Es sind Zahlen wie diese, die Naturschützer wie Landvolk gleichermaßen elektrisieren: Jährlich werden in Europa rund 65.500 Schafe, Ziegen und andere Nutztiere von Wölfen gerissen. Viele Bundesländer haben als Reaktion eigene Regelungen zum Abschuss der Tiere getroffen. Der Bundesrat will den Flickenteppich nun mit einer einheitlichen Regelung auflösen, die sich an europäischem Recht orientiert und damit für alle verpflichtend wäre.
Der am Freitag in der Länderkammer zur Abstimmung anstehende, von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eingebrachten Entschließungsantrag barg in der ursprünglichen Version einige scharfe Formulierungen und wird voraussichtlich nun in der entschärften Fassung des federführenden Umweltausschusses verabschiedet. Gleichwohl ist aber der Wille zu erkennen, den steigenden Wolfszahlen politisch etwas entgegenzusetzen. Hintergrund ist, dass der Ständige Ausschuss der Berner Konvention – dem amtlichen Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume - im Dezember dem Vorschlag der Europäischen Kommission zustimmte, den Schutzstatus des Wolfs von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu senken. Die Änderung trat im März in Kraft, die EU-Kommission legte einen Verfahrensvorschlag zur Umsetzung in europäisches Recht vor. Auf dieser Grundlage wiederum können nationale Rechtsanpassungen vorbereitet werden.
Schwarz-Rot geht auf die Jagd
Die mögliche nächste schwarz-rote Regierungskoalition wird dem voraussichtlich zügig folgen. „Die Menschen im ländlichen Raum erwarten zu Recht, dass die Begrenzung des Wolfsbestands durch gezielte Bejagung schnell in die Tat umgesetzt wird“, sagte die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion und mögliche neue Landwirtschaftsministerin Anja Weisgerber unserer Redaktion, und ergänzte: „Dafür muss der Schutzstatus des Wolfs zügig auf europäischer und anschließend auf nationaler Ebene herabgesetzt werden.“ Auf europäischer Ebene seien die Weichen gestellt worden, „jetzt muss dies auch auf Bundesebene mit einer neuen Regierung umgesetzt werden. Wir sind bereit dazu.“
Die zuständige Koalitionsarbeitsgruppe einigte sich auf diese Formulierung: „Wir unterstützen den Herdenschutz und setzen den Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes national um. Wir nehmen den Wolf umgehend ins Jagdrecht auf und erneuern dabei das Bundesjagdgesetz punktuell.“ Was davon im Koalitionsvertrag landet, ist ebenso offen wie die Frage, ob sich das Lager der Hardliner durchsetzen kann.
Union-Fraktionsvize Steffen Bilger sagte unserer Redaktion: „Die bislang zuständigen grünen Minister Özdemir und Lemke haben beim Umgang mit dem Wolf nicht gehandelt, sondern auf Zeit gespielt und die betroffenen Regionen und insbesondere die Weidetierhalter im Stich gelassen.“ Der Bundesrat erinnere nun zu Recht daran, „dass ein Einschreiten erst dann, wenn der Schaden da ist, also wenn Weidtetiere gerissen sind, viel zu spät ist“. Er sei, erklärte der in der Fraktion für den Bereich Landwirtschaft und Umwelt zuständige CDU-Politiker, „sicher, dass eine neue, unionsgeführte Bundesregierung rasch den Schutzstatus des Wolfs auch im nationalen Recht absenken wird und auf dieser Grundlage das Problem des immer weiter zunehmenden Drucks durch den Wolf entschlossen angehen wird.“ Dafür sei es höchste Zeit.
Wolf im Training
Niedersachsen etwa geht mit einer moderaten Haltung in die Bundesratsabstimmung. Landesumweltminister Christian Meyer betonte bereits die zentrale Rolle des Herdenschutzes bei der Vermeidung von Nutztierschäden. „Ich setze mich seit langem beim Bund und der EU dafür ein, den rechtlichen Rahmen für ein regional-differenziertes Wolfsmanagement zu schaffen“, erklärte der Grünen-Politiker.
Das wiederum kommt bei Umweltverbänden wie dem BUND gut an. „Wenn die Bundesländer wirklich die Zahl der Nutztierrisse reduzieren wollen, dann müssen sie sich statt mit der Bejagung endlich mit den nötigen Verbesserungen beim Herdenschutz befassen“, erklärte der Naturschutzreferent des BUND Hessen, Thomas Norgall, auf Anfrage. Es sei „viel effektiver, Nutztierrisse durch Herdenschutz zu vermeiden, als Wölfe zu schießen, die Nutztiere gerissen haben“, erklärte der Wolfs-Experte. So lange Schafe und andere Tiere ungeschützt seien, würden Deutschlands Wölfe „ungewollt aber leider wirksam auf das Reißen von Nutztieren trainiert“.
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