Internationalen Gegnern des Mullah-Regimes galt der Iran noch vor wenigen Monaten als die „große Spinne im Netz“, die alles tut, zusammen mit Verbündeten den Einfluss des Westens zurückzudrängen und Israel zu zerstören. Teheran stilisiert sich hingegen gerne als Koordinator einer „Achse des Widerstandes“ – das hört sich weniger diabolisch an, meint aber dasselbe. Doch jetzt könnte man – um im Bild zu bleiben – von einer verstörten Spinne in einem zerfetzten Netz und einem Achsenbruch sprechen: Erst die personelle Enthauptung und militärische Demontage der im Kampf gegen Israel eng verbündeten Hisbollah-Miliz, dann der fast widerstandslose, aber doch epochale Zusammenbruch der grausamen Diktatur von Baschar al-Assad in Syrien.
„Das ist die größte Niederlage der Islamischen Republik seit ihrem Bestehen, innen- wie außenpolitisch. Selbst über die unmittelbare Zukunft herrscht absolute Ungewissheit“, ordnet der Kenner des Landes, Ali Sadrzadeh, die Dimension der Verwerfungen auf der unabhängigen Plattform Iran Journal ein. Das in weiten Teilen der eigenen Bevölkerung unbeliebte, ja verhasste Regime gerät auf mehreren Ebenen unter Druck. 2025 könnte für den noch immer mächtigsten Mann in Teheran, den „Obersten Führer“ Ali Chamenei, und auch für die Herrschaft des Religionsstaates zum Schicksalsjahr werden.
Längst wird über einen Schlag Israels und der USA gegen iranische Atomanlagen spekuliert
Da geht es um politische und militärische Demütigungen, den Verlust von geostrategischen Bündnispartnern oder die wachsende Gefahr, dass Israel mit Rückendeckung oder gar aktiver Unterstützung der USA versuchen könnte, die iranischen Atomanlagen durch einen massiven Militärschlag auszuschalten oder zumindest nachhaltig zu beschädigen. Schon gibt es Spekulationen, dass der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu eine solche Attacke noch vor der Amtsübernahme Trumps am 20. Januar plant. Die Furcht in Israel, dass der Iran seine akute Schwäche durch die forcierte Entwicklung einer Nuklearwaffe kompensieren will, ist groß.
Weniger im Fokus stehen die enormen ökonomischen Folgeschäden, die sich für Teheran abzeichnen. Iran-Experte Jamshid Asadi macht folgende Rechnung auf: In den Jahren von 2011 bis 2023 hat der Iran in Syrien zwischen 30 und 35 Milliarden Dollar in militärische und logistische Infrastruktur investiert. Eine gewaltige Summe für einen Staat, in dem sich die Lebensverhältnisse eines großen Teils seiner Bevölkerung seit Jahren verschlechtern – immer mehr Iranerinnen und Iraner leben unter der Armutsgrenze. Die Situation könnte nun noch prekärer werden, da Syrien auch als Drehscheibe zur Umgehung westlicher Sanktionen gegen Damaskus diente.
Viele von Teheran mitfinanzierte Militäranlage in Syrien sind zerstört
Fast alle der vom Iran mitfinanzierten Militärstützpunkte wurden durch israelische Luftangriffe nach der Flucht Assads zerstört, noch intakte Anlagen der Infrastruktur sind dem Einfluss Teherans entzogen. Asadi verweist im Iran Journal darauf, dass gerade die iranische Revolutionsgarde, eine der wichtigsten Stützen des Regimes, hohe Summen in die syrische Energieversorgung, den Wohnbau oder in den Wiederaufbau des Hafens der Millionenstadt Aleppo gesteckt hat. Projekte, die die Herrschaft Assads stützen, aber mittelfristig auch die Kasse der Revolutionsgarden füllen sollten.
Dies alles könnte auf Sand gebaut sein. Das ist aus Sicht der Revolutionsgardisten auch deshalb besonders bitter, da – je nach Quelle – zwischen 3000 und 4000 ihrer Kämpfer seit 2011 im syrischen Krieg getötet wurden. Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass Teheran hofft, auf das Spielfeld Syrien zurückkehren zu können. Chamenei ließ verlauten, dass er daran glaube, dass ein Widerstandskampf gegen die neuen Machthaber um den Chef der syrisch-sunnitischen HTS-Miliz Ahmed al-Scharaa nur eine Frage der Zeit sei. Der iranische Außenminister Abbas Araght legte nach: Diejenigen, die sich „derzeit als sichere Sieger fühlen, sollten sich nicht zu früh freuen“, erklärte Irans Chefdiplomat.
Die syrische Übergangsregierung reagiert auf Drohungen aus dem Iran
Die syrische Übergangsregierung reagierte schnell auf die kaum verhohlene Drohung und warnte den Iran ihrerseits, sich einzumischen. Davon wird sich Teheran allerdings kaum abschrecken lassen.
Die Frage wird sein, wie der Iran auf die Umwälzungen vor der Haustüre reagiert. Bisher ist keine klare Linie zu erkennen. Während Chamenei sich demonstrativ unbeeindruckt zeigt, überraschte der Präsident Massud Peseschkian mit der Ankündigung, Spannungen mit dem Ausland abbauen zu wollen: „Um unnötigen Ärger zu vermeiden, sollten wir nicht ständig mit der Welt streiten“, sagte das Staatsoberhaupt mit überschaubarer Machtfülle der iranischen Nachrichtenagentur Irna. Ein echter Kurswechsel des Regimes scheint jedoch in der Ära des 84-jährigen Chamenei ausgeschlossen.
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