen über den Mangel an Einsatzkräften gebe. „Das ist ein Teil des Problems“, sagte Flake unserer Redaktion. 

    Dafür häufen sich die Alarmmeldungen aus jedem Bundesland. Das Bündnis schätzt auf dieser Grundlage den Mangel auf zehn bis 20 Prozent bei regionalen Unterschiedlichkeiten. „Hinzu kommen Krankheitsausfälle, die vielerorts dazu führen, dass Einsatzwagen nicht besetzt werden können“, erklärte Flake. Der Frust sei riesengroß. „Aus Befragungen der Rettungskräfte ist bekannt, dass sich 90 Prozent nicht vorstellen können, bis zu ihrer Rente im Beruf zu bleiben. Und rund 40 Prozent überlegen, den Beruf zu wechseln, den sie eigentlich lieben.“

    Zu wenig Personal muss im Rettungsdienst immer mehr Einsätze fahren

    Stephan Pilsinger ist nicht nur Abgeordneter, sondern auch Arzt, und bestätigt die Sorgen. „Überfüllte Rettungsstellen, überarbeitete Sanitäter und unklare Kompetenzen prägen heute leider den Alltag der Patienten und des medizinischen Personals“, sagte er unserer Redaktion. Die Ampel-Regierung hat die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ gebeten, auch Empfehlungen zum Thema Notfallversorgung zu erarbeiten, Pilsinger kann es nicht nachvollziehen. Während das Notfallsystem dringend Rettung brauche, warte die Regierung weitgehend tatenlos auf die Vorschläge dieses Gremiums. Dabei liege ein Gesetzentwurf aus der letzten Wahlperiode fertig auf dem Tisch. „Diesen nimmt Minister Lauterbach aber leider nicht in die Hand.“

    Die sogenannte Gesundheitsberichterstattung des Bundes erfasst das „Einsatzfahrtaufkommen im öffentlichen Rettungsdienst“. Die jüngsten Angaben stammen von 2016/2017, damals wurden allein 5,54 Millionen Notarzteinsätze gezählt und ihre Zahl stieg in den letzten 20 Jahren kontinuierlich an. Dieser Negativtrend ist nach Einschätzung der Experten ungebrochen, dafür gibt es Gründe.

    Problem: Viele Menschen nutzen den Rettungsdienst als "Taxi"

    Einer davon: Viele Menschen nutzen den Rettungsdienst ungeniert als Taxi. Das „Bündnis pro Rettungsdienst“ beobachtet mit Sorge eine „gesunkene Schwelle für die Inanspruchnahme“, außerdem beklagt es eine unzureichende Kenntnis darüber, welche Notrufnummer die jeweils richtige ist. Zudem führten „lange Wartezeiten sowie eine eingeschränkte Verfügbarkeit im ambulanten Sektor“ zu einer Überlastung des Rettungsdienstes

    Pilsinger regt vor diesem Hintergrund an, „ein qualifiziertes Ersteinschätzungsverfahren zu schaffen, das klar trennt zwischen echten Notfällen und Fällen, die auch bis zum nächsten Tag warten können“. Sinnvoll könne ein Telenotarztsystem sein, bei dem zu Hause oder am Unfallort in Anwesenheit des Rettungsdienstes oder eines Bereitschaftsarztes „sicher diagnostiziert wird, ob der jeweilige Patient sofort ins Krankenhaus muss oder nicht“. Das würde „viele freie Kapazitäten schaffen und den betroffenen Patienten und Angehörigen Sicherheit geben“, sagte Pilsinger.

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