Immer vehementer fordern Organisationen, Politiker und Medien seit Monaten, den juristischen „Feldzug“ gegen den Gründer der Whistleblower-Plattform Wikileaks, Julian Assange, einzustellen. Doch die USA pochten lange kompromisslos auf eine Auslieferung, um ihn in 17 Punkten wegen Spionage und Geheimnisverrat anklagen zu können. Bis Mittwoch US-amerikanischer Zeit – denn just am fünften Jahrestag des Haftbeginns von Assange in Großbritannien hat sich zumindest die Tonlage verändert: „Wir erwägen das“, antwortete US-Präsident Joe Biden bei einem Treffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida auf die Frage eines Journalisten, ob Washington das Ersuchen Australiens prüfen werde, die Strafverfolgung gegen den 52-Jährigen aufzugeben.
Im März hatte ein britisches Gericht die Auslieferung mit dem Hinweis vorläufig abgelehnt, dass die US-Behörden zunächst garantieren müssten, dass Assange nicht die Todesstrafe droht. Seitdem warten seine Anhänger, die eine mögliche Verurteilung in den USA wegen Spionage als schweren Schlag gegen die Freiheit der Medien geißeln, auf eine endgültige Entscheidung der Justiz in Großbritannien.
US-Behörden werfen Julien Assange vor, das Leben von Informanten gefährdet zu haben
Die US-Behörden werfen Assange vor, durch seine Enthüllungen nicht nur Geheimnisverrat begangen zu haben, sondern damit auch das Leben von Informanten in Gefahr gebracht zu haben, die für die USA tätig waren oder sind.
Organisationen wie Amnesty International kritisieren hingegen, dass Assange dafür bestraft werden solle, dass er US-Kriegsverbrechen aufgedeckt habe. Es sei „inakzeptabel, dass ihm dafür Jahre seines Lebens gestohlen wurden“, sagte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard – vor seiner Verhaftung im April 2019 saß Assange über sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London fest, die ihm Asyl gewährt hatte.
Assange-Hasser und -Verehrer stehen sich seit Jahren unversöhnlich gegenüber
Gegenüber stehen sich seit Jahren Assange-Hasser – vornehmlich aus den USA –, die gar die Todesstrafe als angemessen für den Australier bezeichnen, und Verehrer des Whistleblowers, die ihn für einen untadeligen Journalisten halten, der stets selbstlos im Dienste der Wahrheit Missstände aufgedeckt habe. Dass jetzt die Chance aufscheint, dass diejenigen Gehör finden, die den Fall differenzierter sehen, könnte letztlich ein Vorteil für Assange sein. Der australische Premierminister Anthony Albanese steht exemplarisch für die Stimmen, die Pragmatismus und Augenmaß einfordern: „Mr. Assange hat bereits einen erheblichen Preis bezahlt – und genug ist genug“, sagte der Regierungschef.
Trotz der Bemerkung des US-Präsidenten geht die Hängepartie in diesem weltweit beispiellosen Fall vorerst weiter. Denn darauf, wie es jetzt konkret weitergehen könnte, ging Joe Biden in Japan nicht weiter ein.