Es gibt wenige Orte auf dieser Welt, die trostloser sind als dieser schmale Streifen Land. Zwölf Kilometer breit, 40 Kilometer lang. Die blauen Wellen des Mittelmeers mögen noch so beruhigend an die sandigen Küsten brechen, hinter der Landgrenze öffnet sich ein schwarzes Loch. Wer im Gazastreifen lebt, dessen Schicksal ist vorgezeichnet. Es folgt den Regeln eines Schlachtfeldes. Zum Helden wird hier, wer den Kampf gegen das verhasste Israel aufnimmt. Als Märtyrer werden jene gefeiert, die nicht einmal den Tod scheuen. Plakate mit ihren Gesichtern zieren die Straßen. Es ist die Wut, die die Gesellschaft zusammenschweißt. Tausende Terroristen hat sie hervorgebracht, ein Teil von ihnen durchbrach am Wochenende die Sperranlage zu Israel, richtete ein Massaker an, bei dem nicht einmal Säuglinge verschont wurden. Widerstand aus den eigenen Reihen haben sie nicht zu erwarten – obwohl es die Menschen in Gaza sein werden, die nun den israelischen Gegenschlag zu spüren bekommen.
Zwei Millionen Männer und Frauen leben in dem dicht besiedelten Gebiet, die Hälfte von ihnen ist minderjährig. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 40 Prozent. Als Reaktion auf den Angriff lässt die israelische Regierung um Premier Benjamin Netanjahu nicht nur Bomben auf sie regnen, sie sperrt auch die ohnehin eingeschränkten Zugänge für Treibstoff, Trinkwasser und Lebensmittel. Damit steht eine humanitäre Katastrophe bevor. Dem Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen zufolge könnten die Vorräte im abgeriegelten Gazastreifen in den nächsten 14 Tagen auslaufen. Ein Drittel der Geschäfte hätten sogar nur Vorräte für weniger als eine Woche. Die Wasserversorgung ist schon jetzt eines der größten Probleme der Gaza-Bewohner. Nach Angaben des UN-Hilfswerks Unicef hat nur jeder Zehnte von ihnen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Auch beim Treibstoff ist der Gazastreifen vom Ausland abhängig, um zum Beispiel Diesel für die Stromerzeugung zu nutzen. Ohnehin fließt in der Region nur für wenige Stunden am Tag Strom durch die Leitungen.
Ägypten hat Grenzübergang zum Gazastreifen geschlossen
Finanziell unterstützt wurden die Menschen in Gaza bislang von Hilfsgeldern auch aus dem Westen. Doch die Hamas schreckt seit vielen Jahren nicht davor zurück, diese Mittel in militärische Ausrüstung und damit in den Terror fließen zu lassen. Netanjahu forderte die Palästinenser nun auf, den Gazastreifen zu verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch so einfach ist das nicht. Die Grenzen zu Israel sind hermetisch abgeriegelt, auch der direkte muslimische Nachbar im Süden, Ägypten, will den Palästinensern kein Obdach gewähren: Der Grenzübergang Rafah ist aktuell geschlossen. Dabei hat die Hamas, die im Gazastreifen herrscht, ihre Wurzeln in der ägyptischen Muslimbruderschaft.
Ziel der Hamas ist es, den Staat Israel auszulöschen. Gründer der Gruppe war im Jahr 1987 Scheich Ahmed Jassin, der bis zu seiner Tötung durch einen gezielten israelischen Luftangriff im März 2004 auch der geistige Führer der Hamas war. Die Macht im Gazastreifen hat die als Terrororganisation eingestufte Vereinigung im Jahr 2006 übernommen, sie ist damit auch für die Versorgung der Menschen zuständig. Die Hamas herrscht über die Bevölkerung mit harter Hand, es gelten im Alltag die Regeln einer islamistischen Ordnung. Immer wieder griff sie mit Selbstmordanschlägen Israel an. Seit 2007 wird deshalb die Ein- und Ausreise der Menschen streng kontrolliert. Anders als im Westjordanland leben im Gazastreifen heute keine israelischen Staatsbürger oder israelischen Siedler mehr. Auch das israelische Militär hat sich zu Beginn der 2000er Jahre aus der Fläche zurückgezogen.
Arabische Welt nähert sich an Israel an
Israel hatte den Gazastreifen fast 40 Jahre unter seiner Kontrolle. Viele Palästinenser waren nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948/49 dorthin gezogen. Bis 1967 stand der Streifen unter ägyptischer Führung, die dann an Israel überging. Immer wieder kam es zu Konflikten, nicht nur mit dem Militär, sondern auch mit dort ansässigen jüdischen Siedlern. Die Hamas nutzte die Stimmung gezielt für sich. Die Not der Zivilbevölkerung, an der sie selbst einen großen Anteil hat, befördert die für die Legitimation der Terroristen so wichtige Radikalisierung. Der Krieg gegen Israel lenkt immer wieder auch vom Versagen der Hamas ab. Selbst die arabische Welt hatte sich in den vergangenen Jahren schrittweise an Israel angenähert, sogar Saudi-Arabien streckte zuletzt seine Fühler aus. Auch die Beziehungen zu den Palästinensern im Westjordanland sind angespannt, seit Jahren tobt ein innerpalästinensischer Konflikt zwischen der Hamas im Gazastreifen und der Fatah im Westjordanland.