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Norbert Röttgen: Putin ist vier großen Irrtümern erlegen

Krieg in der Ukraine

Röttgen: "Wladimir Putin ist vier großen Irrtümern erlegen"

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    Norbert Röttgen kämpft für schärfere Sanktionen gegen Russland.
    Norbert Röttgen kämpft für schärfere Sanktionen gegen Russland. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Herr Röttgen, wie lange kann Deutschland seine Haltung noch gegen den Druck anderer Länder durchhalten, weiter Gas, Öl und Kohle aus Russland zu beziehen?

    Norbert Röttgen: Die deutsche Position, weiter Gas und Öl aus Russland zu kaufen, wird keinen Bestand haben. Das steht aus meiner Sicht fest. Die Dimension des Schreckens, der Vernichtung und Zerstörung wird immer größer werden. Es wird mehr und mehr Tote und Flüchtende geben. Wie soll Deutschland dann noch erklären, dass nicht alles getan wird, um das zu beenden? Irgendwann wird die Bundesregierung umfallen. Und dann wird man zu Recht die Frage stellen, warum sie das nicht schon Wochen vorher getan hat, um den Krieg schneller zu beenden.

    Sie kämpfen dafür, die Sanktionen zu verschärfen. Ist Putin überhaupt für sachliche Abwägungen von Nutzen und Risiko empfänglich?

    Röttgen: Für ihn ist das nur noch mittelbar eine Kategorie. Aber wenn sich die wirtschaftliche Lage in Russland unter dem Druck der Sanktionen weiter verschlechtert, wenn die Bevölkerung spürt, dass sie für diesen Wahnsinn bezahlen muss, dann werden die Menschen in Russland irgendwann sagen: Es ist jetzt genug, Wladimir Putin. Das ist zumindest die Hoffnung, die wir haben.

    Was halten Sie davon, dass wir nun eben mit anderen Autokratien wie Katar Energiegeschäfte machen, statt mit Russland?

    Röttgen: Wir können uns nicht aussuchen, wo die Lagerstätten für Gas oder Öl sind, das wir nun mal brauchen, solange unsere Wirtschaft noch davon abhängig ist. Man darf nur nicht den Fehler machen, sich in die Abhängigkeit von einem einzigen Autokraten zu begeben. Das war der große strategische Fehler, den Deutschland bei Russland gemacht hat. Wir müssen nun auf mehrere Energielieferanten setzen. Dann ist eine solche Politik übergangsweise auch richtig und vertretbar. Begleitet werden muss das natürlich von dem massiv beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien und dem Ausstieg aus der fossilen Abhängigkeit.

    Putin scheint sich immer stärker zu isolieren. Selbst enge Vertraute wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu sieht man nicht mehr an seiner Seite. Lebt der Kreml-Chef in einer eigenen Welt?

    Röttgen: Das ist von außen schwer zu beurteilen. Aber ganz sicher hat sich Putin in der Pandemie noch weiter isoliert und ist so abgeschottet wie noch nie.

    Im Norden und in der Hauptstadt Kiew scheint die Ukraine die russischen Truppen erst einmal abgewehrt zu haben. Ist das ein Zeichen dafür, dass die Ukraine der russischen Armee doch nicht so hoffnungslos unterlegen ist, wie wir befürchtet hatten?

    Röttgen: Daran gibt es inzwischen keinerlei Zweifel mehr. Wladimir Putin ist vier großen Irrtümern erlegen. Er hat die Stärke der eigenen russischen Truppen überschätzt und die militärischen Fähigkeiten der Ukraine erheblich unterschätzt. Hinzu kommt: Putin hat seinem eigenen Narrativ geglaubt, dass die russischen Soldaten in weiten Teilen des Landes als Befreier empfangen und bejubelt würden. Stattdessen stellen sich die Ukrainer geschlossen gegen diesen Angriff. Putin hat damit die ukrainische Nation – von der er behauptet, es gäbe sie gar nicht – geeint. Sie ist stärker als je zuvor. Und sein vierter Irrtum war, dass er nicht mit der Einigkeit des Westens und der Nato gerechnet hatte.

    Die Kämpfe konzentrieren sich aktuell wieder stärker auf den Südosten. Besinnt sich Putin auf das ursprüngliche Ziel, eine Verbindung zur Krim und zum Schwarzen Meer zu erobern?

    Röttgen: Es ist aus meiner Sicht leider nicht realistisch, dass sich dieser Krieg nun tatsächlich auf den Süden und Osten des Landes beschränken wird. Die Kämpfe gehen ja auch in anderen Teilen der Ukraine weiter.

    Kriege sind entweder sehr schnell vorbei oder sie können Jahre dauern. Was erwarten Sie in der Ukraine und für die weltpolitische Lage?

    Röttgen: Dieser Krieg wird sicher noch Monate dauern. Wie es militärisch ausgeht, ist noch offen, aber politisch hat Wladimir Putin schon jetzt umfassend verloren. Wer glaubt ihm noch mal ein einziges Wort? Wie soll mit Putin noch jemals eine verlässliche Vereinbarung getroffen werden? Wer würde ihm noch abnehmen, dass er sein Ziel aufgibt, die Ukraine zu erobern und imperiale Macht anzustreben? Den Frieden hat Putin bereits verloren.

    Wie groß ist die Gefahr, dass Putin, wenn er sich in die Enge gedrängt fühlt, diesen Krieg weiter eskaliert und zu Massenvernichtungswaffen greift?

    Röttgen: Ich glaube, noch ist das Teil seiner Einschüchterungstaktik. Was er tut, wenn er militärisch und wirtschaftlich noch stärker unter Druck gerät, ist aber nicht mehr berechenbar. Das muss man auch ehrlich sagen. Der Westen und die Nato müssen daraus schließen, dass wir uns auf alle Möglichkeiten vorbereiten.

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