Ein Paket muss nicht deshalb schlecht zusammengestellt sein, weil es in Eile und unter dem Eindruck von Krieg und Krise geschnürt wurde. Wenn die Arbeit von Routiniers erledigt wird, spielt der Zeitfaktor keine Rolle. Für diejenigen, die das Paket bekommen und auspacken dürfen, kann es trotzdem Gutes enthalten. Routine hat die Regierung zwar kaum entwickelt, dafür ist das Ampel-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP noch nicht lange genug zusammen. Dem dritten Entlastungspaket merkt man das jedoch nicht an.
Die Rahmendaten des dritten Entlastungspakets sind beeindruckend. 65 Milliarden Euro kommen auf die 30 Milliarden obendrauf, die mit den ersten beiden Paketen bereits fließen und noch fließen werden. Die Summe soll offenbar von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam aufgebracht werden und es muss sich noch zeigen, ob die Bundesländer, die Städte und Gemeinden die Beschlüsse der Ampel-Regierung mittragen, die in einer 22-stündigen Marathonsitzung über Nacht erarbeitet wurden. Da wird in den nächsten Stunden und Tagen sicherlich noch mit spitzer Feder gerechnet. Sollte das Paket dadurch etwas schlanker werden, würde ihm allerdings kaum etwas von seiner gesellschaftlichen wie politischen Bedeutung genommen.
Das Entlastungpaket rückt die Kräfteverhältnisse in der Regierung zurecht
Vom dritten Entlastungspaket profitieren deutlich mehr Einkommensschichten als durch die Pakete eins und zwei, beispielsweise wird endlich die kalte Progression abgeschafft. Das ist eine gute Nachricht, weil das aufgeregte Gemüter abkühlen und einer möglichen Spaltung des Landes vorbeugen kann.
Politisch ist das Paket ebenfalls spannend. Schien es zuletzt so, als ob die SPD gegenüber Grünen und FDP ins Hintertreffen geraten war, hat die Arbeit an den Entlastungen die Kräfteverhältnisse wieder zurechtgerückt: Das dritte Paket enthält ganz viel Rot, etwas weniger Grün und noch weniger Gelb.
SPD und Grüne setzen sich beispielsweise mit ihrer Übergewinnsteuer durch. Die heißt – ein Zugeständnis an die FDP – zwar nicht mehr so. Dass jetzt von „Zufallsgewinnen“ gesprochen wird, die abgeschöpft werden, geht aber genau in die beabsichtige Richtung. Es ist mit Milliardeneinnahmen zu rechnen, die die Bürgerinnen und Bürger bei den Strompreisen entlasten werden. Gleichzeitig nimmt die Ampel die künftige Entwicklung der Strompreise in den Blick, die von allein nicht sinken werden. Es braucht da den staatlichen Eingriff, also ein Instrument, das die Liberalen nicht gerne spielen.
Mit diesem Entlastungspaket können alle Ampel-Parteien ihr Gesicht wahren
Das Ergebnis der Nachtsitzung ist trotzdem von einem Koalitionsstreit weit entfernt. „Die Beratungen waren lang, sie waren zeitweilig aufreibend“, deutete Grünen-Chef Omid Nouripour an, dass es einerseits heftige Debatten gab. Am Ende können andererseits alle drei Parteien ihr Gesicht wahren. Die SPD hat ihr Bürgergeld durchgesetzt, die Grünen bekommen die geforderten „substanziellen Hilfen“ und die FDP mit ihrem Vorsitzenden und Finanzminister Christian Lindner darf weiterhin die Schuldenbremse einhalten, um nur drei weitere Beispiele zu nennen.
Jetzt müssen die Maßnahmen schnell umgesetzt werden. Viele Bürgerinnen und Bürger leisten bereits höhere Vorauszahlungen auf Gas und Strom, die Inflation frisst immer mehr vom Einkommen. Die Ebbe im Portemonnaie nimmt zu, je näher die kalte Jahreszeit rückt, und der Ampel-Koalition steht die eigentliche Arbeit erst noch bevor. Die Abschöpfung der „Zufallsgewinne“ etwa scheint ein Bürokratiemonster zu sein, weil nationale verfassungsrechtliche Hürden mit den vielen Gesetze auf EU-Ebene in Einklang gebracht werden müssen. Eile tut also wieder Not. Aber das dritte Entlastungspaket hat gezeigt, dass die Regierung mit dem Druck offenbar gut umgehen kann.