Sahra Wagenknecht versteht es, auch eine Woche nach der Ankündigung einer neuen Protestpartei im Gespräch zu bleiben, und setzt dabei auf ungewöhnliche Annäherungsversuche. Vergangene Woche trafen die mit Kritik und Unterstellungen vergifteten Liebespfeile der abtrünnigen Linke-Politikerin Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer.
Wagenknecht bot dem derzeit mit SPD und Grünen regierenden Unionsmann bereits recht unverhohlen mit ihrer bisher nicht offiziell gegründeten Partei eine mögliche Koalition mit den Worten an: „Im Zweifel ist das vielleicht besser, als wenn Kretschmer mit der AfD regiert“, wie sie der Wochenzeitung Die Zeit zu Protokoll gab. Auf der Liste für die Landtagswahl im September kommenden Jahres wolle sie in Sachsen Kandidaten aufbieten, die ein Ministeramt ausüben könnten, sagte Wagenknecht, die fast 20 Jahre stolzes Mitglied der „Kommunistischen Plattform“ der SED-Nachfolgepartei war.
Bundes-SPD und CDU Sachsen ignorieren Koalitions-Vorschläge
Auch die SPD ist nicht sicher vor Wagenknechts Werben: Würde die SPD wieder zu einer Partei werden, die sie einmal gewesen sei, könne sie sich eine Zusammenarbeit gut vorstellen, sagte sie dem MDR samt vergifteten Komplimenten. Schließlich gebe es bei den Sozialdemokraten möglicherweise immer noch eine gewisse Substanz – wenn auch nicht gerade an der Parteispitze und in der Bundesregierung.
Immerhin in der CDU trat Wagenknecht eine Debatte los: „Die Gesprächsfähigkeit unter Demokraten ist wichtig“, sagte Thüringens CDU-Chef Mario Voigt der Bild-Zeitung. Allerdings, so fügte er hinzu: „Frau Wagenknecht ist bislang nicht dadurch aufgefallen, Politik für die bürgerliche Mitte zu machen.“
Bei den sächsischen Christdemokraten stößt Wagenknecht dagegen auf taube Ohren: „Die CDU Sachsen kommentiert die Avancen von Frau Wagenknecht nicht“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Ähnlich verhält es sich bei der Bundes-SPD, die Wagenknecht wohl keine zusätzliche Publicity schenken will.
Bündnis Sahra Wagenknecht erhielte bei Bundestagswahl 14 Prozentpunkte
Die Deutschen sind gespalten, was sie von der Idee der Politikerin halten sollen: Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Redaktion bewerten 39 Prozent die mögliche Gründung einer Wagenknecht-Partei positiv, aber 37 Prozent negativ. Das restliche Viertel ist unentschieden oder hat sich noch keine Meinung gebildet. Wählerinnen und Wähler von Kleinstparteien, der Linken und der AfD bewerten eine mögliche Wagenknecht-Partei tendenziell positiv, Anhängerinnen und Anhänger von Union, SPD und Grünen eher negativ.
In anderen Umfragen werden der Wagenknecht-Partei gute Chancen bei Wahlen eingeräumt, auch wenn Fachleute die Zahlen skeptisch bewerten. Stünde die bislang nicht gegründete Partei Bündnis Sahra Wagenknecht zur Wahl, käme sie laut einer Insa-Umfrage der Bild am Sonntag bundesweit auf 14 Prozent – die AfD würde von 21 auf 17 Prozent sinken und alle anderen Parteien ein bis zwei Prozentpunkte abgeben.
Der Gründer des Forsa-Meinungsforschungsinstituts Harald Güllner hält solche Zahlen für abenteuerlich: „Nach unseren Erkenntnissen könnte Wagenknecht einen geringen Teil der bisherigen Linken-Wähler anziehen und auch nur wenige Stimmen von der AfD holen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Laut Forsa gaben nur drei Prozent an, eine Wagenknecht-Partei „auf jeden Fall“ zu wählen, weitere 17 Prozent gaben an: „vielleicht“. Zum Vergleich: In einer ARD-Umfrage erklärten im August 50 Prozent, sie würden vielleicht die SPD wählen, 36 Prozent vielleicht die FDP und 17 Prozent vielleicht die Linke.