Die Zweideutigkeit ist des Niederländers Sache nicht. Und so darf die Befürchtung ernst genommen werden, dass das Land in wenigen Tagen in der Hölle landen könnte. So jedenfalls stellte es am Wochenende die Karikatur in der niederländischen Tageszeitung NRC Handelsblad dar. Darin versuchen die Spitzenkandidatin der rechtsliberalen VVD, Dilan Yeşilgöz, und der rechtspopulistische Geert Wilders mit seiner Freiheitspartei PVV den neuen Politsuperstar des Landes – Hand in Hand – weg von den Sozialdemokraten und auf ihre Seite zu ziehen. Der Umbuhlte heißt Pieter Omtzigt. Als Mann der Stunde dürfte er zum Königsmacher werden, obwohl der 49-Jährige erst vor drei Monaten seine Partei Nieuw Sociaal Contract (NSC), „Neuer Gesellschaftsvertrag“, gegründet hat. „Er will die alte politische Kultur verändern und versucht, die neue Mitte der niederländischen Politik zu bilden“, sagt der bekannte niederländische TV- und Radiojournalist Tim de Wit.
Mit Erfolg. Omtzigt ist sowas wie der Held der Menschen auf dem Land, der Desillusionierten und Politik-Enttäuschten, die genug haben nach der Ära des Dauer-Ministerpräsidenten Mark Rutte, dem trotz Skandale und Fehler alle Mittel recht waren, um mit der VVD an der Macht zu bleiben. In diesem Punkt gibt es durchaus Parallelen zu den Freien Wählern in Bayern. Deren Chef Hubert Aiwanger spricht ebenfalls regelmäßig von der Arroganz der Städter gegenüber der benachteiligten Landbevölkerung. Und hat damit Erfolg.
Wahl in den Niederlanden: Omtzigt ist in Sachen Einwanderung konservativ geprägt
Omtzigt, Vater von vier Kindern, meinte kürzlich, er sei „kein Messias“, aber glaube, er biete „eine realistische Politik“. Dabei orientiert sich sein Programm an der Mitte. In Sachen Einwanderung ist es konservativ geprägt, er will etwa die Zahl der Migranten auf 50.000 pro Jahr beschränken. Eher links sind seine Forderungen nach einer Erhöhung des Mindestlohns und einer „Existenzsicherung“ für alle. Dementsprechend flirtete er wochenlang sowohl mit den Linken als auch mit den Rechten. Vor wenigen Tagen sorgte dann ein Interview für Aufruhr, in dem Omtzigt eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen unter dem bisherigen EU-Kommissionsvize Frans Timmermans infrage stellte. Die Differenzen, so meinte der Politiker, seien zumindest im Moment zu groß.
Damit würden als Partner nur die rechtsliberale VVD, die rechtspopulistische PVV und die ebenfalls eher rechtszentrierte Bauern-Bürger-Bewegung bleiben. Diese wurde bei den Provinzwahlen im Frühjahr stärkste Kraft, profitierte damals von der Wut der Bauern und der Unzufriedenheit der Menschen. Mittlerweile ist sie wegen Omtzigts Höhenflug auf wenige Prozentpunkte geschrumpft.
Den jüngsten Umfragen zufolge liegen vielmehr die VVD und PVV gleichauf. Beide würden laut Meinungsforschern derzeit 26 Sitze erhalten, während der NSC und die links-grüne Koalition auf jeweils 23 Sitze kommen würden. Traditionell stellt die größte Partei im stark zersplitterten niederländischen Parlament den Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten.
In den sozialen Medien herrscht deshalb unter etlichen Beobachtern fast schon Panik bei der Aussicht, der so erfahrene wie EU-feindliche und rechtsextreme Wilders könnte am Ende die Niederlande anführen. „Er spielt gerade den guten Kerl und kommt in Interviews gemäßigt, fast zentristisch, rüber“, sagt Journalist de Wit. So zügelte Wilders etwa seine Anti-Islam-Rhetorik, weil der Rechtspopulist weiß, dass da die rote Linie für die anderen Parteien verläuft. Es scheint zu funktionieren in dem konservativen Land, das laut de Wit zwar das Image habe, „sehr liberal und tolerant zu sein“, wo aber seit zwei Jahrzehnten die extreme Rechte konstant rund 20 Prozent der Stimmen erhält.
Omtzigt war an der Aufdeckung eines Kindergeldskandals beteiligt
Vor zwei Jahren trennte sich Omtzigt im Streit vom christdemokratischen CDA, der in einer Koalition mit der VVD von Rutte regierte. Omtzigt war maßgeblich an der Aufdeckung eines Kindergeldskandals beteiligt. Damit zog sich der Politiker, der seit 20 Jahren im Abgeordnetenhaus sitzt, nicht nur den Zorn des Establishments zu. Er musste sich nach Schmutzkampagnen gegen ihn und nach einem Burnout in der Folge selbst erst wieder sammeln.
Als geschlagenen Kandidaten verkörperte die Zeitungskarikatur schon jetzt Frans Timmermans. Als einer der bekanntesten Politiker und erfahrener EU-Kommissar war dieser aus Brüssel in die Heimat zurückgekehrt, um seine sozialdemokratische Partei zu retten. „Ihm fehlt es an Energie, an Leidenschaft, an Ideen“, sagt Tom de Wit. Zudem spiele er mit populistischen Äußerungen über Flüchtlinge immer wieder mit dem rechten Publikum, anstatt sich auf seine Kernwähler zu konzentrieren. Das könnte sich rächen, meint der Journalist.