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Nahostkonflikt: UN-Experten befürchten Kriegsverbrechen auf beiden Seiten

Nahostkonflikt

UN-Experten befürchten Kriegsverbrechen auf beiden Seiten

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    Rauchschwaden steigen nach einem israelischen Luftangriff auf Gaza-Stadt in den Himmel.
    Rauchschwaden steigen nach einem israelischen Luftangriff auf Gaza-Stadt in den Himmel. Foto: Ashraf Amra, dpa/APA Images/ZUMA Wire

    Viele Länder dringen auf eine Waffenruhe in Nahost, doch ein Ende des Konflikts zwischen Israel und militanten Palästinensern scheint weiterhin nicht in Sicht. UN-Menschenrechtsexperten sehen dabei Anzeichen für Kriegsverbrechen auf beiden Seiten, die vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag untersucht werden sollten. Sie werfen Israel vor, Raketen und Granaten in dicht besiedelte Gebiete im Gazastreifen zu feuern, während bewaffnete palästinensische Gruppen ähnlich "absichtlich oder rücksichtslos" Raketen auf israelische Stadtgebiete schießen würden. Nach Angaben des Militärs wurden bislang mehr als 3300 Raketen auf Israel abgefeuert.

    Raketen werden von Gaza-Stadt in Richtung Israel abgefeuert.
    Raketen werden von Gaza-Stadt in Richtung Israel abgefeuert. Foto: Bashar Taleb, dpa/APA Images/ZUMA Wire

    Militante Palästinenser feuerten in der Nacht zum Mittwoch nach Armeeangaben in der neunten Nacht in Folge Raketen auf Israel. Am Dienstag waren dort durch massiven Beschuss nach Polizeiangaben zwei thailändische Arbeiter ums Leben gekommen. Derweil sieht Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die im Gazastreifen herrschenden Islamisten der Hamas durch die israelischen Angriffe auf ihre militärische Infrastruktur deutlich geschwächt. Die Palästinenserorganisation sei "um Jahre zurückgeworfen" worden, sagte Netanjahu.

    Gaza-Konflikt: Israels Armee tötet Hamas-Kommandeure

    Seit Beginn der neuen Eskalation des Konflikts vor neun Tagen hat Israels Militär nach eigenen Angaben im Gazastreifen Tunnelanlagen von schätzungsweise rund 100 Kilometern Länge zerstört. Nach israelischen Darstellungen hatte die Hamas das "Metro" genannte Tunnelsystem über Jahre aufgebaut. Es habe eine Länge von Hunderten Kilometern und werde unter anderem benutzt, um innerhalb des Gazastreifens Kämpfer, Munition und Lebensmittel zu bewegen, teils auch mit Fahrzeugen.

    Israels Streitkräfte töteten im Zuge der Militäroperationen auch zahlreiche Kommandeure der Hamas und der mit ihr verbündeten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Die Luftwaffe legte Häuser zahlreicher Kommandeure in Schutt und Asche, die nach Angaben des Militärs als Kommandozentralen, Kommunikationseinrichtungen und Waffenlager genutzt wurden.

    Laut dem palästinensischen Gesundheitsministerium kamen binnen gut einer Woche 217 Menschen im Gazastreifen ums Leben. Das israelische Militär versucht nach eigenen Aussagen zivile Ziele zu vermeiden, die Hamas und andere Militante würden jedoch Kämpfer und Waffen in Wohnhäusern oder in deren Nähe lagern. In Israel starben bislang zwölf Menschen durch Raketenfeuer aus dem palästinensischen Küstengebiet.

    Auch im besetzten Westjordanland kommt es immer wieder zu Konfrontationen. Am Dienstag schossen laut Polizei Demonstranten aus einer Menge auf einen israelischen Kontrollposten. Die Armee feuerte zurück. Drei Palästinenser wurden dem Gesundheitsministerium zufolge getötet, mehrere Dutzend verletzt. Auch zwei Soldaten wurden nach Angaben der israelischen Armee verletzt.

    Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und arabischen Demonstranten in Jerusalem

    Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte sich in der Vergangenheit immer wieder gegen bewaffnete Angriffe auf israelische Ziele ausgesprochen. Beobachter gehen davon aus, dass er befürchtet, von der auch im Westjordanland operierenden Hamas gestürzt zu werden. Auch in Jerusalem gibt es immer wieder Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und arabischen Demonstranten.

    Spannungen gibt es nach wie vor auch an der Grenze zum Libanon. Demonstranten seien am Dienstag auf die Grenzmauer gestiegen und hätten Steine geworfen, meldete die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA. Israelische Truppen feuerten Tränengas und Rauchgranaten ab. Mindestens fünf Demonstranten wurden laut NNA verletzt.

    Chronologie: Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern

    Seit Gründung des Staates Israel kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Nachbarn. Der erste Nahostkrieg war für Israel ein Unabhängigkeitskrieg - für die Palästinenser hingegen der Beginn der "Nakba", ihrer Flucht und Vertreibung.

    29. November 1947: Die Vollversammlung der Vereinten Nationen ruft zur Teilung des britischen Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat auf (Resolution 181). Die Juden stimmen zu, die Araber in Palästina und die arabischen Staaten lehnen den Plan ab.

    14. Mai 1948: David Ben Gurion verliest Israels Unabhängigkeitserklärung. Am Tag darauf erklären die arabischen Nachbarn Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien den Krieg. Im Kampf kann der neue Staat sein Territorium vergrößern und den Westteil Jerusalems erobern. Rund 700.000 Palästinenser fliehen.

    Oktober 1956: In der Suez-Krise kämpfen israelische Truppen an der Seite Frankreichs und Großbritanniens um die Kontrolle des Suez-Kanals, den Ägypten zuvor verstaatlicht hatte.

    Juni 1967: Im Sechstagekrieg erobert Israel den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, das Westjordanland, Ostjerusalem und die Golanhöhen.

    Oktober 1973: Eine Allianz arabischer Staaten unter Führung von Ägypten und Syrien überfällt Israel an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag. Nur unter schweren Verlusten gelingt es Israel, den Angriff abzuwehren.

    März 1979: Israels Regierungschef Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar al-Sadat schließen einen von den USA vermittelten Friedensvertrag.

    Juni 1982: Beginn der Operation "Frieden für Galiläa". Israel greift Stellungen der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO im Libanon an und marschiert ins Nachbarland ein.

    Dezember 1987: Ausbruch des ersten Palästinenseraufstands ("Intifada").

    September 1993: Israels Ministerpräsident Izchak Rabin und PLO-Chef Jassir Arafat unterzeichnen die Oslo-Friedensverträge.

    4. November 1995: Rabin wird nach einer Friedenskundgebung in Tel Aviv von einem jüdischen Fanatiker erschossen.

    September 2000: Nach einem Besuch von Israels damaligem Oppositionsführer Ariel Scharon auf dem Tempelberg in Jerusalem bricht die zweite Intifada aus.

    2003: Israel beginnt mit dem Bau einer 750 Kilometer langen Sperranlage rund ums Westjordanland. Zäune und Mauern verlaufen zum Teil auf palästinensischem Gebiet.

    August 2005: Gegen den Widerstand der Siedler räumt Israel alle Siedlungen im Gazastreifen und zieht seine Truppen aus dem Palästinensergebiet am Mittelmeer ab.

    Juli 2006: Israel und die libanesische Hisbollah-Miliz liefern sich einen einmonatigen Krieg.

    Juni 2007: Die radikal-islamische Hamas vertreibt in einem blutigen Machtkampf unter Palästinensern die Fatah von Mahmud Abbas aus dem Gazastreifen.

    Jahreswende 2008/2009 bis August 2014: In drei Konflikten bekriegen sich das israelische Militär und die Hamas im Gaza-Streifen. Kurz vor dem Krieg 2014 scheitert der bisher letzte Versuch der beiden Seiten, am Verhandlungstisch einen Frieden zu vereinbaren.

    Dezember 2017: US-Präsident Donald Trump verkündet den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Die Entscheidung stößt international auf heftige Kritik.

    Frühjahr 2018: Am Grenzzaun zwischen Israel und Gazastreifen beginnen wochenlange Demonstrationen von Palästinensern für das Recht auf Rückkehr ins Gebiet des heutigen Israels. Mehr als 100 werden von der Armee erschossen. Die USA eröffnen ihre Botschaft in Jerusalem.

    Januar 2020: Trump und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu präsentieren einen Nahost-Friedensplan. Die Palästinenser sehen das Völkerrecht verletzt.

    Mai 2021: In Jerusalem kommt es zu schweren Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern. Aus dem Gazastreifen werden Raketen auf Israel abgefeuert, das mit Luftangriffen reagiert. Dabei werden in Gaza mehrere Palästinenser getötet. (dpa)

    Mehrere Länder bemühen sich derweil weiter um Deeskalation. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron beriet mit seinem ägyptischen Kollegen Abdel Fattah al-Sisi und dem jordanischen König Abdullah II. in einer Videokonferenz über die Nahost-Krise. Die drei Länder seien sich einig darin, dass die Zeit für einen Waffenruhe gekommen sei, berichteten Kreise des französischen Präsidialamtes in Paris. Demnach wurde auch beschlossen, in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen eine humanitäre Initiative für die Zivilbevölkerung in Gaza zu starten. Auch US-Präsident Joe Biden hatte seine Unterstützung für eine Waffenruhe erklärt. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter.

    Der jüngste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich unter anderem an Spannungen in Jerusalem entzündet. Zur Eskalation des Konflikts trugen unter anderem drohende Zwangsräumungen von palästinensischen Familien im von Israel annektierten Ostteil Jerusalems bei; ebenso wie Zusammenstöße auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in der Altstadt von Jerusalem. Die Anlage mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam - und sie ist auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Die im Gazastreifen herrschende Hamas hat sich zum Verteidiger Jerusalems erklärt. (dpa)

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