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Neue Rolle von Bodo Ramelow nach Wahlniederlage in Thüringen

Thüringen

Geheimnisvoll tiefenentspannt: Die neue Rolle des Bodo Ramelow

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    Wahlkampf ohne die Chance auf Sieg: Bodo Ramelow auf einem Volksfest in Rudolstadt.
    Wahlkampf ohne die Chance auf Sieg: Bodo Ramelow auf einem Volksfest in Rudolstadt. Foto: Michael Reichel, dpa

    Während all die mehr oder weniger siegreichen Spitzenkandidaten der Thüringer Landtagswahl zu Wochenbeginn in ihre Bundesparteizentralen zu Sitzungen und Pressekonferenzen nach Berlin fuhren, saß der Wahlverlierer bestens gelaunt in der Erfurter Staatskanzlei. Bodo Ramelow, der erste und möglicherweise auch der letzte Ministerpräsident der Linkspartei, empfing den halben Tag Journalisten diverser Medien zu Interviews. Und erklärte, warum ihn die Wahlniederlage nach zehn Jahren mit kurzer turbulenter Unterbrechung im Amt weder grämt noch groß überrascht hat.

    Ramelow: „Ab da bin ich tiefenentspannt in den Wahlkampf gegangen“

    Im Gegenteil. Schon seit einem Samstag Mitte Juni sei ihm klar geworden, dass er keine Chance mehr habe, noch einmal Ministerpräsident zu werden. „An dem Tag haben meine Frau und ich erfahren, dass wir Oma und Opa werden“, sagte Ramelow dem Spiegel. „Wenn ein neues Leben entsteht, fragt man sich: Wie sieht die eigene Zukunft aus?“ Seit damals habe er realistisch die Niederlage ins Auge gefasst. „Ab da bin ich tiefenentspannt in den Wahlkampf gegangen“, bekannte Ramelow.

    Schon damals hatte das von der Linken abgespaltene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Ramelows Partei in den Umfragen überholt und auf Platz vier hinter AfD, CDU und eben dem BSW verdrängt. Das eigentliche Erdbeben in Thüringen fand jedoch schon 2019 statt, als Angela Merkel noch als CDU-Kanzlerin regierte: Drei Jahre nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise schoss die vom ultrarechten Björn Höcke geführte AfD von zehn auf 23,4 Prozent hoch. Nur Ramelows Linke war mit 31 Prozent noch stärker.

    Ramelow dachte nach seinem Wahlsieg 2019 nur: „Ach du Scheiße“

    Sie konnte nach Ramelows ersten fünf Jahren im Amt sogar noch zulegen. Während seine Parteifreunde gejubelt hätten, habe er nur dagesessen und gedacht: „Ach du Scheiße“, sagte Ramelow der Süddeutschen. Denn seine bis dahin regierende rot-rot-grüne Koalition hatte keine Mehrheit mehr: Die Thüringer straften damals die mit Merkel im Bund regierenden Sozialdemokraten ebenso kräftig ab wie die Union.

    Ramelow lag mit seiner düsteren Vorahnung nicht falsch: Nach Monaten ergebnisloser Suche nach Mehrheiten kam es ein Vierteljahr nach der Wahl zum großen Knall: Der Landtag wählte mit den Stimmen von AfD, CDU und Liberalen den Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten. Die Wahl von Höckes Gnaden führte zu einem Aufschrei weit über Deutschlands Grenzen hinaus.

    Kemmerich erklärte nach massivem Druck des FDP-Chefs Christian Lindner nur drei Tage nach der Abstimmung seinen Rücktritt. Der FDP-Mann blieb noch ein paar Wochen geschäftsführend im Amt, bis Ramelow am 4. März 2020 bei Enthaltung der 21 CDU-Abgeordneten wieder zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Es folgten für Ramelow harte Jahre der Mehrheitensuche in einer Minderheitenregierung. Eine Regierung ohne Mehrheit könne er Thüringen nicht mehr empfehlen, betont Ramelow heute immer wieder.

    Steckt hinter Ramelows Angebot an die CDU nur vergiftete Parteitaktik?

    Doch einer Regierung von CDU, BSW und SPD fehlt in dem von der AfD als stärkster Fraktion dominierten Landtag genau eine Stimme zur Mehrheit. „Eine Stimme sitzt vor Ihnen“, sagte nun Ramelow wortgleich in mehreren Interviews. Die rätselhafte Andeutung führte sogleich zu wilden Spekulationen. Ramelow dementierte sogleich, dass er aus der Linksfraktion austreten wolle oder gar ins Wagenknecht-Lager wechseln wollte. Dabei verriet er erstmals, dass ihn Wagenknecht gleich zweimal – Ramelow hat noch die Daten im Kopf – am 14. und 17. Januar für ihre neue Partei abwerben wollte.

    Steckt also hinter Ramelows vermeintlich staatsmännischem Angebot nur vergiftete Parteitaktik, die CDU noch tiefer in ihr Dilemma des einst aus historischen Gründen beschlossenen Unvereinbarkeitsbeschlusses der Zusammenarbeit mit der SED-Nachfolgepartei zu treiben? Zumindest klingt bei Ramelows Ankündigung, den CDU-Chef Mario Voigt gegen den AfD-Mann Höcke bei der Ministerpräsidentenwahl unterstützen zu wollen, ein eher giftiger als tiefenentspannter Grundton mit: „Ich habe die Wahl zwischen dem, den ich blass finde, und dem, den ich gefährlich finde“, sagte der Noch-Ministerpräsident der Süddeutschen. „Da halte ich lieber dem Blassen den Rücken frei.“

    Laut einer ZDF-Umfrage unter 16.500 Thüringern am Wahltag hätten 37 Prozent gerne Ramelow weiterhin als Ministerpräsidenten gehabt. Kein überragender Wert, aber besser als Höcke mit 21 und Voigt mit 19 Prozent. Die Lieblingskoalition im Land wäre übrigens aus CDU und BSW. Die unbeliebteste wäre ein Bündnis aus AfD und CDU, das von zwei Dritteln im Land abgelehnt wird.

    Der 68-jährige Ramelow will nun noch fünf Jahre Landtagsabgeordneter für seinen Wahlkreis bleiben. Auch weitere Einsätze als erfahrener Streik-Schlichter kann sich der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär gut vorstellen.

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    4 Kommentare
    Klaus Heiß

    Wieso wird eigentlich den Nachfolgern der SED eine derartige Bühne geboten. Es ist nun mal so SED - PDS - + WASG = Die Linke. Und deren Vettreter sitzen ja nur noch aufgrund der zweifelhaften Grundmandatsklausel im Bundestag bzw. jetzt auch noch im Landtag von Sachsen. Leute wie Bartsch, Gysi und Pau wussten genau, was in ihrem Staat damals ablief, Schießbefehl an der Zonengrenze, Folter in Gefängnissen, Kindesentzug bei Regiemkritikern. Was haben sie getan? Nichts. Aber jetzt groß grgen die AFD lamentieren. Wenn Ramelow Charakter gehabt hätte hätte er sich nicht mit diesen Typen abgegeben. Und die Grünen haben ja auch kein Problem, mit diesen Leuten zusammenarbeiten. Deshalb zumindest in diesem Punkt Danke an Söder. LINKEN und GRÜNEN keine Regierungsverantwortung mehr. Von dem zusammengestohlenen Parteischatz der SED hat man nie mehr etwas gehört.

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    Walter Koenig

    Tja, Herr Heiß, im BSW sind auch jede Menge Leute mit SED-Vergangenheit. Und genau die braucht die CDU, um überhaupt eine Chance zum regieren zu haben. Aber Sie haben sicher Vorschläge, wer denn in den Ländern und im Bund regieren soll. Dann lassen Sie doch alle an ihrem Wissen teilhaben.

    Wolfgang Boeldt

    Vergangenheit ist Vergangenheit. Irgendwann muß amal a Ruah sein. Diese Nachtreterei langweilt allmählich. In Deutschland gibt es übrigens eine Zahl im hohen 7-stelligen Bereich an gerichtlich Vorbestraften. Viel Vergnügen mit Ihrer Aufarbeitungsphilosophie.

    Helmut Eimiller

    @Wolfgang Böldt: „Irgendwann muß amal a Ruah sein.“ | Da bin ich Ihrer Meinung. Es haben die Wähler in Sachsen und Thüringen abgestimmt und es ist davon auszugehen, dass die ihre eigene Geschichte noch viel besser kennen als wir im Westen. Auch bin ich im Moment ganz froh drum, dass nach Landtagswahlen in Bayern die Regierungsbildung in unserem Land entschieden wird. Anders dagegen siehe https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/nach-landtagswahlen-widerstand-in-der-cdu-gegen-moegliche-koalition-mit-dem-bsw-103017659. „Das BSW agiere ‚als verlängerter Arm des Kreml‘“, tönt es da „von der Alb ra“. (Roderich Kiesewetter hat bei der letzten BTW den Wahlkreises Aalen-Heidenheim für die CDU gewonnen.) Und noch ein kleiner Hinweis für Menschen die schnell beim Schießen aber weniger bewandert beim Umgang mit Zahlen sind: In Thüringen haben die AfD (mit 32 Sitzen) und das BSW (mit 15 Sitzen) zusammen die Mehrheit (Normalgröße des Thüringer Landtags 88 Abgeordnete).

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