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Krieg in Nahost: Die Hamas und die Helfer: Eine gefährliche Symbiose

Krieg in Nahost

Die Hamas und die Helfer: Eine gefährliche Symbiose

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    Vertriebene Palästinenser erhalten Nahrungsmittel vom UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA).
    Vertriebene Palästinenser erhalten Nahrungsmittel vom UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Foto: Mohammed Talatene, dpa

    Die Verbindungen zwischen dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für die Palästinenser (UNWRA) und der HamasHamas sind offenbar noch enger als bisher angenommen. Nach einem Bericht des Wall Street Journal, das sich auf israelische Geheimdienste beruft, haben etwa zehn Prozent der 12.000 UN-Mitarbeiter im Gazastreifen Verbindungen zu Terrororganisationen wie der Hamas oder dem Islamischen Dschihad. Der bereits zuvor bekannt gewordene Skandal, nach dem zwölf Beschäftigte der Vereinten Nationen direkt an den Massakern vom 7. Oktober beteiligt waren, wäre danach nur die Spitze des berühmten Eisberges. Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, jedenfalls sagt: „Die UNWRA steckt schon lange mit den Terroristen unter einer Decke.“ 

    Aus Bewässerungsrohren wurden Raketen

    Dass das Hilfswerk und die Hamas in einem geradezu symbiotischen Verhältnis zueinander stehen, ist kein Geheimnis. „Das wusste ich schon, als ich noch Minister war“, sagt der frühere Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) im Gespräch mit unserer Redaktion. Deshalb habe er bei jedem Zementsack für Gaza auch im ständigen Austausch mit der israelischen Militärverwaltung darauf geachtet, dass er nur ja nicht bei den Islamisten lande. Allerdings konnte auch Niebel nicht verhindern, dass aus von Deutschland finanzierten Bewässerungsanlagen irgendwann die Rohre herausgerissen und für den Bau von Raketen zweckentfremdet wurden. Umso wichtiger sei es nun, sagt Niebel, nach Kriegsende neue Strukturen in Gaza aufzubauen. „Und zwar ohne die UNWRA.“ Bei ihr stinke der Fisch vom Kopfe her. „Die Führung dort hat ganz offensichtlich versagt.“ Das zweite Hilfswerk der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, das UNHCR, beschäftige zwar nur ein Drittel so viele Mitarbeiter, arbeite aber transparenter und effizienter. 

    Teil der Lösung oder des Problems? UNRWA-Chef Philippe Lazzarini.
    Teil der Lösung oder des Problems? UNRWA-Chef Philippe Lazzarini. Foto: Salvatore Di Nolfi/KEYSTONE, dpa

    Vorwürfe der mangelnden Distanz zwischen dem Hilfswerk und der Hamas gibt es schon lange. Unter anderem werden seine Gebäude in Gaza von der Hamas mit genutzt. Teilweise verschanzen sich Hamas-Kämpfer sogar in den Schulen der UNWRA. Außerdem wurden mit Geldern der Vereinten Nationen über Jahrzehnte Schulbücher finanziert, die offen zur Gewalt gegen Israel und zum Hass auf Juden aufrufen. Auf den Landkarten in den Erdkundebüchern fehlte Israel teilweise sogar komplett. Der Chef des Hilfswerks, der Schweizer Philippe Lazzarini, sprach 2021 nach Bekanntwerden neuer Vorwürfe zwar von Einzelfällen. Ein Jahr später allerdings diagnostizierte eine israelische Forschergruppe, das Hilfswerk bringe weiter Schulbücher mit Material in Umlauf, „das zu Dschihad, Gewalt und Märtyrertum aufruft, das Antisemitismus fördert sowie Hass, Intoleranz und mangelnde Neutralität propagiert". Dass dieser Hass sich auch in der direkten Beteiligung von UNWRA-Mitarbeitern an Terroranschlägen äußert, galt bis vor Kurzem allerdings als undenkbar. Entsprechend schnell haben viele Geberländer, darunter Deutschland, ihre Zahlungen vorübergehend eingestellt. 

    3000 UN-Mitarbeiter bejubelten die Massaker vom 7. Oktober

    Für Lazzarini ist die Hilfe in Gaza ohne Kontakt zur Hamas praktisch unmöglich. In die Arbeit der UNWRA aber, beteuert er, mische sie sich nicht ein. Dass sich von seinen 30.000 Mitarbeitern, die fast durchweg Palästinenser sind, nicht alle "korrekt und wertschätzend" verhielten, sei indes kaum vermeidbar, betont er in einem Interview mit dem Schweizer Tagesanzeiger. Auch sonst spielt Lazzarini Kritik gerne herunter. Als ein Chat-Kanal im Internet aufflog, in dem 3000 UNWRA-Leute die Massaker vom 7. Oktober bejubelten, entgegnete er nur: Man werde das prüfen, aber vermutlich handle es sich dabei nur um eine weitere Schmierenkampagne. 

    Weit über eine Milliarde US-Dollar fließen jedes Jahr als freiwillige Beiträge von einzelnen Ländern sowie der Europäischen Union an das Hilfswerk, das damit unter anderem die medizinische Versorgung gewährleisten, Schulen betreiben und eine funktionierende Infrastruktur aufbauen soll. Ursprünglich als temporäres Programm gedacht, wird sein Mandat seit 1949 alle drei Jahre verlängert. Die UNWRA ist das einzige Hilfswerk der Staatengemeinschaft, das sich nur um eine Gruppe von Flüchtlingen kümmert – nämlich die Palästinenser, die nach der Staatsgründung Israels 1948 und dem folgenden arabisch-israelischen Krieg vertrieben wurden oder geflohen sind, sowie deren Kinder, Enkel und Urenkel. Da der Flüchtlingsstatus bei den Palästinensern buchstäblich vererbt wird, geht dem Hilfswerk die „Kundschaft“ auch nicht aus. Derzeit zählt es etwa sechs Millionen palästinensische „Flüchtlinge“ in Jordanien, dem Libanon, Syrien, dem Gazastreifen und dem Westjordanland. Von den 2,4 Millionen Einwohnern in Gaza sind 1,7 Millionen als Flüchtlinge registriert, obwohl sie teilweise schon seit Jahrzehnten dort leben. Auch deshalb wird dem Hilfswerk immer wieder vorgeworfen, anstatt Integration zu fördern und die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, kultiviere es den Flüchtlingsstatus geradezu. 

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