Bis kurz vor Beginn der Waffenruhe im Nahen Osten feuerte die islamistische Hamas noch ihre Raketen auf Israel – seit ihrem Inkrafttreten um zwei Uhr in der Nacht zum Freitag aber hält die Feuerpause auch. In die vielen Stimmen der Erleichterung über das Ende der elftägigen Kämpfe mischt sich allerdings auch schon eine Portion Skepsis. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, formuliert es gegenüber unserer Redaktion so: „Wir wünschen uns vor allem für die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten, dass diese Waffenruhe hält.“ Die Lage bleibe jedoch sehr fragil, sodass Israel als einzige Demokratie im Nahen Osten weiter die Unterstützung Deutschlands brauche. Nach wie vor habe Israel auf palästinensischer Seite „keinen adäquaten Verhandlungspartner“.
Vermittelt hatte die Waffenruhe wie schon in früheren Konflikten auch diesmal Ägypten – das Land hat gute Beziehungen nach Israel und zur im Gazastreifen herrschenden Hamas. Beide Seiten warnten jedoch, dass die Waffenruhe hinfällig werde, sollte sich die Gegenseite nicht an die Vereinbarung halten. „Die Entscheidung, den Raketenbeschuss Israels wieder aufzunehmen, bleibt eine Option“, erklärte ein Sprecher der Hamas. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden bis Donnerstag 232 Palästinenser getötet, in Israel starben zwölf Menschen.
CDU-Mann Röttgen: Wir können diesem Konflikt nicht ausweichen
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen fordert nun größere europäische Anstrengungen für eine dauerhafte Entspannung. „Die wichtigste Frage ist nun, wie es weitergeht“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag gegenüber unserer Redaktion. „Der Nahe Osten ist die Nachbarschaft Europas; wir können diesem Konflikt und seinen Folgen für uns nicht ausweichen.“ Stabilität und Frieden dort müssten in die Prioritätenliste Deutschlands und der europäischen Staaten aufgenommen werden. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) betonte gegenüber unserer Redaktion: „Es geht nun darum, die Waffenruhe auch einzuhalten, um ernsthafte Gespräche aufnehmen zu können und insbesondere in Gaza die humanitäre Versorgung und den Wiederaufbau voranzutreiben.“
Der Historiker Michael Wolffsohn hat dagegen Zweifel, ob die deutsche Politik die Dimension der Herausforderung überhaupt schon erkannt hat. „Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Konflikte zwischen Israel und der Hamas immer nach dem gleichen Schema ablaufen“, räumt er ein. „Das ist aber nicht so. Leider haben das weder die EU noch Deutschland verstanden.“ Anders als beim letzten Konflikt 2014 steuere heute der Iran die Hamas. „Und der Iran verhandelt gerade über einen neuen Atomvertrag.“ Er glaube, so Wolffsohn weiter, dass Teheran die Hamas-Raketen auf Israel ganz gezielt als Druckmittel eingesetzt habe. „Als Antwort darauf sollte der Westen darauf bestehen, dass die Atomwaffenverhandlungen mit der Hamas-Frage verknüpft werden.“ Einen neuen Atomdeal dürfe es nur geben, wenn der Iran garantiere, dass die Hamas in Zukunft keine Raketen mehr auf Israel abschieße.
Netanjahu: Die Hamas kann sich nicht mehr verstecken
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von großen Erfolgen im Kampf gegen die Hamas. Unter anderem habe die israelische Armee die Verteidigungstunnel der Islamisten in Gaza zerstört, das sogenannte Metro-System. „Die Hamas kann sich nicht mehr verstecken.“ Außerdem seien viele führende Mitglieder der Hamas und des Islamischen Dschihad getötet worden. „Wer nicht getötet wurde, weiß, dass unser langer Arm ihn überall erreichen kann – über und unter der Erde.“ Auf neue Angriffe aus dem Küstenstreifen am Mittelmeer werde Israel in aller Härte reagieren: „Wir haben die Gleichung nicht nur für die Zeit der Operation, sondern auch für die Zukunft verändert.“
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