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Nato-Treffen: Gipfel in Madrid: Die Nato rüstet sich gegen Russland

Nato-Treffen

Gipfel in Madrid: Die Nato rüstet sich gegen Russland

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    Die Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Bündnisstaaten trafen bei dem Spitzentreffen wichtige Entscheidungen zur Umsetzung der Reformagenda "Nato 2030".
    Die Staats- und Regierungschefs der 30 Nato-Bündnisstaaten trafen bei dem Spitzentreffen wichtige Entscheidungen zur Umsetzung der Reformagenda "Nato 2030". Foto: Stefan Rousseau, dpa

    Als die Nato-Partner im Madrider Königspalast zusammenkamen und vor der prächtigen Kulisse des Thronsaals und unter goldverzierten Kronleuchtern für die Fotografen posierten, fehlte ausgerechnet der Generalsekretär. Jens Stoltenberg war am Dienstagabend noch immer im Messezentrum am Rande der spanischen Hauptstadt beschäftigt. So pries er auf einer Pressekonferenz den Durchbruch, den nach wochenlangem Ringen um eine Lösung zuletzt kaum noch jemand erwartet hatte, der aber schon da als größter Erfolg dieses Nato-Gipfels galt: Die Türkei zog das Veto gegen die Beitrittsgesuche von Schweden und Finnland zurück.

    Am Mittwoch wurde dann offiziell das Verfahren zur Aufnahme der beiden Länder gestartet. Die Kehrtwende von Präsident Recep Tayyip Erdogan am Vorabend des zweitägigen Treffens wurde mit Freude aufgenommen, nicht nur bei den Nordeuropäern, sondern vor allem die Allianz zeigte sich erleichtert. Welch fatales Signal hätte die Blockade aus Ankara sonst an den Kreml ausgesendet?

    Nun konnten die Partner auf dem laut Stoltenberg „historischen Gipfel mitten in der größten Sicherheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“ jene Geschlossenheit und Stärke demonstrieren, die sie seit der Invasion der russischen Truppen in die Ukraine beschwören. Mehr noch: Die Zusammenkunft sollte „einen grundlegenden Wandel in unserer Verteidigung und Abschreckung“ markieren. US-Präsident Biden sprach von einem „historischen“ Gipfel.

    Nato-Generalsekretär Stoltenberg sieht eine "unberechenbarere Welt"

    Er stand ganz unter dem Eindruck des Kriegs, die Analysen klangen dementsprechend düster. „Die Russische Föderation ist die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“, heißt es im neuen „Strategischen Konzept“, das die Mitgliedstaaten am Mittwoch beschlossen und mit dem die Nato die Weichen für die Zukunft neu stellt. Es werde „die Blaupause für die

    Der Leitgedanke: Abschreckung durch Aufrüstung. Man könne „einen Angriff auf die Souveränität und die territoriale Integrität der Alliierten nicht mehr ausschließen“, schrieben die Partner und versprachen gleichwohl: Man werde „stets jeden Zentimeter des Bündnis-Gebiets“ verteidigen. Als das transatlantische Bündnis 2010 das letzte Zukunfts-Papier verabschiedete, wurde Russland noch als „strategischer Partner“ geführt. Nun wurde es zum Hauptfeind erklärt. Auch wenn man bereit sei, „die Kommunikationskanäle mit Moskau offen zu halten“, klingt es so, als sei Dialog vorerst Geschichte. China findet ebenfalls in dem Dokument Erwähnung – die Volksrepublik wird als Herausforderung beschrieben.

    Die Antwort der Verbündeten auf Russlands Kriegspolitik besteht zum einen daraus, die Ostflanke massiv zu stärken – zu Wasser, auf dem Boden und in der Luft. Zum anderen will man deutlich mehr Truppen als bisher in erhöhte Bereitschaft versetzen. Um flexibler reagieren zu können, soll etwa die schnelle Eingreiftruppe NRF, die aktuell aus rund 40.000 Soldaten besteht, durch ein neues Streitkräfte-Modell ersetzt werden.

    Die Allianz plant, die Zahl der Kräfte zu verachtfachen auf mehr als 300.000 Soldatinnen und Soldaten. Die Einheiten sollen innerhalb von bestimmten Fristen bereit zur Verlegung sein, einige in maximal zehn, andere in 30, weitere in 50 Tagen. Im Ernstfall könnten sie vom Oberbefehlshaber der Nato-Truppen angefordert werden. Deutschland will sich mit einer Division, sprich 15.000 Soldaten, an den erweiterten Eingreifkräften beteiligen, bestätigte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD).

    Nato sagt der Ukraine weitere Hilfen zu

    Insgesamt handelt es sich um die größte Neuaufstellung der Nato seit dem Ende des Kalten Krieges. „Sie werden nicht gewinnen“, richtete sich der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez als Gipfel-Gastgeber an Wladimir Putin. Der russische Präsident werde „die Natoisierung Europas“ bekommen, warnte der britische Premierminister Boris Johnson.

    Außerdem sagte das Bündnis der Ukraine weitere Hilfen zu. Die Botschaft, so versprach der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, laute: Man werde die Unterstützung so lange und auch so intensiv fortsetzen, wie es notwendig sei, „damit die Ukraine sich verteidigen kann“. So gaben Deutschland und die Niederlande etwa bekannt, zusammen sechs weitere Panzerhaubitzen zu liefern, sodass die Ukraine insgesamt 18 Stück des Waffensystems erhalten. Als „weiteren Baustein“ lobte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Sendung der zusätzlichen drei Modelle aus Deutschland.

    Während sich auf dem großräumig abgesperrten Gelände des Messezentrums die Staats- und Regierungschefs berieten, wirkte Madrid in der Innenstadt wie leergefegt. Die Bewohner sollten in den nächsten Tagen am besten zu Hause bleiben und im Homeoffice arbeiten, hatte der Aufruf der Regierung gelautet. Selbst das weltberühmte Prado-Museum blieb an jenen zwei Tagen für Besucher geschlossen, am gestrigen Mittwochabend dinnierten hier unter dem Eindruck von Meisterwerken von Hieronymus Bosch und Francisco Goya die Gipfelteilnehmer. Polizei und Militär standen an jeder Ecke der Hauptstadt, die Sicherheitsoperation trug den passenden Titel Eirene; die Göttin ist in der griechischen Mythologie der personifizierte Frieden.

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