Es war ein hölzerner Wikingerhammer, der den Stabwechsel an der Spitze der Nato symbolisierte. Am Dienstagvormittag übergab der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Brüsseler Hauptquartier das schlichte Werkzeug an seinen Nachfolger: Mark Rutte. Island hatte den zeremoniellen Hammer 1963 dem Chef der Verteidigungsallianz geschenkt, heute wird er für besondere Treffen verwendet. „Du kennst die Nato gut und die Nato kennt dich“, wandte sich Stoltenberg an seinen Freund aus den Niederlanden.
Der Norweger wirkte gerührt, auch wenn er eigentlich schon zwei Mal aufhören wollte und jeweils lediglich auf Wunsch des US-Präsidenten Joe Biden verlängert hatte. „Dieses Mal halte ich mein Versprechen“, sagte Stoltenberg und blickte verstohlen zu seiner Frau im Publikum. „Ich verlasse Brüssel in ein paar Stunden.“ Immerhin zehn Jahre hatte der 65-Jährige die Allianz geleitet – in einer von Krisen und Krieg geprägten Zeit. Das Bündnis hat sich vorneweg durch Russlands Vollinvasion in die Ukraine grundlegend gewandelt und dass sie heute laut Biden „stärker als je zuvor” ist, gilt auch als Stoltenbergs Verdienst.
Die Herausforderungen für Stoltenberg-Nachfolger Mark Rutte werden nicht kleiner
Die Herausforderungen bleiben groß, das weiß auch Rutte. Der 57-Jährige war von 2010 bis 2024 niederländischer Ministerpräsident und übernimmt das Verteidigungsbündnis nur wenige Wochen vor der Wahl in den USA, die hinter den Kulissen in Brüssel seit Monaten für Nervosität sorgt. Ausgerechnet der Nato-Schreck Donald Trump könnte gegen die Demokratin Kamala Harris gewinnen und zurück ins Weiße Haus kehren. Der Republikaner ließ kaum eine Möglichkeit aus, die Verbündeten als Schmarotzer in Sachen Militär zu beschimpfen. Mitunter säte er gar Zweifel daran, ob die USA unter seiner Führung uneingeschränkt zur Beistandsverpflichtung stehen würden.
Umso mehr hoffen die Partner auf den „Trump-Flüsterer“ Rutte. Der Niederländer bekam den Spitznamen verpasst, nachdem er 2019 ein angespanntes Treffen der Staats- und Regierungschefs des transatlantischen Bündnisses gerettet und einen tobenden Präsidenten Trump „zur Vernunft gebracht“ hatte, wie es im Anschluss hieß. Auch jetzt gab sich Rutte versöhnlich und spielte die Sorgen innerhalb der Nato herunter. Er kenne beide Kandidaten „sehr gut“, sagte er, um dann insbesondere Trump zu bauchpinseln. Er sei es gewesen, der die Verbündeten dazu gedrängt habe, mehr Geld für die Verteidigung auszugeben. „Er hat es geschafft“, so Rutte. Man sei jetzt „auf einem viel höheren Ausgabenniveau als bei seinem Amtsantritt“. Die Nato schätzt, dass dieses Jahr 23 ihrer 32 Mitglieder das Zwei-Prozent-Ziel erreichen werden, verglichen mit nur drei Ländern vor zehn Jahren. Es sieht vor, dass die Bündnismitglieder mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung stecken.
Nato-Generalsekretär: Die Rolle ist mehr Sekretär als General
Bei der Rolle des Nato-Generalsekretärs handelt es sich um einen politischen Job, mehr Sekretär als General. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört, zwischen den oft unterschiedlichen Interessen der mittlerweile 32 Mitgliedstaaten einen Konsens auszuloten. Da Entscheidungen immer nur einstimmig getroffen werden können, ist der Chef der Allianz als Schlüsselfigur vor allem damit beschäftigt, die Verbündeten auf eine gemeinsame Linie zu bringen. Rutte habe als niederländischer Ministerpräsident vier verschiedene Koalitionsregierungen geführt, also wisse er, wie man Kompromisse eingehe und Konsens schaffe, sagte Stoltenberg. Dies seien Fähigkeiten, die bei der Nato „sehr geschätzt“ würden.
Rutte stellte am Dienstag auch die Prioritäten für seine Amtszeit vor, die mindestens vier Jahre dauern soll – mit der Aussicht auf Verlängerung. Ganz oben auf der Liste seiner Aufgaben stehe die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen den Aggressor aus Russland. „Wir müssen sicherstellen, dass sich die Ukraine als souveräne, unabhängige und demokratische Nation durchsetzt“, sagte er und warnte davor, sich von den russischen Drohungen eines Einsatzes von Nuklearwaffen beeindrucken zu lassen. Er sehe hier keine unmittelbare Gefahr. Zudem müsse das Bündnis mehr für die kollektive Verteidigung ausgeben, seine Verteidigungsausgaben erhöhen und mehr für die Abschreckung tun.
Die Niederlande erfüllten unter Rutte nicht das Zwei-Prozent-Ziel der Nato
Darüber hinaus verlangte er, die Partnerschaft mit Drittstaaten auszubauen, insbesondere mit Ländern des indopazifischen Raums. Die Forderung nach mehr Geld klang für viele Beobachter insbesondere deshalb bemerkenswert, weil die Niederlande in Ruttes Amtszeit das Zwei-Prozent-Ziel stets verfehlten und es erst dieses Jahr erstmals erreichen dürften. Die jahrelange Nicht-Erfüllung galt als größter Makel in seiner Bewerbung.
Jens Stoltenberg könnte derweil bald schon einen neuen Posten übernehmen. Medienberichten zufolge soll er im kommenden Jahr Christoph Heusgen als Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) ablösen.
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