Im Juli 2022 wurde die Pipeline Nord Stream 1, die zuletzt wichtigste Verbindung für russisches Erdgas nach Deutschland, schrittweise abgeschaltet. Zwischenzeitlich ist gar kein Gas mehr durch die Leitung nach Deutschland geflossen. Die Arbeiten sollen bis zum 21. Juli dauern.
Wartung von Nord Stream 1: Wie lange ist die Dauer?
Die Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 haben am Montag (11. Juli) um sechs Uhr begonnen. Läuft alles nach Plan, soll die Wartung bis zum 21. Juli um sechs Uhr dauern. Demnach würde also für zehn Tage kein Gas mehr fließen. Laut Betreiber dauerten entsprechende Arbeiten in den vergangenen Jahren zwischen zehn und 14 Tagen. Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet, wichen sie aber auch teilweise von der angesetzten Frist ab. Wie aus den vorläufigen Daten des Netzbetreibers Gascade vom Mittwochnachmittag (20. Juli) hervorging, sind Gaslieferungen ab 21. Juli durch Nord Stream 1 geplant.
Die Bundesnetzagentur ging in Modellrechnungen von bis zu 14 Tagen aus. Dabei war allerdings schon ein zeitlicher Puffer eingerechnet. Von der Behörde heißt es, dass die Arbeiten unter normalen Umständen im geplanten Zeitraum fertiggestellt werden können. Man schaue daher auch eher darauf, wie es am 21. oder 22. Juli weitergeht.
Warum könnte Nord Stream 1 länger abgeschaltet bleiben?
Bereits Mitte Juni hatte Russlands EU-Botschafter gesagt, dass wegen der Probleme bei den Reparaturarbeiten auch eine völlige Stilllegung möglich sei. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet eine solche. Kürzlich sagte der Grünen-Politiker, man sehe ein Muster, das zu diesem Szenario führen könne. Der Bundeswirtschaftsminister sprach auch von einer "wirtschaftskriegerischen Auseinandersetzung" mit Russland. Auch über andere Leitungen waren russische Gaslieferungen zuletzt deutlich zurückgegangen. Mehrere europäische Staaten, die die Regierung in Kiew unterstützen, erhalten bereits kein Gas mehr aus Russland.
Mittlerweile hat Putin sogar das Szenario angesprochen, dass die auf Eis gelegte Eröffnung der Pipeline Nord Stream 2 die Probleme beheben könnte. Ob Nord Stream 1 wieder wie geplant in Betrieb geht, dürfte sich spätestens am Donnerstag (21. Juli) zeigen.
Nord Stream 1: Warum hat Russland die Gaslieferung gedrosselt?
Im Juni hatte das russische Staatsunternehmen Gazprom bereits die Liefermenge durch die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline deutlich gedrosselt und auf Verzögerungen bei Reparaturarbeiten verwiesen. Laut Bundesnetzagentur war die Leitung zuletzt nur zu etwa 40 Prozent ausgelastet.
Diese Verzögerungen hingen nach Darstellungen Russlands mit Sanktionen zusammen, die der Westen wegen des Angriffs auf die Ukraine gegen Russland verhängt hatte. Diese Begründung hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als vorgeschoben kritisiert. Es ging dabei unter anderem um eine Pumpe, die nach der Wartung in Kanada nicht zurück nach Russland geliefert werden konnte. Kanada hat inzwischen aber die Lieferung der gewarteten Turbine aus Montreal trotz der Sanktionen gegen Russland ermöglicht.
Von Deutschland aus wird die Komponente nach Russland befördert, wozu es aktuell (20. Juli) angeblich jedoch noch nicht gekommen ist.
Wie wichtig ist Nord Stream 1 für Deutschland?
Nord Stream 1 war mindestens in den vergangenen Monaten die Leitung, über die eine deutliche Mehrheit des russischen Gases nach Deutschland geliefert wurde. Neben dieser Pipeline gibt es noch die Jamal-Leitung, die im brandenburgischen Mallnow ankommt, und ein über die Ukraine verlaufendes Leitungssystem mit Anknüpfungspunkt im bayerischen Waidhaus.
Seit einiger Zeit erreicht laut Bundesnetzagentur Mallnow gar kein Gas mehr und auch in Waidhaus ist die Menge zuletzt ebenfalls deutlich gesunken. Schon davor entsprach diese nur einem Bruchteil der in Lubmin ankommenden Menge. Laut Wirtschaftsministerium lag der Anteil russischer Gaslieferungen in Deutschland im vergangenen Jahr bei 55 Prozent. Bis Ende April dieses Jahres war er auf 35 Prozent zurückgegangen.
Droht Deutschland Gasmangel, falls Nord Stream 1 länger abgeschaltet bleibt?
Sollte auch nach der geplanten Wartungszeit kein Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 fließen, würde es wohl nicht unmittelbar zu einem Gasmangel in Deutschland kommen. Zu diesem Ergebnis kamen Modellrechnungen der Bundesnetzagentur. Jedoch könnte Deutschland seine Gasspeicher vor der Heizperiode nicht so weit wie angestrebt (80 Prozent, d. Red.) auffüllen. Zudem könnte es den Berechnungen zufolge ohne Gas aus Lubmin im Winter unter Umständen zu einer Mangellage kommen. Eine jüngere Diagnose von mehreren deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten kommt dagegen zum Schluss, dass auch im ungünstigsten Fall dieses Jahr kein Gasengpass mehr drohe und im kommenden Jahr auch nur in eher ungünstigen Szenarien.
Unabhängig davon würde ein andauernder Lieferstopp die Energiepreise wohl weiter steigen lassen. Unternehmen, die von den gedrosselten Lieferungen betroffen sind, müssen diese schon jetzt zu deutlich höheren Preisen anderweitig am Markt beschaffen. Laut Bundesnetzagentur müssen sich auch private Verbraucher auf deutlich steigende Gaspreise einstellen.