Ihm sei es egal, was Joe Biden von ihm denke, sagte der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman einmal – und so handelt der 37-jährige Kronprinz auch. Ohne Rücksicht auf den bisherigen Hauptverbündeten USA hat Saudi-Arabien zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate die Ölförderung gedrosselt und damit den Ölpreis nach oben getrieben. Auch sonst wirft Mohammed bin Salman die traditionelle Anlehnung seines Landes an den Westen über Bord. Washington schaut machtlos zu.
Dabei richtet sich der Kurs von Mohammed bin Salman, der nach seinen Initialen häufig nur MBS genannt wird, nicht unbedingt gegen die USA. Erst vor wenigen Wochen bestellte Saudi-Arabien für 37 Milliarden Dollar beim US-Flugzeugbauer Boeing fast 80 Verkehrsmaschinen mit einer Option auf 43 weitere. Zudem geben die Saudis viel Geld für US-Waffen aus. Unter MBS bewirbt sich Saudi-Arabien aber auch um die Mitgliedschaft in der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit, einem Staatenbund unter Führung von China und Russland. Der Prinz strebe eine Balance zwischen USA, China und Russland an, sagt Gerald Feierstein, ein ehemaliger US-Diplomat, der heute die Denkfabrik MEI in Washington leitet.
Kronprinz Mohammed bin Salman: Saudi-Arabien soll ein moderner Staat werden
Diese Balance dient dem großen Ziel des Kronprinzen: Bis zum Jahr 2030 will er aus der Öl-Monarchie Saudi-Arabien einen modernen Staat machen. Dafür braucht der Kronprinz viel Geld. Wie das Wall Street Journal meldet, machten saudische Wirtschaftsberater die Regierung in Riad bereits vor Monaten darauf aufmerksam, dass die Megaprojekte nur mit anhaltend hohen Ölpreisen zu finanzieren seien. Weil die Preise fielen, wird nun die Fördermenge gedrosselt. Seit Saudi-Arabien und seine Partner in Opec-Plus, einem Zusammenschluss großer Ölproduzenten, den neuen Schritt am Sonntag bekannt gaben, haben die Preise um mehr als fünf Prozent angezogen. Die USA sorgen sich, höhere Ölpreise könnten den Kampf gegen die Inflation stören und das Wachstum dämpfen. Doch diese Bedenken zählen für den saudischen Machthaber nicht.
Genauso unbeeindruckt setzt sich MBS über amerikanische Bedenken hinweg, dass sein Plan zur Entwicklung einer eigenen saudischen Atomindustrie ein nukleares Wettrennen im Nahen Osten auslösen könnte. Im Januar hatte Riad bekannt gegeben, dass saudische Uranvorräte für künftige Atomkraftwerke und für den Export benutzt werden sollten. Die USA zögern mit der Lieferung von Atomtechnologie an Saudi-Arabien, weil MBS eine militärische Nutzung nicht ausschließen will, wie die New York Times berichtet. Deshalb wende sich Riad nun an andere potenzielle Lieferanten, darunter westliche Länder sowie China und Russland.
China hilft Saudi-Arabien im Umgang mit dem Iran
Ähnlich flexibel packt Mohammed bin Salman politische Probleme in der Nachbarschaft Saudi-Arabiens an. MBS will sich nicht mehr auf das militärische Schutzversprechen der USA verlassen, das jahrzehntelang das Fundament der Beziehungen zwischen den Golf-Staaten und dem Westen war. Der Prinz nutzte die Vermittlung durch China, das größter Handelspartner Saudi-Arabiens ist, um sich an den regionalen Rivalen Iran anzunähern. Damit will der Kronprinz vor allem ein Ende des Krieges im Jemen erreichen, wo die iranisch unterstützten Huthi-Rebellen gegen die saudisch unterstützte Regierung kämpfen. Im Gegenzug wertet MBS die Rolle Chinas im Nahen Osten auf.
Im Mai will der saudische Thronfolger den syrischen Präsidenten Assad bei einem Gipfel der Arabischen Liga in Riad begrüßen; es wird Assads erste Gipfelteilnahme sein, seit Syriens Mitgliedschaft in der Liga zu Beginn des Bürgerkrieges 2011 auf Eis gelegt wurde. Mit dem Treffen endet Assads regionale Isolation.