Die Ampel-Koalition ist am Ende: Am Mittwochabend trat Kanzler Olaf Scholz vor die Kameras, und erklärte das Ende dieser Bundesregierung. Schon länger mehrten sich die Stimmen derer, die Neuwahlen fordern – nun kommt es wohl wirklich dazu. Doch der Kanzler alleine kann diese nicht erzwingen. Aber wer entscheidet eigentlich, ob der Bundestag aufgelöst wird? Wann könnten die Neuwahlen dann stattfinden? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Neuwahlen in Deutschland: Stellt der Bundeskanzler die Vertrauensfrage?
Die Hürden für vorgezogene Neuwahlen in Deutschland sind hoch. Weder einzelne Parteien, noch der Bundeskanzler, noch die Opposition können Neuwahlen einfach so ausrufen. Laut dem Grundgesetz (GG) kommen dafür nur zwei Szenarien infrage:
- Laut Artikel 63 GG wird der Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag gewählt. Wer die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt, wird vom Präsidenten zum Kanzler oder zur Kanzlerin ernannt. Schafft es jedoch keiner der Kandidatinnen oder Kandidaten, mehr als die Hälfte der Stimmen einzusammeln, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen und es kommt zu Neuwahlen.
- Das Szenario, das im aktuellen Fall der Bundesregierung eintreten könnte, wäre dieses: Will der Bundeskanzler herausfinden, ob noch eine Mehrheit des Parlaments hinter ihm steht, kann er nach Artikel 68 GG einen Antrag an die Abgeordneten des Bundestags stellen, ihm das Vertrauen auszusprechen – die sogenannte Vertrauensfrage. Wenn er dabei nicht die Zustimmung der Mehrheit erlangt, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen - innerhalb von 21 Tagen.
Nach verlorener Vertrauensfrage: Ablauf von Neuwahlen
Der Bundestag hat innerhalb dieser Frist noch die Möglichkeit, mit einer Mehrheit der Stimmen einen neuen Kanzler oder eine neue Kanzlerin zu wählen. Auch ohne Vertrauensfrage haben die Abgeordneten beziehungsweise die Fraktionen im Bundestag die Möglichkeit, den Kanzler „abzuwählen“ und einen neuen Regierungschef oder eine neue Regierungschefin zu bestimmen. Doch das geht nur dann, wenn sie im gleichen Schritt eine Person präsentieren können, die mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereint, weshalb von einem konstruktiven Misstrauensvotum die Rede ist. Diese Person würde dann direkt neuer Bundeskanzler werden. Dann wäre keine Neuwahl erforderlich.
Das Gelingen eines konstruktiven Misstrauensvotums erscheint im aktuellen Bundestag unter den gegebenen Sitzverteilungen der Parteien jedoch sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist also, dass es zu Neuwahlen kommt, wenn Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellt und keine Mehrheit hinter sich vereint. Der Bundespräsident, in diesem Fall Frank-Walter Steinmeier, könnte dann den Bundestag auflösen.
Neuwahlen am 9. März 2025 oder schon früher? Was das Grundgesetz vorsieht
Das Grundgesetz sieht hierfür folgende Regelung vor: „Im Falle einer Auflösung des Bundestages findet die Neuwahl innerhalb von sechzig Tagen statt“, heißt es in Artikel 39, Absatz 1. Angesichts dieses Zeitraums, also jener 21 Tage zwischen verlorener Vertrauensfrage und der Auflösung des Bundestages, plus der 60 Tage bis zu Neuwahlen, kursieren verschiedene Termine, an denen eine mögliche Neuwahl stattfinden könnte. Bevor Olaf Scholz am Mittwochabend vor die Presse trat, war vor allem der 2. März 2025 im Gespräch. An diesem Tag findet bereits die Bürgerschaftswahl in Hamburg statt. Auch der 9. März stand als mögliches Datum im Raum. Olaf Scholz sprach zunächst von Neuwahlen bis spätestens Ende März. Nachdem sich der Druck bis Freitag erhöhte, war immer wieder auch schon ein Termin im Januar im Gespräch.
Regulär würde die nächste Bundestagswahl am Sonntag, den 28. September 2025 stattfinden.
Vertrauensfrage und Neuwahlen in der Geschichte der Bundesrepublik
In der Geschichte der Bundesrepublik wurde bislang fünfmal die Vertrauensfrage gestellt, in drei Fällen kam es anschließend zu Neuwahlen. 1972 schaffte es Willy Brandt (SPD) durch diesen Schritt seine sozialliberale Regierungskoalition zu stärken, 1982 gelang Helmut Kohl (CDU) der gleiche Schachzug. Lediglich Gerhard Schröder (SPD) verlor 2005 nach der Vertrauensfrage im Bundestag auch die Neuwahlen des Bundestags – und Angela Merkel (CDU) wurde zur ersten deutschen Kanzlerin.
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