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Krieg in Nahost: Israel wehrt Großangriff der Hisbollah ab

Krieg in Nahost

Israel wehrt Großangriff der Hisbollah ab

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    Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Mitte) kam mit Militärs auf einem Militärstützpunkt in Tel Aviv zu einem Sondertreffen zusammen. Israel hat Dutzende Ziele im Libanon angegriffen und den landesweiten Ausnahmezustand ausgerufen.
    Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Mitte) kam mit Militärs auf einem Militärstützpunkt in Tel Aviv zu einem Sondertreffen zusammen. Israel hat Dutzende Ziele im Libanon angegriffen und den landesweiten Ausnahmezustand ausgerufen. Foto: Israelisches Verteidigungsministerium/dpa

    Videos aus Israels Norden am frühen Sonntagmorgen vermitteln einen Eindruck von der Wucht des Angriffs: Alle ein, zwei Sekunden erscheint ein Geschoss vor dem dunklen Himmel, um Augenblicke später in einer Explosion zu verglühen. Es handelt sich um Raketen der libanesischen Hisbollah, abgefangen vom israelischen Luftabwehrsystem Iron Dome. Über 300 Geschosse will die Hisbollah am Sonntag abgefeuert haben – und das soll nur der „erste Teil“ einer größeren Attacke sein.

    Ende Juli hatte Israels Luftwaffe Fuad Shukr in Beirut getötet, einen hochrangigen Kommandeur der schiitisch-islamistischen Hisbollah, die vom Iran gefördert und von westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird. Seitdem hatte Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah Israel mit Vergeltung gedroht. Wie die Israelischen Verteidigungskräfte am Nachmittag mitteilten, kam bei dem Angriff am Wochenende ein 21-jähriger Soldat ums Leben. Medienberichten zufolge wurde er auf einem Marineboot vor der Mittelmeerküste von herabfallenden Teilen einer israelischen Abwehrrakete getroffen. Bis zu dieser Meldung hatte man am Sonntag trotz der hohen Anzahl der Geschosse zunächst angenommen, dass der Angriff relativ geringen Schaden angerichtet hatte: Zwar wurden im Norden Israels mehrere Gebäude beschädigt, darunter ein Kindergarten. Verletztenmeldungen blieben aber zunächst aus, der Iron Dome konnte offenbar einen Großteil der Geschosse abfangen.

    Israels Armee war mit 100 Kampfjets im Einsatz

    Noch wichtiger dürfte aber ein anderer Faktor gewesen sein: Dem in der Regel gut informierten israelischen Journalisten Barak Ravid zufolge sollen die USA und Israel über Geheimdienstinformationen verfügt haben, laut denen die Hisbollah am Sonntagmorgen um fünf Uhr einen umfangreichen Angriff hatte starten wollen. Zu den Zielen soll auch eine Geheimdienstbasis bei Tel Aviv gehört haben. Um die Wucht des Angriffs zu mindern, bombardierte Israels Armee, die IDF, kurz vorher strategisch bedeutsame Hisbollah-Ziele. Die IDF selbst teilte mit, sie habe mit rund Hundert Kampfflugzeugen „Tausende Raketenwerfer“ zerstört.

    Am Vormittag meldete die Hisbollah: „Unser Militäreinsatz für heute ist abgeschlossen.“ Für den Abend kündigte die Gruppe eine Rede des Generalsekretärs Nasrallah an.

    Einen Tag nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober hatte die Hisbollah begonnen, nahezu täglich Raketen und Drohnen auf Israel abzufeuern. Die IDF bombardiert im Gegenzug immer wieder Ziele der Gruppe im Libanon. Seit Monaten fürchten Beobachter, die Gefechte könnten jederzeit zu einem größeren Krieg eskalieren. Nach dem jüngsten Schlagabtausch scheint dieses Risiko noch gestiegen zu sein.

    Neue Gespräche über Waffenruhe in Gaza

    „Die Frage ist, was in den nächsten Tagen passiert“, sagte der israelische Sicherheitsexperte Danny Citrinowicz vom Institut für nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv unserer Redaktion. „Die Hisbollah hat zwei Optionen: Sie kann den Angriff als großen Erfolg darstellen und sagen, uns ist die Vergeltung gelungen. Oder sie kann mit dem Angriff fortfahren. Nach Nasrallahs Rede werden wir schlauer sein.“

    Doch selbst in dem Fall, dass die Gefechte sich wieder auf dem bisherigen Niveau einpendeln sollten, bleibt die Lage gefährlich: Jede Fehlkalkulation könnte einen größeren Krieg auslösen – auch wenn, wie Citrinowicz glaubt, beide Seiten daran kein Interesse haben.

    „Der beste Weg, eine Eskalation zu vermeiden, wäre eine Waffenruhe in Gaza“, meint der Experte. Seit Monaten führen Israel und die Hamas indirekte Verhandlungen um eine Waffenruhe und die Befreiung der verbliebenen Geiseln; für Sonntag war in Kairo ein weiteres Spitzentreffen der Unterhändler geplant. Bis zum Nachmittag deutete allerdings nichts auf einen bevorstehenden Durchbruch hin.

    Iran schloss sich dem Angriff nicht an

    Ein Fakt macht den Experten indes zuversichtlich, dass sich eine Eskalation noch vermeiden lassen könnte: „Es ist wichtig, dass der Iran sich der Attacke der Hisbollah nicht angeschlossen hat.“ Die iranische Führung droht Israel zwar ihrerseits mit Rache, nachdem der Hamas-Chef Ismail Haniye bei einem Besuch in Teheran gewaltsam ums Leben kam – nur Stunden nach der Tötung Fuad Shukrs in Beirut. „Aber ich glaube nicht, dass der Iran Interesse an einem regionalen Krieg hat“, sagt Citrinowicz. „Hätte der Iran zusammen mit der Hisbollah angegriffen, hätte dies das Risiko eines solchen Krieges erhöht.“ In der Zurückhaltung Teherans sieht er außerdem einen Erfolg der US-Regierung, die zur Abschreckung Irans zuletzt erhebliche militärische Kapazitäten in die Region verlegt hatte.  

    In Israel entspannte sich die Lage zum Nachmittag hin denn auch ein wenig: So hob die Armee die Sonderanweisungen für Zivilisten wieder auf, die sie am frühen Morgen für nördliche Gebiete bis zum Großraum Tel Avivs erhoben hatte; und der internationale Ben-Gurion-Flughafen, der am Morgen für einige Stunden geschlossen worden war, nahm seinen Betrieb wieder auf.

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