Schon der Start zum Amtsantritt auf der Arabischen Halbinsel verlief holprig. Kurz vor dem Abflug von Außenministerin Annalena Baerbock nach Saudi-Arabien meldete die Luftwaffe einen technischen Defekt am Regierungsflieger. Der Airbus A340 "Theodor Heuss" konnte nicht abheben, ein Ersatzflieger wurde geordert. Mit rund zwei Stunden Verspätung startete die Grünen-Politikerin in eine politische Mission, die schwierig ist und die Spannbreite des diplomatischen Geschäfts aufzeigt: Saudi-Arabien ist eines der Länder, die aus politischen wie wirtschaftlichen Gründen Partner sein sollen. Es ist aber auch eines der Länder, mit denen es bei sehr grundsätzlichen Themen Differenzen gibt.
Baerbock ist das bewusst. Zum Dialog mit der saudischen Regierung gehöre auch, "sich bei Fragen in die Augen zu schauen, bei denen wir weit auseinander liegen. Dazu gehören die Menschenrechte", erklärte die Außenministerin. Die ersten Schritte gesellschaftlicher Öffnung hätten viele junge Menschen in Saudi-Arabien ermutigt. "Für mich ist es daher selbstverständlich, dass eine Gesellschaft, die Vorbild für eine ganze Region sein will, auch auf die Stimmen seiner Frauen hört – online wie offline."
Saudi-Arabien hält sich nicht an Menschenrechte
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International werfen Saudi-Arabien willkürliche Verhaftungen, Unterdrückung der Meinungsfreiheit und Hinrichtungen vor. eine Doktorandin der University of Leeds und Mutter von zwei Kindern, vom saudischen Sonderstrafgericht (SCC) in Riad zu 27 Jahren Haft sowie einem anschließenden 27-jährigen Reiseverbot verurteilt.
Die Unions-Fraktion im Bundestag wirft die Menschenrechtsfrage in einem anderen Zusammenhang auf. Es geht um die Ausrichtung der Weltausstellung Expo 2030, für die sich neben der Ukraine, Südkorea und Italien auch Saudi-Arabien beworben hat. Die CDU/CSU weist darauf hin, dass die Bundesregierung, vertreten durch das Wirtschaftsministerium, am Vergabeprozess beteiligt ist.
"Erst vor kurzem reiste das Wirtschaftsministerium nach Saudi-Arabien und fand unterstützende Worte dafür, die Weltausstellung Expo im Jahr 2030 in dem Land durchzuführen – trotz schwerer Menschenrechtsverletzungen. Dieses Verhalten ist befremdlich", sagt der CDU-Abgeordnete Stefan Rouenhoff unserer Redaktion. "Die Bundesregierung spricht beim Thema Menschenrechte in Saudi-Arabien mit gespaltener Zunge", wirft Rouenhoff, Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestages, der Ampel vor, Baerbock werde sich an ihren eigenen Vorgaben messen lassen müssen. "Ihre Reise nach Saudi-Arabien wird zeigen, wie glaubwürdig sie in der Menschenrechtspolitik tatsächlich ist."
Bei Baerbocks Besuch geht es auch um Chance auf Frieden im Jemen
Auf der Reise soll es unter anderem um die Konflikte im Jemen und im Sudan gehen. Durch die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran stehen die Chancen auf eine Entspannung des Krieges im Jemen, wo beide Länder unterschiedliche Seiten unterstützen, so gut wie seit Jahren nicht. Riad hat nach Einschätzung deutscher Diplomaten im Jemen-Krieg "in den letzten Monaten eine durchaus konstruktiv zu bewertende Rolle" gespielt. Andererseits hatte Saudi-Arabien 2015 mit Militäreinsätzen im Jemen begonnen. Tausende jemenitische Zivilisten kamen bei saudi-arabischen Luftangriffen ums Leben, beklagen Menschenrechtsorganisationen. Saudi-Arabien kämpft im Jemen gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen, die das Land 2014 überrannten und die weite Teile im Norden beherrschen.
Nach der Landung trifft Baerbock in Dschidda mit ihrem Amtskollegen Prinz Faisal bin Farhan zusammen. Eine gemeinsame Pressekonferenz hatten die Gastgeber abgelehnt. Am Dienstagmittag wollte die Ministerin in die katarische Hauptstadt Doha weiterreisen.