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Neuer Corona-Impfstoff zugelassen: Wie gut ist er?

Corona-Pandemie

Behörde erteilt Zulassung: Wie gut ist der neue Corona-Impfstoff?

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    Ein Expertenausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hat den Weg für zwei an die Omikron-Variante angepasste Corona-Impfstoffe freigemacht.
    Ein Expertenausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hat den Weg für zwei an die Omikron-Variante angepasste Corona-Impfstoffe freigemacht. Foto: Marijan Murat, dpa (Symbolbild)

    Es ist der Impfstoff, auf den viele Menschen gewartet haben: Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat grünes Licht gegeben für zwei mRNA-

    „Wir haben jetzt Impfstoffe, die gegen jede bisher bekannte Variante schützen werden“, sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach in einem Interview mit der ARD. Es sei ein enormer wissenschaftlicher Sprung gelungen. Der Minister will die Impfkampagne mit den neuen Präparaten zügig vorantreiben. In einem Schreiben an die Hausärzte, das unserer Redaktion vorliegt, führt er aus, dass Deutschland allein in den Wochen zwischen dem 5. September und dem 16. September rund 10 Millionen Dosen des neuen Biontech-Impfstoffes bekommt. Von Moderna kommen 4,2 Millionen Dosen. „Die Frage, wie es uns gelingt, die Menschen von Erst-, Zweit-, Booster- und jetzt zweiter Auffrischungsimpfung zu überzeugen, wird den weiteren Verlauf der Pandemie maßgeblich beeinflussen“, schreibt Lauterbach. In Bayern sind bislang 75,3 Prozent der Menschen mindestens einmal geimpft. Dreimal geimpft sind 58,8 Prozent.

    Clemens Wendtner: BA.1-Variante kaum noch nachweisbar

    Experten warnen hingegen vor allzu zu großen Hoffnungen. „Ich glaube nicht, dass der neue Impfstoff zum Game-Changer wird, also die Lage wirklich drehen kann“, sagt Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing. Aktuell sei die BA.1-Variante, gegen die die neuen Vakzine besonders gut schützen sollen, in Deutschland kaum mehr nachweisbar. Stattdessen werden 95 Prozent aller Corona-Infektionen von der Variante BA.5 ausgelöst und rund 3 Prozent von der Variante BA.4. „Man erkennt da mit bloßem Auge, dass der neue Impfstoff zu spät kommt“, sagt Wendtner. Die Corona-Pandemie sei mit Blick auf die Impfstoffe zu einem Hase-Igel-Spiel geworden: Die Mutationen seien immer schneller als es neu entwickelte Impfstoffe sein können – auch wenn die Firmen versuchten, das durch geschicktes Marketing auszugleichen und so eine Erwartungshaltung produziert wird. „Viele Leute haben auf diesen vermeintlich besseren Impfstoff gewartet“, weiß der Mediziner aus dem eigenen Alltag. Doch vor allem Menschen mit Vorerkrankung wären besser beraten gewesen, wenn sie sich bereits mit den vorhandenen Impfstoffen eine zweite Booster-Impfung geholt hätten.

    Dass die zuletzt schwächelnde Impfbereitschaft im Land wieder anzieht, glaubt Wendtner nicht. „So langsam sickert bei vielen durch, dass der neue Impfstoff nicht vollumfänglich das hält, was suggeriert wird“, sagt er. Zwar werde das veränderte Vakzin in gewissem Maße gegen die Mutationen BA.4 und BA.5 wirken, doch das habe auch das bisherige Präparat schon getan. Ein echter Quantensprung sei nicht zu erwarten. Eine Verbesserung könnte ein an Omikron BA.4/5-angepasster Impfstoff sein – immer unter der Voraussetzung, dass dann nicht wieder eine neue Mutation aufgetaucht ist. Laut Lauterbach hat Biontech bereits angekündigt, dass die Europäische Kommission im Idealfall bereits Ende September/Anfang Oktober den an BA.4/BA.5-angepassten Impfstoff zulassen wird. „Sollte dies der Fall sein, wird Deutschland von Biontech/Pfizer ebenfalls sehr zügig nach der Zulassung mit einer ersten Tranche von 9,5 Millionen Dosen beliefert“, so der Minister. Trotzdem sagt Wendter: „Ich würde jedem raten, dessen Impfung länger her ist oder der noch nicht geboostert ist, sich impfen zu lassen – auch mit den bisherigen Impfstoffen. Abwarten ist daher nicht angezeigt.“ Die Ständige Impfkommission empfiehlt einen zweiten Booster für alle über 60, dies sei ein guter Anhaltspunkt.

    Impfung bleibt weiter wichtiges Werkzeug gegen Corona

    Nötig und wichtig sei die Impfung auch weiterhin. Denn die offiziellen Corona-Zahlen spiegelten eine Entspannung vor, die es so nicht gebe. Die niedrigeren Inzidenzwerte, erklärt Wendtner, seien dadurch zu erklären, dass viele Infizierte keinen PCR-Test mehr machen würden. Insgesamt wurden in der 31. Kalenderwoche 492.419 PCR-Untersuchungen in den akkreditierten Laboren durchgeführt, in der Kalenderwoche 29 waren es noch 837.069 PCR-Tests – auf dem Höhepunkt der Pandemie waren es sogar mehr als zwei Millionen. „Alle, die nur einen Schnelltest machen, laufen unter dem Radar“, sagt der Mediziner. Zwar habe sich das Infektionsgeschehen im Vergleich zum Frühjahr abgeschwächt, doch gibt es in diesem Jahr eine Sommerwelle und die Zahl der Patienten in der München Klinik liegt mit aktuell 90 stationären Patienten noch vor dem Herbst auf einem höheren Niveau als in den Vorjahren. Die Booster-Impfungen für das Personal in der Klinik liefen daher auch durch den Sommer durch. „Es ist leider ein Trugschluss zu glauben, dass die Pandemie vorbei wäre“, sagt Wendtner.

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