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Nahost: Lässt sich die Hamas militärisch besiegen?

Nahost

Lässt sich die Hamas militärisch besiegen?

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    Israelische Streitkräfte feuern Artilleriegranaten auf den Gazastreifen ab.
    Israelische Streitkräfte feuern Artilleriegranaten auf den Gazastreifen ab. Foto: Ilia Yefimovich, dpa

    Rauch steigt auf über den Dächern von Gaza-Stadt. Die Straßen sind bedeckt mit Trümmern der bombardierten Häuser. Stromleitungen sind umgeknickt, eine Moschee zerstört. Vier Tage nach dem brutalen Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel schlägt die Armee mit voller Härte zurück. Mit massiven Luftschlägen versuchen die Soldatinnen und Soldaten, die Hamas zu schwächen. Dutzende Kampfjets waren aufgestiegen, um operative Zentren der Terroristen zu zerstören. Und doch könnte das, was der Nahe Osten gerade erlebt, nur der Auftakt sein. Experten erwarten, dass Israel den diesmal auch mit Bodentruppen angreift, um die Gräueltaten der Hamas zu bestrafen. Schon jetzt bereitet Israel die Welt darauf vor, dass die Bilder, die bald um die Welt gehen werden, brutal werden. Man hoffe weiterhin auf Solidarität. Auch dann, „wenn sich die Kämpfe intensivieren werden und die Szenen, die aus dem Gazastreifen kommen, schwieriger werden“, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus.

    Schon in der Vergangenheit hatte die israelische Armee immer wieder versucht, die Hamas zu treffen. Was folgte, war meist ein Teufelskreis aus Kämpfen und anschließender Wiederbewaffnung. Wird Israel diesmal zu einem umfassenderen Schlag ausholen? Und ist die Hamas wirklich militärisch zu besiegen? „Das Ziel ist, der Hamas militärisch ,das Genick zu brechen‘ und sicherzustellen, dass vom Gazastreifen niemals mehr eine Bedrohung ausgeht“, sagt Peter Neumann, Terrorforscher am King‘s College in London. „Das wird schwierig sein, denn Hamas ist ja nicht nur eine Terrororganisation, sondern auch eine Partei und eine Wohlfahrtsorganisation mit tiefen Wurzeln in der Gesellschaft.“ Am Versuch, diese komplett "auszurotten", seien israelische Regierungen in der Vergangenheit bereits mehrmals gescheitert. 

    Hamas erfährt im Gazastreifen massive Unterstützung

    Schon im Kampf gegen andere Terrorgruppen wie den IS oder Al Kaida hatte sich in der Vergangenheit gezeigt, dass es keineswegs reicht, die führenden Köpfe zu töten. Und wenn es doch gelingt, folgen womöglich noch brutalere Anführer. Denn ein militärischer Erfolg allein bewirkt keine Deradikalisierung. Die Führung der Hamas, so gibt Neumann zu bedenken, könne sicher "ausgeschaltet" werden und ein Großteil ihrer militärischen Infrastruktur lasse sich zerstören. „Das wird ihre Fähigkeit, Israel bald wieder anzugreifen, bestimmt untergraben, was ja das israelische Ziel ist“, so der Experte. „Aber man darf nicht vergessen, dass die Hamas ja tatsächlich einen hohen Grad an Unterstützung hat – auch wenn sich dieser sehr schwer beziffern lässt –, und deswegen ist es auf lange Sicht tatsächlich so, dass die Organisation wieder zurückkommen könnte.“ 

    Ohnehin birgt eine Bodenoffensive große Gefahren - auch für die erfahrene israelische Armee. Die Hamas wird versuchen, die Militärs in einen Häuserkampf zu verwickeln, die Zahl der Opfer auch unter Zivilisten wird damit stark steigen. Eine Erfahrung, die Israel zuletzt im Jahr 2014 gemacht hat, als die Regierung Bodentruppen nach Gaza schickte. Die Hamas bringt ihre Kämpfer in einem Geflecht aus Tunneln, Schulen, Krankenhäusern und Wohnungen unter. Sie legt Sprengfallen und nimmt Geiseln als menschliche Schutzschilde. Zwar ist die israelische Armee der Hamas personell und technisch weit überlegen, doch der Vorteil der Islamisten ist, dass sie das Gebiet gut kennen. Die Hamas verfügte nach israelischen Schätzungen vor dem Terroranschlag auf Israel über rund 30 000 Kämpfer. Erstes Ziel dürfte daher sein, die Terroristen vor einem erneuten Einmarsch schon mit gezielten Luftschlägen zu schwächen. 

    Israel bildet eine Notstandsregierung

    Doch zumindest politisch könnte am Mittwoch der Weg für weitreichende militärische Schritte weiter bereitet worden sein. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sich mit Oppositionspolitiker Benny Gantz auf die Bildung einer Notstandsregierung geeinigt. Den Berichten zufolge sieht die Einigung vor, dass Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant sowie der ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz von der Partei Nationale Union ein Kriegskabinett bilden. Durch das geeinte Auftreten von Regierung und Opposition könnten weitreichende Schritte geplant werden. Bislang herrschte erbitterter politischer Streit zwischen den Akteuren. Experten gehen davon aus, dass auch dies ein Grund gewesen sein könnte, weshalb das Land vom Angriff der Hamas überrascht worden war. 

    In Deutschland wächst unterdessen die Sorge vor weiteren Ausschreitungen pro-palästinensischer Gruppen und vor Angriffen auf jüdische Einrichtungen. "Sie müssen in den nächsten Monaten sehr konsequent geschützt werden", sagt Terror-Experte Neumann und fordert weitere Taten der Bundesregierung: "Die Gruppe Samidoun, die auch in Deutschland Unterstützung für terroristische Organisationen mobilisiert, sollte von Innenministerin Faeser sofort verboten werden."

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