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Landtagswahlen Niederösterreich 2023: Schlechte Prognose für ÖVP

Niederösterreich

Warum ganz Österreich auf diese Wahl schaut

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    Bundeskanzler Karl Nehammer mit seiner Parteifreundin Johanna Mikl-Leitner.
    Bundeskanzler Karl Nehammer mit seiner Parteifreundin Johanna Mikl-Leitner. Foto: Georges Schneider, Imago Images

    Was auf den ersten Blick wie ein Nebenschauplatz aussieht, hat es in sich für die Machtverhältnisse in Österreich: Rund 1,3 Millionen Frauen und Männer – umgerechnet jeder fünfte wahlberechtigte Österreicher – sind am Sonntag aufgerufen, einen neuen niederösterreichischen Landtag zu wählen. Das Bundesland ist seit jeher Hochburg und Machtzentrum der aktuellen Kanzlerpartei ÖVP und schon deshalb schaute das politische Österreich in den vergangene Wochen gebannt dorthin. Im Zentrum des Wahlkampfes stand die amtierende Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.

    Der ÖVP droht in ihrem Kernland Niederösterreich der Verlust der Mehrheit

    Der konservativen Strippenzieherin droht der Verlust der absoluten Mehrheit im Landtag und unter Umständen auch in der Landesregierung, die nach einem Proporz-System besetzt wird. Und ein solcher Verlust im schwarzen Kernland würde auch die durch Korruptionsaffären ohnehin erheblich angeschlagene ÖVP auf Bundesebene weiter schwächen. Für die Konservativen steht also viel auf dem Spiel – nicht nur in Niederösterreich. 

    Während Mikl-Leitner leutselig Hände schüttelte, rückte ihr Parteifreund, Bundeskanzler Karl Nehammer, ebenfalls in der niederösterreichischen ÖVP verwurzelt, aus und versuchte mit dem Thema Zuwanderung und Asyl Rückenwind für die angeschlagene Landeshauptfrau zu erzeugen. Nicht wenige politische Beobachter sehen auch Nehammers Veto gegen den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens im Zusammenhang mit der drohenden Wahlschlappe in Niederösterreich.

    Grüne und liberale Neos bräuchten deutlich mehr als zehn Prozent

    Aktuelle Umfragen sehen Mikl-Leitners Partei bei rund 40 Prozent, das wäre ein Minus von rund zehn Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2018. Damals hatte die frühere Innenministerin mit 49,6 Prozent ihre absolute Mehrheit verteidigt. Viel wichtiger als der Landtag aber sei für Mikl-Leitner und die ÖVP die absolute Mehrheit in der Landesregierung, sagt Peter Filzmaier. 

    Der wohl bekannteste österreichische Wahlforscher und Politologe an den Universitäten Krems und Graz stand am Montag internationalen Journalisten Rede und Antwort. Sechs von neun Landesräten (also Ministern) besetzt die ÖVP in Niederösterreich dank des Proporz-Systems bislang. Wirklich gefährlich würde es für Mikl-Leitners Regierung, wenn Grüne und die liberalen Neos am Sonntag jeweils ein Ergebnis von deutlich über zehn Prozent erreichen würden. Erst dann hätten die kleineren Parteien wegen der komplizierten Wahlarithmetik eine Chance auf eine Regierungsbeteiligung, erklärt Filzmaier.

    Direkte Auswirkungen der Niederösterreich-Wahl auf die Bundesregierung von ÖVP und Grünen erwartet der Politikwissenschaftler zwar nicht – wohl aber sei die Wahl ein Stimmungsbild, sowohl hinsichtlich der Wählertrends als auch die dominierenden Themen betreffend. „An erster Stelle steht die Teuerung, gefolgt vom Thema Umwelt und Klima, an dritter Stelle das Thema Zuwanderung und Asyl“, erklärt der Politologe.

    Das Thema Migration rückt – mal wieder – ins Zentrum des Wahlkampfes

    Das Migrationsthema sei jedoch in den vergangenen Wochen immer stärker ins Zentrum des Wahlkampfs gerückt – ein Hauptgrund für die guten Umfragewerte der rechten FPÖ. Mehr als zehn Prozentpunkte könnten die Freiheitlichen und deren Spitzenkandidat Udo Landbauer laut den Prognosen hinzugewinnen. Gut möglich, dass die FPÖ die Sozialdemokraten vom zweiten auf den dritten Platz verdrängt. „Die SPÖ schafft es nicht, ein besseres Konzept gegen die Teuerung vorzulegen“, sagt Filzmaier.

    Das Migrationsthema aufzugreifen, würde zwangsläufig die ohnehin schon gefährlichen Flügelkämpfe bei den Roten befeuern. In seiner misslichen Lage ließ SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl in den sozialen Medien ein Sujet in Umlauf bringen, dass ihm reichlich Häme einbrachte: Als „rote Hanni“ wollte der SPÖ-Chef gesehen werden, eine Anspielung auf den Spitznamen der Landeshauptfrau. Das sei „nur Satire“ gewesen, ruderte Schnabl kurz darauf zurück.

    Auch im Bund werden die Machtverhältnisse neu sortiert

    Die Stimmungslage in Niederösterreich gleicht übrigens jener auf Bundesebene: Hier verlor die SPÖ in den vergangenen Wochen gar den ersten Umfrageplatz an die FPÖ des früheren Innenministers Herbert Kickl. Angesichts des drohenden zweistelligen Minus für die ÖVP greife diese zu Methoden, die bereits von vorangegangenen Wahlen, etwa in Tirol, bekannt seien, sagt Filzmaier. Er warnte davor, das „Spiel der ÖVP mit den Umfragen“ mitzuspielen. Dieses funktioniere so: Den prognostizierten, herben Verlust lässt die Partei sogar noch größer wirken, medial wird dann über ein drohendes Ergebnis von gut unter 40 Prozent spekuliert. Schafft es die ÖVP dann doch über die 40-Prozent-Marke, kann Mikl-Leitner dies am Wahlabend als Erfolg verkaufen.

    Gekaufte Interviews und mögliche Einflussnahme auf Berichterstattung des ORF

    Das Spiel mit den Erwartungshaltungen aufgrund von Umfragen ist dabei nur eine der ÖVP-Wahlkampfmethoden, die zahlreiche Beobachter als unlauter einstufen. Mikl-Leitner nutzt ihren erheblichen Einfluss auf die niederösterreichischen Medien: Regionalblätter brachten in den vergangenen Tagen große Interviews mit der Landeshauptfrau, in einem Fall wurde ein Interview kurzerhand als Inserat gebucht – und bezahlt. Die Wahlplakate Mikl-Leitners sind ganz in den Landesfarben gelb und blau gehalten und ähneln in ihrer Optik frappierend den Wahlinformationen des Landes. Politische Inhalte fehlen auf Mikl-Leitners Plakaten gänzlich: „Unsere Landeshauptfrau“, „die Niederösterreichwahl“ oder schlicht „Jetzt Niederösterreich“ ist auf ihnen zu lesen.

    Und dann ist da noch die Affäre um den Direktor des ORF-Landesstudios Niederösterreich, Robert Ziegler. Dieser soll laut Medienberichten massiven Einfluss auf die Berichterstattung des Senders genommen haben, indem er Redakteure dazu ermutigte, ausreichend O-Töne Mikl-Leitners in ihre Berichte zu schneiden – mit vorgegebenem Inhalt. „Die Hanni kannst schon zwei, drei Mal reden lassen“, soll Ziegler zu einem ORF-Journalisten gesagt haben. Ob derartige Methoden Früchte tragen, wird sich am Sonntag zeigen. 

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